Handel & IndustrieDruck & Papier

Briefmarkendruck in Amerika

Prometheus • 16.1.1895

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich entschlossen, ihre eigenen Briefmarkenfabrikanten zu werden, nachdem sie bis dahin den Bedarf an diesen Wertzeichen in privaten Instituten gedeckt hatten. Der Betrieb des neuen Institutes, welches in gewisser Beziehung unserer deutschen  Reichsdruckerei verwandt erscheint, ist ein ziemlich interessanter, und wir wollen versuchen, im Folgenden unseren Lesern einen Begriff von der Art der Darstellung der amerikanischen Briefmarken zu geben, wobei wir als Quelle einen Artikel aus einer Tageszeitung in Philadelphia benutzen.

Wie bekannt, werden in neuerer Zeit die Briefmarken von allen Kulturstaaten mit Hilfe der Kupferdruckpresse hergestellt; während man früher Briefmarken vielfach sowohl auf lithographischem Weg als auch mit Hilfe des Holzschnitts herstellte, ist man von diesen Methoden in jüngster Zeit vollständig abgekommen und bedient sich gewöhnlich des viel schärferen Kupfer- oder Stahlstiches. Die Art, wie der Druck der Briefmarken geschieht, ist nicht wesentlich verschieden von der Art der Herstellung der Banknoten, nur dass man gegen die Fälschung der Postmarken weniger energische Mittel zu ergreifen hat als bei der Herstellung von Wertpapieren über größere Beträge. Infolgedessen beschränkt man sich heutzutage meist auf die Herstellung der Briefmarken auf einem bestimmten Papier in einem farbigen oder doppelfarbigen Druck mit Hilfe des einmaligen oder doppelten Kupfer- oder Stahlstiches, ohne die früher gebräuchlichen Schutzmittel, wie Wasserzeichen, Seidenfäden, Überdrucke u. dgl. anzuwenden.

Wenn man bedenkt, wie groß der Briefmarkenbedarf der Vereinigten Staaten ist, so wird man sich nicht wundern, dass die Druckerei bei deren Herstellung mit ziemlich erheblichen Zahlen zu rechnen hat. Es werden etwa 40 Millionen Bogen Marken in den Vereinigten Staaten jährlich gebraucht, jeder Bogen zu 100 Marken in verschiedenen Werten. Der Druck dieser Bogen geschieht von Kupferdruckplatten, deren jede 16 000 Marken in der Minute zu drucken gestattet, d. h. 1 000 000 in der Stunde etwa. Während bei dem gewöhnlichen Kupferdruckverfahren der Druck nur von einer Platte erfolgt, geschieht dies hier von vier rotierenden Platten gleichzeitig. Auf jeder Platte sind die Matrizen für 400 Marken graviert, und die entstehenden Blätter von je 400 Briefmarken werden später in vier Teile getrennt, von denen jeder 100 Marken enthält. Jede der Druckplatten wird mit Hilfe einer endlosen Kette auf der Druckpresse zunächst in eine solche Lage gebracht, dass sie von der mit Kupferdruckfarbe versehenen Walze eingewalzt werden kann. Hierauf beschreibt sie eine Vierteldrehung und gerät dabei unter eine Art von Reibekissen aus Baumwollenstoff, welches sich kreisförmig bewegt und die Farbe in die Vertiefungen der Gravur hinein reibt. Nach einer weiteren Vierteldrehung dreht die Platte ihre gravierte und mit Farbe versehene Oberfläche einem Arbeiter zu, dem das schwierige und wichtige Geschäft obliegt, den Überschuss der Farbe von der Druckplatte zu entfernen. Bekanntlich ist der Kupferdruck ein sogenannter Tiefdruck im Gegensatz beispielsweise zum Buchdruck, welchen man als Hochdruck bezeichnet. Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Hochdruckplatte die Druckfarbe von den erhabenen Stellen der Matrize abgenommen und von diesen auf das Papier übertragen wird, während beim Tiefdruck (Kupferdruck, Stahlstich, Kupferätzung, Heliogravüre) die Farbe in die Tiefen, in die vertieften Gravierungen der Platte hineingerieben, dann der Überschuss vom Planum der Platte entfernt und schließlich das entsprechend gefeuchtete Papierstück unter derartiger Pressung gegen die Platte geführt wird, dass die Farbe aus der Gravierung des Originals an der Papierfaser haftend herausgerissen wird. Bei dem gewöhnlichen Kupferdruck ist es Sache des Kunstdruckers, die Farbe passend zu verteilen und den Überschuss durch Stoffballen oder andere Vorrichtungen von der Platte hinwegzunehmen. Im Kupferdruck erfordert diese Arbeit einen auch künstlerisch geschulten Drucker, weil von der Menge der Farbe, welche er auf dem Originale zurücklässt, und von deren Verteilung über die einzelnen Teile der Platte im Wesentlichen der Eindruck abhängt, welchen der fertige Abzug macht. Der Kunstdrucker darf häufig nicht alle Farbe von der Oberfläche der Platte entfernen, sondern er muss hier und da zur Erzielung eines bestimmten Effektes größere oder geringere Mengen der Farbe auf der Oberfläche der Platte belassen, die dann wie ein Tondruck die Gravierung selbst überlagern. Nicht so beim Briefmarkendruck. Hier handelt es sich darum, die Farbe vollständig gleichmäßig in den Tiefen der Gravur zu verteilen und jeden Überschuss, der auf die Fläche der Platte kommt, zu entfernen. Hierzu bedient sich der amerikanische Markendrucker keines Instrumentes, sondern nur seiner Hand, und durch große Übung haben es diese Leute dahin gebracht, die Farbe in der richtigen Menge in der Gravur zu belassen und die Oberfläche der Platte vollkommen davon zu reinigen. Dies alles geht mit außerordentlicher Geschwindigkeit vor sich, denn nach wenigen Sekunden schon wird die Platte durch die endlose Kette weiter geführt und gelangt in die eigentliche Druckpresse, wo während dessen ein Mädchen den Papierbogen in passende Lage gebracht hat, so dass er nach Schluss der Presse den Druck empfängt. Solcher Pressen sind augenblicklich sechs im Gebrauch, so dass an einem Tag viele Millionen Briefmarken gedruckt werden. Jede Presse wird von drei Personen bedient, dem Drucker und zwei Mädchen. Damit bei dieser Arbeit keine Unterschleife stattfinden, hat der Drucker über jedes Papierstück, welches er gezählt empfängt, Rechenschaft abzulegen und die gleiche Menge von Bogen abzuliefern, wie er empfangen hat. Da selbstverständlich von Zeit zu Zeit Ausschuss vorkommt, so muss auch dieser abgeliefert werden, doch darf der Ausschuss unter 200 Bogen nur 3 – 4 Blätter betragen. Fine größere Menge Ausschuss wird bestraft. Man kann leicht einsehen, welche Anforderungen diese Arbeit an die Schnelligkeit, Sicherheit und Ausdauer der Drucker stellt. Nach dem Druck werden die bedruckten Blätter gezählt und einzeln zwischen Strohpappen unter einer hydraulischen Presse geschichtet und flach gedrückt.

