Bau & Architektur – Brücken
Die neuen Rheinbrücken bei
Düsseldorf und Bonn
Das Neue Universum • 1899
Es war ein bedeutsames Fest, mit welchem am 10. November 1898 in Gegenwart hoher Würdenträger Preußens und des Deutschen Reiches die nach 2½-jährigem Bau fertiggestellte Rheinbrücke bei Düsseldorf dem Verkehr übergeben wurde. Denn es galt nicht allein die Einweihung eines Stahl- und Eisenmonuments, das in der Großartigkeit seiner Verhältnisse nur einmal, durch die wenige Wochen später eröffnete Bonner Rheinbrücke übertroffen wird, sondern zugleich die Betriebseröffnung eines Verkehrsmittels, das in seiner Art bisher ebenso einzig dasteht, wie die monumentale Bogenbrücke, unter deren Portalen es die Stadt Düsseldorf verlässt. Es ist das die neu erbaute elektrische Kleinbahn zwischen Düsseldorf und Krefeld, deren Betrieb gleichzeitig mit der Einweihung der imposanten Rheinbrücke eröffnet wurde, mit deren Hilfe ihre Wagen den Strom überschreiten.
Die neue Rheinbrücke bei Düsseldorf.Wenn auch die 28 km lange Linie den Gesetzen des Kleinbahnverkehrs untersteht, so ist sie doch nahezu als Vollbahn zu betrachten, da sie sowohl an Spurweite wie an Fahrgeschwindigkeit den Staatsbahnen nichts nachgibt. Die Fahrgeschwindigkeit musste wenigstens für den direkten Verkehr zwischen Krefeld und Düsseldorf auf das für eine Kleinbahn ungewöhnliche Maß von 40 km festgesetzt werden, da sonst die Bestimmung der neuen Linie unerfüllt geblieben wäre, eine Verkehrserleichterung auch der Fahrzeit nach gegen die den Umweg über Neuss nehmende Staatsbahn herbeizuführen. Die binnen zwei Jahren ausgeführte Zentralstation für den Betrieb der Bahn enthält neben einer Maschinenkraft von 360 kW, wie es neuerdings für den Betrieb elektrischer Bahnen ein häufiger Gebrauch geworden ist, noch eine erhebliche Energiereserve von zwei Akkumulatorbatterien, von denen jede ein Drittel der Maschinenkraft ersetzen kann.
Was nun die imposante Rheinbrücke selbst anbetrifft, so ist sie neben der Überführung der elektrischen Kleinbahn lediglich dem Straßenverkehr zwischen Düsseldorf und mehreren Gemeinden des linken Stromufers gewidmet. Ihre Gesamtlänge beträgt 636 m, obwohl die Breite des Stromes an derselben Stelle nur ungefähr 300 m misst; der Rest der Brückenlänge erstreckt sich über das, der gewaltigen Hochwasser wegen sehr breit bemessene Flutbett. Anfänglich bestand die Absicht, den Strom selbst durch drei Öffnungen von je 100 m Weite und die anschließenden Hochflutbetten durch kleinere Öffnungen zu überbrücken, da aber die 180 m breite, stets genügende Wassertiefe besitzende Schifffahrtsrinne hart an das eine Ufer gedrängt ist, so wäre bei dieser Anordnung ein Brückenpfeiler mitten in die Fahrtöffnung gekommen und hätte die Schifffahrt in der lästigsten Weise behindert. Da sich nun gerade während der Aufstellung der Entwürfe aus Berechnungen und Erfahrungen die Möglichkeit ergab, Spannweiten bis zu 200 m ohne allzu große Kosten in einem Bogen zu überwölben, wofür die bald darauf eröffnete, weiterhin geschilderte Rheinbrücke bei Bonn ein überzeugendes Beispiel bildet, entschloss man sich, die ganze Schifffahrtsöffnung durch einen Bogen von 181 m Spannweite zu überwölben, dem. alsdann, um die Brückenkonstruktion harmonisch zu gestalten, an der Stromseite ein zweiter Bogen von derselben Spannweite angereiht werden sollte. An diese beiden gewaltigen Stromöffnungen schließen sich einerseits ein, andererseits drei kleine Bogen von 50 – 60 m Spannweite zur Überwölbung des Hochwassergeländes und der Düsseldorfer Uferstraße an.
Die Gesamtbreite der Brücke beträgt 14,2 m, wovon je 3 m auf die beiden konsolartig überragenden Fußsteige und 8,2 m auf die Fahrbahn entfallen. Schwere, reich verzierte Portale erheben sich auf den beiden Endpfeilern der großen Bogen, während sich auf dem der Stadt zugewandten Kopf des Mittelpfeilers das Wappen Düsseldorfs, ein sitzender Löwe mit Wappenschild und Anker in den Tatzen, aufrichtet. Die Baukosten der Brücke haben etwa 6 Mill. Mark einschließlich des Grunderwerbs betragen.
