Handel & IndustrieDruck & Papier

Der Buchhandel vor dreihundert Jahren

Eine kulturgeschichtliche Skizze

Die Abendschule • 29.4.1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 12 Minuten.

Man hat unsere Zeit wohl das Jahrhundert der Federfuchser und Tintenkleckser, das massenhaft schreibende und massenhaft druckende genannt, und mit Recht. Denn die Tätigkeit der Presse, dieser gewaltigsten aller modernen Großmächte, ist in riesige Verhältnisse hinausgewachsen und schwillt noch fort und fort zu immer großartigerer Ausdehnung an, so dass der dieser Bewegung ferner Stehende sich der Besorgnis nicht erwehren kann, es müsse solche Überproduktion ein Ende mit Schrecken nehmen, der literarisch-publizistische ›Krach‹ könne nicht ausbleiben, wie er auch andere Gebiete menschlicher Betriebsamkeit unter anscheinend ähnlichen Verhältnissen nicht verschont hat.

Buchhandlung um 1700Buchhandlung um 1700.

Indes liegen die Dinge in Wirklichkeit doch etwas anders. Freilich lässt sich nicht in Abrede stellen, dass eine große Menge von Pressezeugnissen in die Welt hinausgeschickt wird, welche besser nicht geschrieben und nicht gedruckt worden wären, die im Dienste der Lüge, der Unsittlichkeit, des leidigen Teufels selbst stehen. Aber im Großen und Ganzen ist die erstaunliche Rührigkeit auf allen Gebieten schriftstellerischer und buchhändlerischer Wirksamkeit wohl nur die natürliche Folge sowohl der wachsenden Menschenzahl als auch des immer mehr steigenden Lesebedürfnisses, das wiederum mit unserer Zeit als einer geistig, politisch, sozial und volkswirtschaftlich ungewöhnlich bewegungsvollen Epoche, welche der Mitteilung und Belehrung, der Mahnung und Anregung, der Aufmunterung und Beruhigung, der Beurteilung und Erörterung, des Angriffs und der Abwehr durch Schrift und Druck in außerordentlichem Maße bedarf, in ganz natürlicher Verbindung steht. In allen dergleichen Perioden einer in hohen Wogen gehenden Lebensströmung, von der niemand völlig unberührt bleibt, zeigt sich, seit Johannes Gutenbergs welterschütternder Erfindung, auch eine gewissermaßen fieberhafte Tätigkeit der Presse und in sämtlichen sich um dieselbe gruppierenden Berufs- und Geschäftszweigen. So war, obschon die Kunst des Bücherdrucks der Menschheit kaum erst geschenkt war und noch die Schwierigkeiten der Anfangsstadien zu überwinden hatte, um die Mitte des 16. Jahrhunderts während der von Deutschland ausgehenden mächtigen kirchlichen und politischen Bewegung, welche die Welt aus dem Mittelalter in die neue Zeit hinüberführen sollte, die Produktion des deutschen Büchermarktes eine wahrhaft erstaunliche und dabei so eigentümliche, in so merkwürdige Bahnen und Normen gefasste, dass wir unseren Lesern eine anregende Unterhaltung zu bieten meinen, wenn wir ihnen ein Bild des literarischen Verkehrs in jenen Tagen zu entwerfen versuchen –auf dem Grund der eingehenden Quellenstudien, deren Resultate Robert Calinich in seiner inhaltsreichen Schrift ›Aus dem 16. Jahrhundert‹ niedergelegt hat.

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• Auf epilog.de am 23. April 2024 veröffentlicht

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