Bau & ArchitekturBrücken

Die Riesenbrücke über den
East River bei New York

Daheim • 30.6.1883

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
Hängebrücke über den East RiverDie neue Hängebrücke über den East River zwischen New York und Brooklyn.

Der breite Meeresarm, welcher Long Island vom amerikanischen Kontinent trennt, heißt der East River, der Ostfluss, denn er erstreckt sich im Osten von New York. Auf Long Island aber liegt Brooklyn, eine Stadt mit bald einer halben Million Einwohner, während New York weit über eine Million zählt. Beide Großstädte waren nur durch die Schifffahrt miteinander verknüpft, ein dem wechselseitig riesig anschwellenden Beziehungen nicht genügendes Verkehrsmittel. Hier konnte nur eine Brücke helfen und so begann man denn bereits 1865 sich ernstlich mit der Frage nach der Erbauung einer solchen zu beschäftigen; zunächst trat eine Aktiengesellschaft zusammen, die aber bald ihre Rechte an den Staat New York abtrat. Dieser stellte den deutschen Ingenieur Johannes Röbling an, welcher die Pläne fertigte und unter dessen Sohne das große Werk auch zu Ende geführt wurde, nachdem fünfzehn Jahre daran gebaut worden und die Kosten des Ganzen auf fünfzehn Millionen Dollar (sechzig Millionen Mark) angeschwollen waren. Die Eröffnung fand am 24. Mai 1883 in Gegenwart des Präsidenten Arthur statt.

Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.

Was ist für jene unverhältnismäßig hohe Summe geleistet worden? Allerdings ein Werk, wie es nur wenige seines gleichen hat, denn die Brücke ist über eine englische Meile, genau 1828 m, lang. Um sich einen Begriff von dieser Zahl machen zu können, teilen wir vergleichsweise mit, dass die Länge der ›Linden‹ in Berlin von der Schlossbrücke an bis zum Brandenburger Tor etwa 1400 m beträgt, somit die East-Riverbrücke noch um ein bedeutendes – ungefähr ein Drittel – länger ist. Die Breite der Brücke beträgt 26 m. Diese kolossale Eisenbrücke ruht an den Landseiten auf großen aus Granit und Backstein erbauten Zufahrten und wird im East River selbst von zwei Pfeilern, die man Türme nennen kann, getragen, denn ein jeder derselben ist 84 m hoch (Höhe der Siegessäule in Berlin mit der Viktoria 61 m). Aufgang zur East RiverbrückeAufgang zur East Riverbrücke mit ihren fünf Wegen. Über diese beiden Türme führen die vier hängenden eisernen Kabeltaue, welche die Brücke tragen und deren jedes 40 cm im Durchmesser hat – es ist dieses eine Länge, welche derjenigen von den Fingerspitzen bis zum Ellbogen eines Mannes entspricht. Die vier Kabel sind auf höchst sinnreiche Weise an beiden Landseiten befestigt (verankert) und von der Festigkeit dieser Verankerung hängt das ganze Werk ab. Ungemein schwierig war der Bau der aus dem Meer emporragenden beiden Pfeilertürme, zu deren Fundamentierung der Meeresgrund gegen 25 m tief ausgehoben und mit Steinen und Zement gefüllt werden musste! Dieses war der schwierigste Teil des Werkes, da die Arbeiten alle unter dem Wasserniveau in sogenannten Caissons (großen, massiven, das Meer abhaltenden Holzkästen) ausgeführt werden mussten.

Was die sonstigen Maße und Einzelheiten der Brücke betrifft, so liegen darüber folgende Angaben vor: Die eigentliche Brücke besteht aus einem großartigen Stahlgitterwerke, welches auf vier Parallelträgern aufliegt. Der Boden der Brücke liegt wiederum auf 2,3 m von einander entfernten Querbalken, und zwar in einer Höhe von 41 m über der gewöhnlichen Wasserhöhe in der Mitte der Brücke, von 36,6 m bei den Türmen und 27,2 m bei den Verankerungen. Sie ist der Länge nach in fünf parallele, ungefähr 5 m breite Wege geteilt, welche durch Gitter getrennt sind. Die beiden äußersten, für den Wagenverkehr bestimmten Wege sind je 5,8 m breit und durch je eine 2,4 m hohe Brustwehr gegen Sturm etc. geschützt. Der mittlere, 4,7 m breite und 3,7 m höher gelegene Weg, ist für die Fußgänger bestimmt und gestattet infolge seiner erhöhten Lage die freie Aussicht über den East River. Die beiden rechts und links vom Fußwege befindlichen Bahnen sind für die Brückenwagen bestimmt, welche vermittelst eines endlosen Drahtseiles durch eine feststehende Dampfmaschine hinüber und herüber bewegt werden, um Passagiere in fünf Minuten von einem Ende der Brücke zum andern zu befördern, welche Strecke der Fußgänger in ungefähr 25 Minuten zurücklegt. Diese Bahnen sind durch 4,6 m hohe Eisengitter, der Fußweg noch nebenbei durch Drahtnetze gegen die Gewalt der Stürme geschützt.

Die Ankergründe sind kolossale Massen von Bauwerk mit einigen bogenartigen Durchlässen und das Gewicht eines jeden beträgt 60 000 t. Am Grunde dieses Bauwerkes sind je vier massive Ankerplatten von Schmiedeeisen eingelegt, je eine für jedes Kabeltau. Diese Platten haben einen Flächenraum von 5,0 × 5,3 m, sind 76 cm dick und haben ein Gewicht von je 20 t. Die Kabel taue stecken je gegen 7,6 m tief in den Verankerungsbauten und werden dort von den 3,8 m langen Eisengliedern der Ankerketten gehalten, und zwar ist jeder der neunzehn, das Kabeltau bildenden Stränge einzeln befestigt.

• Auf epilog.de am 24. Mai 2021 veröffentlicht

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