U-Bahn in Berlin

Die Berliner Südwestschnellbahnen

Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen • 10.2.1909

Voraussichtliche Lesezeit rund 11 Minuten.

Die Groß-Berliner Schnellbahnfrage ist in der letzten Zeit ein erfreuliches Stück weiter gekommen. Die Stadtgemeinden Schöneberg und Wilmersdorf haben sich entschlossen, Schnellbahnverbindungen mit dem Inneren der Hauptstadt herzustellen. Der Gedanke der schnellbahnmäßigen Erschließung der südwestlichen Vororte reicht etwa ein Jahrzehnt zurück. Man glaubte damals, das Privatkapital für derartige Aufschließungsbahnen interessieren zu können, indessen lieferte die gewünschte genaue Durchrechnung der Pläne das im Grunde selbstverständliche Ergebnis, dass derartige Bahnen durchaus unrentabel sind. Aber es ist begreiflich, wenn die Baulust einerseits, das Interesse an der Aufschließung größerer Ländereien anderseits die einmal zur Anregung gekommene Angelegenheit nicht ruhen ließen. Es ist anderseits daran zu erinnern, welche unsäglichen Mühen es gekostet hat, den an der Westend-Erweiterung der Hoch- und Untergrundbahn (Bismarckstraße – Reichskanzlerplatz – Platz F) [Bismarckstraße – Theodor-Heuss-Platz – Brixplatz] beteiligten Kreisen die Überzeugung zu verschaffen, dass es nach Millionen zählender Zuschüsse bedürfe, um eine derartige, selbst nur wenige Kilometer Ausdehnung umfassende Aufschließungsbahn ins Leben zu rufen. Das wirtschaftliche Ergebnis dieser nun seit fast einem Jahr im Betrieb befindlichen subventionierten Bahnstrecke hat den nüchternen Vorausberechnungen in allen Teilen Recht gegeben. Aber auch die Legende von der Rentabilität städtischer Schnellbahnen überhaupt hat seitdem einen weiteren Stoß erlitten, wenngleich es immer noch nicht an Propheten fehlt, die in diesen so überaus kostspieligen Verkehrsmitteln auch bei höchsten kilometrischen Anlagekosten noch Goldgruben zu sehen wünschen. Die weitaus übertriebenen Anschauungen über die Verkehrseinnahme der Schnellbahnen, die starke Überschätzung ihres Kapitalbedarfs und der Betriebsaufwendungen, beginnen nach den allerorts gemachten Erfahrungen doch im Allgemeinen der notwendigen ruhigeren Betrachtung Platz zu machen.

Da infolgedessen die Privatwirtschaft, insbesondere bezüglich der äußeren Linien, kein großes Feld der Betätigung mehr findet, hat die Kommunalpolitik in der Schnellbahnfrage einzusetzen begonnen, indem sie die Unternehmungen wirtschaftlich unterstützt oder ihren Bau selbst durchführt, ein Vorgehen, das innerhalb des Rahmens, in dem die Gemeinden sich stark genug fühlen, die nach Millionen und Abermillionen zählenden Lasten zu übernehmen, nur begrüßt werden kann. Das Zustandekommen der Bahnen wird in besonderem Maße erleichtert, wo sich die Besitzer umfassender Gelände, die schnellbahnmäßig erschlossen werden können, am Zustandekommen der Schnellbahnen beteiligen, wie dies auch bei der Erweiterung der Untergrundbahn nach Neu-Westend geschehen ist. Dadurch, dass in solchen Fällen die Zuschüsse auf die einzelnen Parzellen nach dem Maß der ihnen zugewendeten Verkehrsvorteile verteilt werden, wie dies in Neu-Westend geschehen ist, kann das Zustandekommen der Aufschließungsbahnen außerordentlich gefördert werden.

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Nach der Eröffnung der Berliner Hoch- und Untergrundbahn 1902 war das Interesse der gut situierten westlichen Berliner Vororte an einem Schnellbahnanschluss geweckt. Selbstbewusst und mit der Unterstützung finanzkräftiger Terraingesellschaften entwickelten die Städte Charlottenburg und Wilmersdorf Pläne für die Erweiterung der Berliner U-Bahn, wobei die Beteiligten teilweise sehr eigenwillige Vorstellungen zur Streckenführung hatten. In diesem Buch schildern ausgewiesene Experten in zeitgenössischen Original-Beiträgen die Entwicklung der Schnellbahnen vom Nollendorfplatz nach Ruhleben, Krumme Lanke und zum Kurfürstendamm zwischen 1906 und 1930. Rund 150 Zeichnungen und Fotos illustrieren dieses Zeitdokument der Berliner Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 16,90 | 114 Seiten | ISBN: 978-3-7578-8381-2

• Auf epilog.de am 8. September 2023 veröffentlicht

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