Die weitere Arbeit läuft auf das Gummieren und Perforieren der fertigen Marken hinaus. Zum Gummieren ist ebenfalls eine interessante Maschine aufgestellt, welche die Arbeit in äußerst kurzer Zeit und mit großer Exaktheit ausführt. Während man früher das Klebemittel mit Hilfe von Pinseln durch Handarbeit auftrug, geschieht dies jetzt durch eine Maschine. Die bedruckten Blätter werden, Bildseite abwärts, auf ein endloses Tuch nebeneinandergelegt und von diesem in gleichförmiger Bewegung in einen Raum geführt, wo sie unter der Maschine das Klebemittel in dünner Schicht aufnehmen. Hierzu dienen Maschinen mit Walzen, über welche das Klebemittel gleichmäßig verteilt ist und von denen das Papier überrollt wird. Die Maschinen zum Aufbringen des Klebematerials sind in zwei Exemplaren bei der Arbeit, das endlose Band hat eine Oberflächenlänge von 20 m bei einer Breite von etwa 1 m. Während des Aufbringens des Klebemittels müssen die Walzen stark erwärmt werden, weil auf diese Weise eine größere Verflüssigung des Leims und ein gleichmäßiges Auftragen ermöglicht werden. Nachdem die gummierten Papiere die Maschine passiert haben, gelangen sie auf ihrem endlosen Band in den Bereich eines elektrischen Ventilators, in welchem sie schnell trocknen und am anderen Ende des Bandes von einem Arbeiter genommen und stoßweise zusammengelegt werden. Nach dieser Arbeit werden die Bogen wiederum unter eine hydraulische Presse gebracht, um sie flach zu pressen, weil sie nach der Leimung eine gewisse Neigung zum Zusammenrollen zeigen. Die somit geleimten Papiere müssen jetzt noch in der nachstehenden Weise perforiert, d. h. die einzelnen Marken müssen mit durchlochtem Rand versehen werden, damit sie sich leicht voneinander trennen lassen. Die Perforiermaschine besteht aus einer Anzahl kleiner, gezahnter Rädchen, welche mit ihren Zähnen in eine ebenfalls perforierte Metallplatte eingreifen, die sich unterhalb derselben fortschiebt. Auf diese Weise wird durch Abrollen jedes Bogens eine Anzahl paralleler Perforierungslinien erzeugt, und diese Operation wird wiederholt, indem der Bogen rechtwinklig gegen seine erste Lage in eine zweite Maschine gegeben wird. Wenn diese zweite Perforierung erfolgt ist, gelangt der Bogen über ein Messer, welches ihn in vier Teile zu je 100 Marken zerschneidet. Die Marken sind hiermit fertig, und es hat mit ihnen nur noch das Zählen, das Registrieren und das Verpacken zu je 100 Bogen zu geschehen. Wenn dies gemacht ist, gelangen sie schließlich noch unter eine sehr starke Presse, in welcher die Bündel eine längere Zeit einem äußerst kräftigen Druck ausgesetzt werden. Dies hat den Zweck, die beim Durchstechen der Marken entstandenen Grate zu entfernen.

Schließlich sei noch ein Wort über die beim Druck benutzten Materialien gesprochen. Die Druckfarben werden in der Staatsdruckerei selbst hergestellt und bestehen aus einer innigen Mischung der trockenen Farbstoffe mit Leinölfirnis. Für die rote Farbe findet Karmin Anwendung, für die blauen Marken Ultramarin. Beide Farben werden nicht in konzentrierter Form angewendet, sondern durch Vermischung mit passenden Mengen Weiß getönt. Reines Karmin würde für den Zweck des Markendruckes viel zu kostbar sein. Ultramarin muss ebenfalls mit Weiß vermischt werden, weil es ohne diesen Zusatz zu dunkel drucken würde.

Die Ersparnisse, welche durch diese Staatsdruckerei jährlich gemacht werden, belaufen sich angeblich auf 200 000 Mark, während die Ausgaben der Druckerei im Ganzen 416 000 Mark betragen.

• Auf epilog.de am 11. März 2024 veröffentlicht

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