Die neue Rheinbrücke bei Bonn.Diesem Meisterwerke der deutschen Technik reiht sich die in unserer Abbildung dargestellte neue Rheinbrücke bei Bonn würdig an, in ihrer monumentalen Ausstattung der Ersteren gleichkommend, an Spannweite sie noch ein wenig übertreffend.
Das schöne, altertümliche Bonn, als Sitz einer der ältesten Universitäten, als eine der Königinnen des sagenreichen Rheins und als nördliche Eingangspforte in seine Berg- und Wunderwelt, gegenüber den kühnen Bogenlinien des Siebengebirges liegend, ist Sommer für Sommer eine der besuchtesten Städte im schönen Rheinland. Es war also nur natürlich, dass die Schöpfer der neuen gewaltigen Rheinbrücke, zu welcher im Frühling des Jahres 1896 der Grundstein gelegt wurde, von vornherein vor die Aufgabe gestellt waren, nicht nur etwas technisch Vollkommenes, sondern auch etwas malerisch Wirksames und architektonisch Schönes zu erschaffen. »Wer da baut an den Straßen, soll die Leute reden lassen«, heißt es freilich, aber man ärgert sich dann doch, wenn sie in ihrer Kritik nichts als Fehler aufspüren, und am meisten, wenn sie recht haben.
Das Windverbandportal an der Wegseite des Mittelbogens der Bonner Rheinbrücke.Hier also, angesichts der stolzen Zinnen und Türme der alten Musenstadt, angesichts des Fremdenstromes, der sich täglich über die neue Brücke ergießen musste, angesichts der malerischen Kuppen des nahen Gebirges war Geschmack und Formenreinheit eine der ersten Forderungen, welche an die Erbauer der Rheinbrücke, die Künstler und Ingenieure der Gutehoffnungshütte, gestellt werden mussten. Und in der Tat, man muss zugeben, dass sie ihrer Aufgabe in vollem Maße gerecht geworden sind. Ursprünglich sollte die Brücke neben zwei kleineren Seitenöffnungen nur einen Mittelbogen von 150 m erhalten. Die Rücksicht auf die gleichmäßige Anordnung hat aber nebst der einseitigen Lage der Schifffahrtsrinne, die unter allen Umständen frei von Pfeilern gehalten werden musste, dahin geführt, eine Mittelöffnung von 195 m zwischen zwei seitlichen Bogen von je 100 m Länge zu wählen. Trotz seiner flachen Wölbung steigt der schöne, von 50 m hohen Türmen flankierte Mittelbogen reichlich 40 m über den Spiegel des Rheins empor. Schlanke Bänder halten die Fahrbahn an ihm aufgehängt, und flacher und wuchtiger schließen sich ihm die beiden kleineren Seitenbogen mit ihren Brückenköpfen an. Vom Süden grüßen halbkreisförmig im Bogen gelagert die Höhen des Siebengebirges herüber; die aus dunkler Basaltlava aufgemauerten Pfeiler tragen Brückenköpfe und spitze Türme in mittelalterlicher Architektur, humoristische Ausschmückungen, dem Leben der fröhlichen rheinischen Musenstadt entnommen, zieren die Konsolen, und nie sah wohl die monumentale Brücke ein regeres Leben unter ihrem hohen Mittelbogen sich entwickeln, als am ersten Sonntag nach der Einweihung, an welchem die Brückenwärter von 46 000 Personen den Übergangszoll erheben konnten. An diesem Tage ist also buchstäblich ganz Bonn auf den Beinen gewesen, um sich das Wunderwerk der neuen Rheinbrücke, dem die vier Wochen früher eröffnete Brücke bei Düsseldorf übrigens zuvorgekommen war, in Muße anzuschauen.
Bei einer Gesamtlänge von 432 m waren die Herstellungskosten der Bonner Rheinbrücke anfangs auf 2,8 Mill. Mark veranschlagt, haben dann aber einschließlich des Grunderwerbs doch die Höhe von rund 4 Mill. erreicht. Während der Stromspiegel von dem Mittelbogen etwa um 45 m, von den Türmen um 50 m überragt wird, liegt die Fahrbahn der Brücke etwa 17 m über dem Wasserspiegel. Von der Breite der Brückenbahn entfallen 7 m auf die beiden Fußwege, 7 m auf den mittleren Fahrweg.