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Verfertigung des ägyptischen Papiers

Pfennig Magazin • 11.1.1855

Die in Ägypten heimische Papyrusstaude erlangte bekanntlich durch ihre Benutzung zur Fabrikation eines im Altertum allgemein verbreiteten und höchst dauerhaften Schreibmaterials die größte Wichtigkeit. Daher nannte man diese Pflanze die Trägerin der Wissenschaft und ohne Übertreibung sagt der Römer Plinius, erst durch sie sei das Andenken an all das, was Menschen geschaffen haben, möglich geworden. »Papyro constat immortalitas hominum«, sind seine eigenen Worte.

Es wird sich daher der Mühe lohnen, die Bereitungsart dieses Papiers nach den Angaben der Alten genauer kennenzulernen.

Dicht unter der Rinde des Papyrusstamms liegen bastähnliche Häute bis zu 20 Lagen übereinander. Diese wurden durch ein nagelartiges Instrument gelöst und abgewickelt, aber nicht in der ganzen Länge des Schaftes, sondern in kürzeren Abschnitten, in Streifen eines Fingers. Die innersten Häutchen sind die feinsten und besten und geben die Sorte Papier, welche in Ägypten wegen ihrer Anwendung zu den heiligen Schriften die Hieratische genannt wurde. Die Feinheit der Häutchen nimmt immer fort bis zu den äußersten, unter der Rinde liegenden ab, welche das gröbste Papier lieferten, das nur zu Tüten und zum Packen gebraucht wurde.

Die Streifen oder Häutchen wurden, nachdem sie behutsam abgelöst waren, der Länge nach eine neben der andern auf einer Tafel, die mit Nil-Wasser benetzt war, befestigt. Sodann wurden sie mir anderen in die Quere durchflochten, so dass eine Art von Gewebe entstand, indem die nach der Länge gelegten Häutchen den Zettel, die andern quer-liegenden den Einschlag bildeten. Die so ausgebreiteten Häutchen oder Bastfasern wurden wiederholt mit Nil-Wasser begossen, welches die Papierflächen, die man füglich Bogen nennen kann, wie Leimwasser fest miteinander verband und bleichte. Hierauf wurden sie gepresst. Runzeln wurden durch Glätten mit einem Zahn oder einer Muschel entfernt, welche Stellen aber dann die Tinte nicht gut annahmen. Wenn die Besprengung mit dem Nil-Wasser nicht ganz gleichmäßig erfolgte, wurde das Papier an manchen Stellen zu spröde und fleckig. Die Flecken konnte man wohl mit den Augen wahrnehmen; aber jene Stellen, auf denen die Tinte floss oder durchschlug, entdeckte man oft nicht eher, als bis man darauf schrieb.

Teils um diesem Übel zu begegnen, teils auch um in andern Ländern, wo die Papyrusstaude wächst und wo man doch das klebrige Nil-Wasser nicht hatte, erfand man ein anderes Bindemittel, bei welchem man gleichmäßiges Auftragen mehr in der Gewalt hatte. Man verfertigte eine Art Kleister aus dem feinsten Mehl, welchen man mit einem Zusatz von Essig verdünnte, oder man nahm die Krume von gesäuertem Brot, goss siedendes Wasser darauf und seihte es durch ein Tuch. Der so gewonnene Leim, etwa unserm Planierwasser [mit Alaun gesottenes Leimwasser] vergleichbar, war so fein, dass zwischen beiden Papierlagen nur sehr wenig hängenblieb und das Papier ward dadurch noch geschmeidiger als Leinwand. Hierauf wurde das Papier mit einem Hammer dünn geschlagen, abermals mit Leimwasser benetzt, von neuem angezogen, dass sich die Falten verloren, und zuletzt noch einmal geschlagen.

Die Fabrikation des Papiers wurde im Altertum trotz des großen und allgemeinen Bedarfs nicht so schwunghaft betrieben, als es bei der jetzigen Industrie wohl geschehen würde. Selbst Wohlhabende und Vornehme mussten auf einen gewissen Vorrat halten und gingen sparsam damit um. Unter Kaiser Tiberius entstand einmal, als die Papyrusstaude gänzlich missraten war, in der Weltstadt wahre Papier-Not. Auf Anordnung des Senats wurde eine Kommission eingesetzt, welche einem jeden nach seinem Bedürfnis das dem Vorrat angemessene Quantum an Papier verabreichen ließ.

Der Grund mangelnder Papiervorräte lag teilweise auch in Engherzigkeit. Es lag im Interesse der Ägypter, den Preis dieses Artikels in einer gewissen Höhe zu erhalten; daher hemmten sie, den gewinnsüchtigen Holländern gleich, die den Bau der Gewürznelken durch Ausrottung anderer Anpflanzungen auf einen kleinen Distrikt ihrer Kolonie beschränkten, die Kultur des Papyrus und ließen ihn an vielen Orten gar nicht aufkommen. Neben andern Gründen hat dieses Verfahren dazu beigetragen, die Papyrusstaude ganz aus Ägypten zu verdrängen.

• Auf epilog.de am 23. Juni 2017 veröffentlicht

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