DaseinsvorsorgeEnergieversorgung

Der Riese von Heckinghausen

tvi.ticker • 12. Juni 2019

Nach gut zwanzig Jahren ist er aus dem Dornröschenschlaf erwacht: der Scheibengasbehälter in Heckinghausen. Wachgeküsst hat ihn Investor Thomas Drescher, der bereits das ehemalige WSW-Umspannwerk auf Lichtscheid zu einem Fitnessstudio umfunktioniert hat. Auch in dem früheren Gasbehälter im Wuppertaler Osten kann jetzt gesportelt werden. Außerdem gibt es dort Gastronomie, Veranstaltungsräume und eine Aussichtsplattform auf dem Dach. Das Besondere: Drescher ließ die äußere Hülle des Behälters unangetastet, baute stattdessen ein fünfstöckiges Gebäude in den Gaskessel hinein.

Fast fünf Jahrzehnte lang hatte der Gaskessel eine wichtige Funktion für die Wuppertaler Energieversorgung: Der Scheibengasbehälter in Heckinghausen wurde zwischen 1950 und 1952 errichtet, Baukosten: 1,3 Mill. DM. An dem Standort Mohrenstraße gab es zuvor bereits ein Gaswerk, das auch über zwei Behälter verfügte. Der Gaskessel diente zur Speicherung von Gas, das anfangs über eine Fernleitung aus Kokereien der Stahlindustrie in Duisburg geliefert wurde. Ab 1968 stellten die WSW die Gasversorgung in Wuppertal auf Erdgas um. Das kam zunächst aus den Niederlanden, später aus Norwegen. 1997 nahmen die WSW den Behälter außer Betrieb, weil die Speicherkapazität nicht mehr benötigt wurde.

Gaskessel HeckinghausenFoto: Wuppertaler StadtwerkeDer Gaskessel Heckinghausen kurz nach der Fertigstellung.

Mit einer Höhe von 66,65 m ist der Gaskessel das markanteste Gebäude in Oberbarmen. In dem Behälter konnten bis zu 55 000 m³ Gas gespeichert werden. Der Kessel ist nicht rund, sondern sein Grundriss bildet ein Zwanzigeck mit einem Durchmesser von 37,7 m. Bei dem Gaskessel handelt es sich um einen Scheibengasbehälter, das heißt, der Speicherraum wird nach oben durch eine bewegliche Scheibe aus Eisenplatten abgeschlossen, die mit 530 Tonnen auf das Gasreservoir drückt. Je nach Füllmenge wanderte die Scheiben nach oben oder unten. An den Rändern der Scheibe war der Behälterraum durch Teeröl luftdicht abgeschlossen. Der maximale Hub der Scheibe betrug 54,6 m.

Ältere Wuppertaler erinnern sich noch, dass der Gaskessel bis in die 1980-er Jahren blau war. Seine grünliche Farbe erhielt er erst nach einer Generalüberholung im Jahr 1985. Ergänzend zu der Außentreppe, die im Zick-Zack vom Boden bis zum Dachrand führt, erhielt der Gaskessel 1970 auch noch einen Aufzug. Er transportierte Monteure und Techniker in etwa zwei Minuten Fahrzeit auf das Dach.

Der Bau eines solch gigantischen Gasspeichers mitten in Oberbarmen war nicht unumstritten. Die ablehnende Haltung wandelte sich über die Jahre grundlegend. Der Koloss prägte das Stadtbild und wurde zum Wahrzeichen Heckinghausens. Nach seiner Stilllegung 1997 gab es Pläne, ihn abzureißen und das Areal für Wohnbebauung zu nutzen. Seit 1998 ist der Scheibengasbehälter in die Denkmalliste eingetragen. Unklar blieb lange, was mit dem ungenutzten Bauwerk geschehen sollte. Die Stadtwerke suchten 18 Jahre lang einen Käufer. Interessenten mit Ideen gab es viele. Unter anderem wurde vorgeschlagen, hier das Pina-Bausch-Tanztheater oder das Fuhlrott-Museum unterzubringen. Alle Projekte scheiterten jedoch an der Umsetzbarkeit oder am Geld. Probleme gab es auch mit Altlasten im Boden. Im Rentenalter von 67 Jahren verschafft Investor Thomas Drescher dem Gaskessel nun ein zweites Leben – vom Energiespeicher zum Kalorienverbrenner und zur Eventlocation.

Quelle: Wuppertaler Stadtwerke

• Auf epilog.de am 18. Juni 2019 veröffentlicht

Reklame