Forschung & TechnikWissenschaft

Mit Ionen-Antrieb auf Asteroiden-Erkundung

tvi.ticker • 26. Oktober 1998

Wissenschaftler aus dem Institut für Planetenerkundung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof sind derzeit an einer nahezu futuristisch anmutenden Weltraummission beteiligt, an ›Deep Space 1‹ (DS-1). Zwei Ziele stehen bei diesem am 24. Oktober 1998 erfolgreich begonnenen Weltraumflug der NASA im Mittelpunkt des Interesses.

Zum einen soll erstmals im Rahmen einer Weltraummission ein völlig neuartiges Ionentriebwerk unter realen Einsatzbedingungen erprobt werden, zum anderen erwarten die Wissenschaftler umfangreiche Informationen und Daten während des Vorbeiflugs am Asteroiden 1992 KD (voraussichtlich 29. Juli 1999) sowie – falls der bisherige Missionsverlauf nach Plan gelingt – anschließend auch von den Kometen Wilson-Harrington und Borrelly.

Die Mitarbeiter des Instituts für Planetenerkundung erhoffen sich von dem Vorbeiflug wertvolle Aufschlüsse über den Asteroiden 1992 KD. Die Aufgaben der DLR-Wissenschaftler sind vor allem die geometrische Kalibrierung der Kamera, eine Auswertung der Bilddaten bezüglich Form und Rotation des Himmelskörpers, die Untersuchung von Eigenschaften und Alter der Asteroidenoberfläche sowie die Durchführung begleitender astronomischer Beobachtungen.

Bislang ist über den Asteroiden 1992 KD nur sehr wenig bekannt, er trägt derzeit noch nicht einmal einen richtigen Namen. Die jetzige Bezeichnung weist lediglich auf den Zeitpunkt seiner Entdeckung hin. Bislang konnten nur die Parameter seiner Umlaufbahn um die Sonne und die Helligkeit ermittelt werden, aus denen sich grob seine Größe schätzen lässt. Demnach rechnen die Experten mit einem Durchmesser von etwa drei Kilometern. Bereits im Frühjahr 1999 besteht die Möglichkeit, den Asteroiden von der Südhalbkugel der Erde mit starken Teleskopen genauer zu beobachten. Die gewonnenen Daten zum Beispiel über die Rotationsgeschwindigkeit, die Orientierung der Rotationsachse im Raum sowie seine spektralen Eigenschaften sind wichtige Grundlagen für die Planung der Anflugphase der jetzt gestarteten Raumsonde.

Geradezu revolutionär ist der Antrieb der Forschungssonde. Erstmals kommt ein Ionentriebwerk als Hauptantriebsquelle zum Einsatz. Als Treibstoff dient Xenon, ein schweres Edelgas. Dieses Gas wird durch Beschuss mit Elektronen zunächst ionisiert, sodann elektrostatisch beschleunigt und durch eine Düse mit sehr hoher Geschwindigkeit ausgestoßen; der Ionenstrahl sorgt somit für den Antrieb des Raumfahrzeugs. Die Stromversorgung des Triebwerks erfolgt über neuartige Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad, die über zwei großflächige Sonnensegel verteilt sind.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Triebwerken ist der Schub eines Ionentriebwerks nur sehr gering. Um die Sonde dennoch auf hohe Geschwindigkeit zu bringen, bleibt der Motor während der Beschleunigungsphase über lange Zeit in Betrieb. So ist das Triebwerk auf eine Gesamtbrenndauer von 8000 Stunden ausgelegt – rein theoretisch könnte es demnach ein knappes Jahr lang ununterbrochen arbeiten.

Da das Triebwerk einen hohen Wirkungsgrad (Antriebsimpuls pro Gramm Treibstoff) aufweist, kommt die Raumsonde mit einem gegenüber anderen Raumflugkörpern erheblich kleineren Treibstofftank aus, ein nicht zu unterschätzender Effekt bei der Auslegung des Gesamtgewichts.

Eine weitere technische Neuerung von DS-1 ist ein leistungsfähiger Bordcomputer, der aufgrund seiner Programmierung selbstständig Flugbahn und Position der Raumsonde ermitteln und gegebenenfalls Bahnkorrekturen einleiten kann. Zur Positionsbestimmung erfasst dieser ›Autopilot‹ mit einer Kamera automatisch Asteroiden vor dem Hintergrund des Sternenhimmels und vergleicht diese mit einem gespeicherten Asteroidenkatalog. Zeigen sich hierbei Abweichungen, wird die Sonde automatisch in die neue Flugrichtung ausgerichtet und das Ionentriebwerk zur Kurskorrektur gestartet.

Für zukünftige Planetenmissionen ist diese Technik von großer Bedeutung, kann damit doch ein Großteil des häufigen und zeitraubenden Datenaustauschs zwischen Raumfahrzeug und Bodenkontrollstation eingespart werden. Zudem können Kurskorrekturen kurzfristig angesetzt und damit genauer gesteuert werden. So ist bei der gegenwärtigen Mission geplant, die Forschungssonde im Abstand von nur zehn Kilometern am Zielasteroiden vorbeizuführen – eine große Herausforderung angesichts der Vorbeifluggeschwindigkeit des Raumfahrzeugs von rund 15 Kilometern pro Sekunde.

Quelle:  Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

• Auf epilog.de am 28. Oktober 1998 veröffentlicht

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