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Der Lichtdruck

Prometheus • 27.1.1892

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Unter den modernen Bildungs- und Anschauungsmitteln nehmen die fotografischen Reproduktionsverfahren eine hervorragende Stelle ein. Die Kenntnis wichtiger Werke der bildenden Künste, wissenschaftlicher Dokumente und Zeichnungen einem größeren Kreise zu vermitteln, war bis zur Mitte dieses Jahrhunderts nur in höchst unvollkommener Weise möglich. Die künstlerischen Verfahren der Reproduktion litten entweder an übermäßiger Kostspieligkeit oder an ungenügender Wiedergabe des Originals. Allen diesen Reproduktionen war außerdem noch eine Eigenschaft gemeinsam, welche nur in den wenigsten Fällen erwünscht ist: sie enthielten die subjektiven Auffassungen des nachbildenden Künstlers. Wenn auch die drei wesentlichsten vorfotografischen Illustrationsmittel, Holzschnitt, Kupferdruck und Steindruck, noch heutzutage ausgeübt werden und zu einer hohen Vollendung gelangt sind, so ist doch ihre Anwendung durch die Einführung der fotografischen Reproduktionen wesentlich eingeschränkt worden. Besonders Stein- und Kupferdruck, ersterer seiner unseren heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechenden Leistungen wegen, letzterer infolge seines hohen Preises und des enormen Arbeitsaufwandes, kommen immer mehr für die gewöhnlichen Zwecke außer Gebrauch. Ob der Holzschnitt bereits seine höchste Blüte hinter sich hat oder seine Ausbreitung noch zunehmen wird, ist heute wohl kaum zu entscheiden. Jedenfalls hat er allein es vermocht, den Wettbewerb mit den mechanischen Verfahren mit Erfolg aufzunehmen, und konnte den immer gesteigerten Anforderungen entsprechen. Unsere modernen Holzschnitte konkurrieren an künstlerischer Wirkung mit dem Kupferstich, während die Möglichkeit, die Holzstöcke durch galvanoplastische Abdrücke zu vervielfältigen und die verhältnismäßige Leichtigkeit des Druckes bei großen Auflagen wenigstens eine größere Billigkeit der Produkte ermöglichen. Dazu kommt, dass, während der Kupferstich durch den Lichtkupferdruck, der Steindruck durch die Zinkographie in technischer Hinsicht wenigstens ersetzt und überholt worden ist, der Holzschnitt bis jetzt keinen ebenbürtigen Rivalen in der Zahl der mechanischen Verfahren hat. Der Holzschnitt ist ein Liniendruck und kann in seiner Wirkung nur durch Liniendrucke, nie durch Halbtondrucke ersetzt werden. Es ist zwar möglich und wird auch vielfach ausgeführt, statt auf dem Holz mit dem Grabstichel in höchst mühsamer Weise zu arbeiten, die Zeichnung einfach mittelst der Feder auf Papier herzustellen und diese Zeichnung dann fotozinkografisch zu vervielfältigen. Aber dieses Verfahren kann nur für technische Zwecke und nur in Anbetracht seiner Billigkeit mit dem Holzschnitt konkurrieren.

Die fotografischen Druckverfahren sind infolge ihrer Mannigfaltigkeit bis jetzt dem großen Publikum eine Terra incognita geblieben. Wenn der Laie irgendeine Reproduktion sieht, so erkennt er zwar meist leicht, dass es sich hier weder um Steindruck, noch um Kupfer- oder Holzstich handelt; nach welchem Verfahren aber und wie die Reproduktion entstanden ist, weiß er nicht. Und doch bieten die mechanischen Verfahren unendlich viel Interessantes und Wissenswertes auch für den Laien. Wir können hier nicht auf die verschiedenen, höchst mannigfaltigen Druckverfahren eingehen.

Wir wollen heute aber einen kurzen Blick auf ein mechanisches Verfahren werfen, welches eine außerordentliche Ausbreitung erlangt hat, die Albertotypie oder den Lichtdruck. Der Lichtdruck bildet keinen Ersatz für die vorfotografischen Reproduktionsmethoden, sondern wird hauptsächlich dazu benutzt, die direkte fotografische Vervielfältigung durch Kopieren im Licht zu ersetzen. Die gewöhnlichen Fotografien werden bekanntlich dadurch erzeugt, dass man ein empfindliches Papier unter einem Negativ belichtet und so je einzelne Bilder herstellt. Der Erzeugung größerer Auflagen auf diesem Weg stehen einerseits die großen Kosten und anderseits die Schwerfälligkeit des Verfahrens entgegen. Der Lichtdruck verringert diese beiden Übel in hohem Grad, ohne dass die Resultate wesentlich geringer ausfallen, als mit Hilfe des direkten Kopierens. Den höchsten Wunsch, welchen man in Bezug auf ein Reproduktionsverfahren hat, den Druck im Text auf der gewöhnlichen Buchdruckpresse, erfüllt der Lichtdruck bis jetzt allerdings nicht und wird ihn seiner Natur nach wahrscheinlich auch nie erfüllen; aber wir sind doch mit Hilfe der sogenannten Schnellpressen so weit gekommen, dass wir eine Auflage von 1000 – 3000 Stück in wenigen Stunden herstellen können, womit allerdings meistenteils die Leistungsfähigkeit einer Lichtdruckplatte erschöpft ist. Das technische Verfahren bei der Herstellung von Lichtdrucken ist ein so einfaches, dass es auch dem Laien leicht verständlich gemacht werden kann. Das Grundprinzip ist dem bei der Photogravüre angewandten ziemlich ähnlich. Es läuft darauf hinaus, dass eine Chromatgelatine-Schicht durch Belichten die Fähigkeit einbüßt, fette Schwärze anzunehmen.

