Bau & ArchitekturTunnel

Der Werrabahn-Tunnel bei Eisenach

Die Gartenlaube • 1858

Der Werrabahn-Tunnel [heute: Förthaer Tunnel], vor dessen nördliche Mündung uns die beigefügte Skizze führt, ist eines der interessantesten Bauwerke der Neuzeit in unseren Thüringer Bergen und es vergeht kein Tag, wo nicht zahlreiche Besucher von nah und fern nach der Tunnelbaustelle wallfahrten. Es dürfte deshalb für die Leser der Gartenlaube von Interesse sein, diesen Gegenstand etwas näher beleuchtet zu sehen.

Werrabahn-TunnelDer Werrabahn-Tunnel bei Eisenach.

Der Tunnel von 7½ m lichter Weite und Höhe, sollte nach der ursprünglichen Projektion nur 452 m lang werden; es stellte sich jedoch mit Rücksicht auf die gleichmäßige Festigkeit des durchzuschlagenden Gesteins, welche eine Ausmauerung überflüssig macht, und zur Vermeidung der beträchtlich höheren Kosten, welche die Ausarbeitung der tiefen Voreinschnitte erfordert haben würde, als zweckmäßig heraus, den Tunnel selbst um 92 m zu verlängern, so dass die Gesamtlänge desselben nunmehr 544 m beträgt.

Die sehr bedeutenden Einschnittarbeiten, welche im März und April 1856 in Angriff genommen worden, waren durch zweckmäßige Anlage der Schächte und kräftigen Betrieb (bei einer durchschnittlichen Arbeiterzahl von 800 – 1000 Mann), trotzdem bei einer Tiefe von wenigen Fuß schon das in dieser Gegend vorherrschende Gestein – das sogenannte Rotliegende – in fester Masse zu Tage trat, und die Hackgeräte bald mit den Sprengmaterialien vertauscht werden mussten, dennoch schon im November desselben Jahres so weit vorgeschritten, dass mit dem Einbruch des Tunnels zunächst auf der nördlichen Seite begonnen werden konnte.

Gleichzeitig mit den eigentlichen Tunneleinbrüchen wurden am südlichen Abhang des Berges in gewisser Entfernung voneinander zwei Stollen (Förderschächte) senkrecht in die Tiefe getrieben, um, sobald man hier die Tunnelsohle erreicht hatte, nach beiden Richtungen hin den Tunnelmündungen entgegen zu arbeiten, und auf diese Weise möglichst schnell zum Ziele zu gelangen. Am 20. Dezember 1857 nachts erfolgte unter allgemeinem Jubel und Freudenschüssen von Seiten der beteiligten Arbeiter der Durchbruch. Die bei dieser Gelegenheit für die Arbeiter bestimmte Prämie von 500 Talern wurde teilweise zur Unterstützung der einige Tage vorher – am 10. Dezember – im Tunnel Verunglückten und deren Hinterlassenen verwendet.

So schwierig und gefahrvoll auch die Ausführung dieses Bauwerks war, so steht doch die Zahl der bis jetzt während der Arbeit Verunglückten zu der Größe des Unternehmens in keinem Verhältnis. Der oben angeführte ist der einzige erhebliche Unglücksfall, welcher beim Tunnelbau vorgekommen, und wurde durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters beim Laden eines Schusses verursacht; zwei der in der nächsten Nähe beschäftigten Arbeiter wurden dabei tödlich und vier mehr oder minder verwundet.

Ungeachtet der vorerwähnten größeren Längenausdehnung des Tunnels werden doch die im Kostenanschlag enthaltenen 180 000 Taler nicht nur vollständig ausreichen, sondern es wird noch eine erhebliche Summe erübrigt werden, indem nach den bisherigen Erfahrungen der Betrag von 140 000 Talern zur Vollendung genügen wird. Von den für die Herstellung des Tunnels verausgabten Kosten kommt ein großer Teil auf die Beschaffung des massenhaften Pulverbedarfs nebst sonstigem Zubehör, so wie auf die Anschaffung und Unterhaltung der Bohrwerkzeuge. Die im Tunnel beim Bohren und Sprengen beschäftigten Arbeiter, ca. 400 – 500 Mann an der Zahl, verbrauchten durchschnittlich täglich 5 Zentner Pulver.

Man hegt mit Bestimmtheit die Hoffnung, dass der Tunnel bis Mitte Juni 1858 gänzlich vollendet und alsdann die Strecke von Eisenach bis zum Tunnel vollständig fahrbar sei. Am 20. Mai 1858 befuhr die erste Lokomotive die von Eisenach aus bereits vollendete kurze Strecke der Werrabahn und überwand mit Leichtigkeit die bedeutende Steigung, welche sich zur Länge wie 1 : 50 verhält.

Wer jemals jenen düsteren Waldwinkel, an dessen Stelle sich die nördliche Tunnelmündung befindet, passierte, der wird jetzt überrascht vor einer freundlichen, belebten Landschaft stehen, welche der mächtige Zeitgeist, ›Verkehr‹ genannt, aus jener Waldeinsamkeit geschaffen hat.

• Auf epilog.de am 25. April 2024 veröffentlicht

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