VerkehrEisenbahn

Zahnradbahn auf den Pilatus

Polytechnisches Journal • 27.4.1887

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
Pilatus-ZahnradbahnAbb. 1.

Die Ersteigung des bekannten, am Vierwaldstädter See liegenden Berges Pilatus durch eine Zahnradbahn wurde schon öfters geplant, da dessen Spitze (Eselskopf 2122 m über dem Meeresspiegel) den Rigikulm (1800 m) bedeutend an Höhe und auch an Großartigkeit der Rundschau überragt. Dennoch wurde die Ausführung lange nicht gewagt, da die zu erwartende ungewöhnliche Steigung etwa 500 : 1000 gegenüber der bis jetzt erreichten Steigung (am Rigi) von 250 : 1000, berechtigte Zweifel über die absolute Sicherheit des bisher üblichen Riggenbachschen Zahnstangensystems erweckte und ein Ausheben des Zahnrads aus der Staffelschiene nicht als unbedingt ausgeschlossen erachten ließ. Als daher die Firma Locker und Comp. in Zürich den Bau der Pilatusbahn übernahm, wurde derselben eine wesentliche Abänderung der Riggenbachschen Zahnstange zu Grunde gelegt, welche, nachdem sie von hervorragenden Autoritäten geprüft und gebilligt worden war, zur Ausführung gelangte.

Pilatus-ZahnradbahnAbb. 2.

Am 5. Oktober 1886 fand auf der bis dahin fertiggestellten Strecke die erste Probefahrt mit vollem Erfolg statt und es unterliegt keinem Zweifel, dass die ganze Linie in diesem Sommer dem Verkehr übergeben werden wird; sie führt von Alpnach-Stad (440 m über dem Meeresspiegel) am Vierwaldstädter See in einer waagerechten Entwickelung von 4548 m auf die um 1636 m größere Höhe des Hotel Bellevue, von welchem aus der Gipfel ohne Mühe zu erreichen ist, und enthält an fünf Stellen von zusammen 1132 m waagerechter Länge die stärkste Steigung von 480 : 1000.

Der charakteristische Unterschied gegenüber der Riggenbachschen Anordnung besteht in der Form der Zahnstange, welche in Abb. 4 im Querschnitt, in Abb. 3 im Grundriss gezeichnet ist. Während bei der Riggenbachschen Zahnradbahn ein Rad mit waagerechter Achse in die zwischen zwei U-Eisen eingenieteten Staffeln greift, ist hier ein Zahnräderpaar auf lotrechten Achsen, welches in die auf beiden Seiten der Stahlschiene eingefrästen Zähne eingreift (Teilung 85,7 mm). Auf der Unterseite dieser Zahnräder sind glatte Führungsräder angebracht, welche an der die Zahnstange tragenden gewalzten Längsschwelle angreifen, als Schutz gegen Entgleisung. Zahnstange und beiderseits je eine Tragschiene (Kopfdicke 41 mm, Spurweite 800 mm) sind auf gewalzten Schwellen, erstere mittels eines genieteten Stuhls festgelegt; die Schwellen liegen bei den Stößen enger zusammen (vgl. Abb. 3) und sind durchwegs in die gemauerte Unterlage eingelassen und durch eiserne Bänder und Schrauben mit dem Mauerblock verbunden (vgl. Abb. 1 u. 2).

Zahnstange im GrundrissAbb. 3.

Der Antrieb der Zahnräder erfolgt durch eine Vorgelegewelle, auf welcher zwei kleine kegelförmige Triebräder sitzen. Ein drittes auf dieser Welle sitzendes großes Stirnrad wird von dem auf der Kurbelwelle sitzenden kleineren Rad angetrieben; Letzteres erhält durch die außerhalb der Lager aufgekeilten Kurbeln den Antrieb seitens der beiden waagerecht liegenden Dampfzylinder. Der Kessel liegt quer gegen die Gleisachse und wird hierdurch der Wasserstand weniger von den wechselnden Steigungen beeinträchtigt:

Heizfläche:20 m²
Dampfüberdruck:12 atu
Zylinder:220 × 300 mm
Zahnstange im QuerschnittAbb. 4.

Die Maschine ist mit einem Wagen für 32 Sitzplätze verbunden; das vollständige Fahrzeug hat ein Gesamtgewicht ganz beladen von 10,5 t, leer von 5,7 t und wird von vier kleinen Laufrädern getragen. Hinter der Vorderachse befinden sich, zur Sicherung gegen das Abheben, zwei die Schienenköpfe übergreifende Pratzen.

Als Bremse dient zunächst die bei den älteren Zahnradmaschinen übliche Luftbremse, welche auf der Verwendung der Zylinder für die Hemmung beim Abwärtsfahren beruht, außerdem eine Reibungsbremse auf der Kurbelwelle der Maschine. Endlich ist vor der vorderen Laufachse ein zweites Zahnradpaar angebracht, welches immer in die Zahnstange eingreift und eine Bremsscheibe in rasche Bewegung setzt, deren Reibungsband von beiden Enden des Fahrzeuges angezogen und im Notfall bis zum Feststellen der oberen Zahnräder gespannt werden kann.

• Auf epilog.de am 29. Dezember 2023 veröffentlicht

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