Wir wollen nun einen kurzen Blick auf die Details des Verfahrens werfen. Eine Spiegelglasplatte wird zunächst mit einem Unterguss von Wasserglas und Eiweiß oder zuckerhaltigen Lösungen (Bier) versehen, welcher, bei höherer Temperatur getrocknet, eine Art von körniger Struktur annimmt, wodurch ein festes Anhaften der später zu gebenden Gelatinepräparationen an das Glas gesichert wird. Die so vorbereitete Platte wird genau nivelliert und mit einer dicken Schicht Chromatgelatine übergossen. Diese zweite Schicht wird abermals unter Anwendung künstlicher Wärme und bei möglichstem Schutz vor Staub in einem dunkeln Raum (Lichtdruckofen) getrocknet. Hierbei entsteht unter der Einwirkung der Wärme eine Art von körniger oder runzliger Struktur in der Schicht, wobei die Größe der einzelnen Kornelemente durch Zusatz gewisser Substanzen und je nach dem beim Trocknen angewandten Wärmegrad variiert. Je feiner das so gebildete Korn ausfällt, um so feiner fällt der spätere Druck aus, um so mehr nähert er sich seinem Ideal, der wirklichen Fotografie, aber um so schwieriger wird auch die Erzielung gleichmäßig guter Abzüge. Die somit fertig vorbereitete Platte wird unter einem gewöhnlichen Negativ belichtet, wobei die Menge des aufzuwendenden Lichtes mit Hilfe von Photometern oder durch praktische Erfahrung bestimmt wird. Durch diese Belichtung verlieren die einzelnen Teile der Platte mehr oder minder, je nach der Deckung des Negativs an der betreffenden Stelle, die Fähigkeit, fette Schwärze anzunehmen. Die Platte wird jetzt einem sehr gründlichen Waschprozess unterworfen, wobei alle löslichen Chromsalze ausgewaschen werden und nach gleichmäßiger Entfernung des überschüssigen Wassers das feingekörnte Bild bei schrägem Auffall der Lichtstrahlen sichtbar wird. In diesem Stadium wird die Platte noch mit sogenanntem Feuchtwasser, welches im Wesentlichen aus Glycerin besteht, durchtränkt, um während des Druckens ein Trockenwerden derselben zu verhindern.

Das Befestigen der Druckplatte auf der Presse geschieht einfach durch Adhäsion, indem man zwischen das Spiegelglas und die auf der Presse angeschraubte, feinpolierte Metallplatte einen Tropfen Wasser bringt. Es erübrigt jetzt nur noch, die Platte mit der fetten Schwärze (lithographische Druckfarbe) mit einer Gummi- oder Gelatinewalze gleichmäßig zu überziehen, dann ein feines Blatt Papier aufzulegen, die Presse mit mäßigem Druck zu schließen und das Papier von der Platte vorsichtig abzuheben. Dasselbe hat dann den Überschuss der Farbe in sich aufgenommen und zeigt bei richtiger Ausführung aller Manipulationen ein Bild, welches an Schönheit einem direkten fotografischen Abzug wenig nachsteht. Die Schnellpresse vollführt alle Manipulationen, das Einschwärzen der Platte, das Auflegen, Andrücken und Abheben des Druckpapieres in einem Bruchteil einer Sekunde selbstständig, so dass die ganze Arbeit außerordentlich schnell vonstattengeht. Selbstverständlich müssen die sehr leicht verletzlichen Lichtdruck-Klischees sorgfältig behandelt und vor Staub vollkommen geschützt aufbewahrt werden; doch empfiehlt es sich, von der einmal fertigen Platte sofort die ganze Auflage abzudrucken. Diese Umstände, sowie die verhältnismäßig geringe Anzahl von Abdrücken, welche die Lichtdruckplatte zulässt, stehen einer ganz allgemeinen Anwendung des Lichtdruckes noch immer entgegen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass diese Unzuträglichkeiten mit der Zeit zu vermeiden sein werden.

• Auf epilog.de am 3. Juni 2024 veröffentlicht

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