Berliner Bauwerke

Die Dankeskirche auf dem Weddingplatz

(Architekt: August Orth)

Deutsche Bauzeitung • 15.4.1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
Weddingplatz

Die beiden letzten Attentate auf den Kaiser gaben die Anregung zum Bau einer Kirche, welche dem Dank der Bevölkerung für gnädige Errettung unseres Kaisers einen sichtbaren Ausdruck verleihen sollte.

Lange Verhandlungen mussten erst über die Beschaffung eines geeigneten Bauplatzes geführt werden, bis die Schenkung des Weddingplatz seitens der Stadt Berlin der Sache einen rascheren Fortgang sicherte. Wenn auch der Kaiser bei einer mit seinem Namen verknüpften Sache nicht selbst werktätig beteiligt sein konnte, so hat er doch schon durch Beseitigung des für fiskalische Kirchen üblichen Instanzenzugs die rasche Inangriffnahme des Baues wesentlich gefördert.

GrundrissGrundriss. Links unterer Kirchenraum, rechts über der Empore.

Die Grundsteinlegung ist am 22. März 1882 vollzogen worden.

Der Situationsplan gibt die Lage der Kirche zu den umgebenden Straßen an und es soll bezüglich derselben nur noch auf die kleine Biegung der Chausseestraße an der Liesenstraße aufmerksam gemacht werden, welche bewirkt, dass die Turmachse beinahe in die Achse der Chausseestraße fällt.

Der Turm wird nahezu 67 m über der Straße hoch und wird in seinem oberen Teil weithin sichtbar sein. Der in der äußeren Perspektive angegebene Dachreiter, welcher das Oberlicht des mittleren Sterngewölbes monumental umschließt, würde bei der zunächst zur Verfügung stehenden Bausumme von 300 000 M. noch nicht zur Ausführung gelangen können, und ist deshalb im Durchschnitt nicht mit zur Darstellung gekommen, doch wird der Eingang weiterer Mittel die Ausführung hoffentlich ermöglichen, da jener Dachreiter die Kreuzesform und den inneren Zentralraum der Anlage auch äußerlich klarer zur Erscheinung bringt.

Bei den geringen Geldmitteln ist wesentlich darauf gesehen, im Äußeren wie im Inneren die Baumassen so zu konstruieren und zusammenzuhalten, dass man überall den möglichst großen Raum- und Masseneindruck erhält. So ist die Orgel-Empore so hoch gelegt und so weit eingeschränkt, dass man schon vom Vorraum der Kirche beim Eintritt durch das Portal den vollen Eindruck des Innenraums mit dem mittleren Sterngewölbe gewinnen kann. Der lichte Durchmesser zwischen den Säulen desselben ist etwa eben so groß wie der Durchmesser des großen Kuppelraumes im alten Museum.

Das Äußere der Kirche wird in Siegersdorfer Verblendsteinen und Marchschen Terrakotten ausgeführt. Hoffentlich wird es gelingen, auch die Säulen, Bogen und Rippen im Inneren aus gebranntem Ton herzustellen. Der obere Abschluss der Hauptgesimse wird durch Granitplatten gebildet, welche das innere Mauerwerk vor eindringender Feuchtigkeit schützen. Der Dachstuhl wird aus Eisen hergestellt und das Dach soll mit hellen Falzziegeln gedeckt werden. Der Stil der Kirche beruht auf romanischer Grundlage unter Mitbenutzung der Konstruktionen der späteren Gewölbebauten. Es erschien bei einer Dankeskirche, welche an den Namen des ersten Deutschen Kaisers im wieder erstandenen Deutschen Reich erinnern soll, geeignet, in den Formen wieder an die Traditionen unserer Deutschen Kaiserzeit anzuknüpfen.

• August Orth

• Auf epilog.de am 17. Februar 2024 veröffentlicht

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