Handel & Industrie – Fabrikation
Aus den Werkstätten des Lichts
Ein Blick auf die Berliner Lampenindustrie
Die Gartenlaube • 1892
Lässt sich der Fremde, der Berlin besucht, lediglich von seinem Reisehandbuch leiten, so sieht er in der Regel nur die glänzenden Bilder der Hauptstraßen; er bewundert die Residenz mit ihren Schlössern und Museen, mit ihren Verkaufsläden und Cafés, ihren Theatern und Schaustellungen. Er wandert unter den Linden und in der Friedrichstraße umher, durch die Leipziger Straße, durch den Tiergarten und durch die endlosen Villenzüge des vornehmen Westens. Führt ihn aber Zufall oder Absicht in der Frühe des Morgens in andere Teile von Berlin, nach Norden oder Süden etwa, so wird er ein ganz anderes, aber in seiner Art gewiss nicht weniger großartiges Bild heimwärts tragen. Er wird unabsehbaren Menschenfluten begegnen, die von der sechsten Stunde ab in die Fabriken und Werkstätten münden, und wird sich durch den Augenschein überzeugen, dass die ehedem als Witzwort aufgestellte Behauptung, Berlin sei der größte Fabrikort Deutschlands, jetzt eine ganz einfache, nüchterne, durch Zahlen zu belegende Wahrheit geworden ist.
Haust nun vor dem Oranienburger Tor die Großindustrie, der Maschinenbau, werden dort Lokomotiven und Torpedos geschmiedet, so ist am entgegengesetzten Pol, im Süden, in der Luisenstadt, die Kleinindustrie, die aus dem Handwerk herausgewachsene Fabriktätigkeit – und zwar von alters her – angesiedelt. Aus kleinen Anfängen entsprungen, ist gerade sie zu hoher Blüte gediehen und hat ihren Erzeugnissen Rang und Namen in der ganzen Welt verschafft.
Es ist eigentümlich, dass Erwerbszweige, die durch Förderung von oben her an die Spree verpflanzt worden sind, nur ein Treibhausleben geführt haben und trotz aller Fürstengunst wieder eingegangen sind oder doch zu keinem wesentlichen Mittel für die Ernährung der zunehmenden Menschenmenge sich zu entwickeln vermochten. Die Seidenwirkerei, dies Lieblingskind zweier Könige, ist nach großen Opfern spurlos verschwunden, nur die vielen Maulbeerbaum-Pflanzungen zeugen noch von der Seidenwürmerzucht, mit welcher man der Lombardei und der Provence das Feld streitig zu machen trachtete; und die königliche Porzellan-Manufaktur leistet zwar selbst künstlerisch Vollendetes, hat aber ihren Hauptzweck, zur Nachfolge anzueifern, nicht erreicht. Ganz aus eigener Hand haben sich dagegen Industrien nach Berlin gezogen, die den Wettbewerb der Welt aushalten, die für viele Tausende Arbeit und Brot gebracht haben.
Werde epilog.plus-Mitglied und Du bekommst
- Zugriff auf exklusive Beiträge wie diesen
- PDF-Versionen und/oder eBooks von ausgewählten Artikeln
- weniger Werbung und dafür mehr historische Bilder und alte Reklame
und Du hilfst uns, noch mehr interessante Beiträge zur Kultur- und Technikgeschichte zu veröffentlichen.