VerkehrEisenbahn

Die elektrischen Lokomotiven der City and South London Railway

Polytechnisches Journal • 26.6.1892

Die etwas über 5 km lange und vier Zwischenstationen enthaltende City and South London Eisenbahn, welche am 4. November 1890 eröffnet worden ist, ist ganz unterirdisch geführt, doch liegt sie nirgends über 12 m unter der Erdoberfläche. Ihre beiden Geleise liegen in zwei getrennten, aus siebenteiligen Gusseisenröhren von 0,5 m Länge hergestellten Tunneln, von denen der eine so viel über dem anderen liegt, dass die Fahrgäste unter ihm hinweg nach dem anderen gelangen können.

Elektrische LokomotiveDie elektrischen Lokomotiven der City and South London Railway.

Hier mag nur Einiges über die elektrischen Lokomotiven berichtet werden. Im November 1890 waren zehn geliefert, vier weitere nahezu fertig. Jede wiegt etwa 10 t und läuft auf zwei Achsen. Auf jede Achse ist, wie die zugehörige Abbildung sehen lässt, der Anker eines Elektromotors aufgesteckt, so dass die Wagenachse die Motorwelle bildet. Beide Achsen sind voneinander ganz unabhängig; irgend welche Übertragung ist nicht vorhanden. Die Anker haben Reihenwickelung und machen bei 24 km/h 190 U/min; dies ist die gewöhnliche Fahrgeschwindigkeit, doch können die Lokomotiven mit etwas mehr als 40 km/h laufen. Ihre höchste Leistung ist 40 PS. Beide Motoren werden mittels desselben Umschalterhebels reguliert, durch Ein- und Ausschaltung von Widerständen. Letztere sind teils Gusseisenplatten, teils Drahtrollen und sind längs der Seiten angeordnet; weite Lufträume verhüten ein Warm werden. Ein zweiter Umschalter gestattet die Umkehrung der Bewegungsrichtung durch Umkehrung der Polarität der Feldmagnete. Der Strom wird von einer in der Abbildung durch die untere Linie angedeutete Mittelschiene aus zugeführt, durch drei schwere Gleitstücke, welche auf der Schiene gleiten und sich jeder Unebenheit anpassen können; die Mittelschiene ist aus einem dem Bahndamm entlang laufenden Stahlkanal hergestellt. Als Rückleitung dienen die Bahnschienen, deren Höhenlage die obere Linie in der Abbildung andeutet. Doch sind vier kupferne Zuleitungen entlang dem Damm geführt und an verschiedenen Stellen mit dem Stahlkanal verbunden, damit die Spannung des Stroms möglichst gleich erhalten werde, und zwar auf 500 Volt; jeder Zuleiter enthält 61 Drähte; isoliert sind sie mit Fowler-Waring-Masse, ferner besitzen sie eine Bleischutzhülle. Die Mittelschiene besteht aus gut leitendem Stahl und ist von der Shelton Iron and Steel Company in Stoke-on-Trent besonders für diesen Zweck gewalzt worden. Die einzelnen Stäbe sind poliert und durch Kupferstreifen verbunden. Sie ruhen auf Glasisolatoren und bei 500 Volt soll die Ableitung nicht mehr als 1 Ampere betragen, so dass dadurch weniger als 1 PS verloren ginge.

Den gesamten Strom für die zehn Züge liefern drei Edison-Hozkinson-Dynamo, deren jede von einer mit 100 Umdrehungen laufenden Dampfmaschine durch Riemen getrieben wird. Die Leistung der Dynamomaschinen ist 450 Ampere bei 500 Volt; der elektrische Wirkungsgrad ist 0,96, der von Dampfmaschine und Dynamo aber 0,75.

In jeder Station ist eine Signalhütte mit einem Satz etwas abgeänderter Blockapparate, welche Dutton und Co. in Worcester geliefert haben. Die Blockabschnitte sind so gelegt, dass von den zehn auf den Geleisen fahrenden Zügen gewöhnlich nicht mehr als drei zugleich abfahren können. Die Herstellung der Bahn selbst hat rund 2,75 Mill. Mark pro Kilometer gekostet.

• Auf epilog.de am 24. Mai 2023 veröffentlicht

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