VerkehrNahverkehr

Über Stadtbahnen

Von Alfred Birk

Der Stein der Weisen • 1891

Voraussichtliche Lesezeit rund 16 Minuten.

Die größeren Städte und zumal die Hauptstädte bilden die Mittelpunkte des Handels und Verkehrs, aller geistigen Bestrebungen, aller wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritte, aller politischen Bewegungen. Darum auch jener unaufhaltsame Zug nnd jenes mächtige Drängen nach den großen Städten, die sich immer weiter ausdehnen und über alle die kleinen Ortschaften, die um ihr Weichbild entstehen, allmählich ihre Grenzen ausdehnen. Darum jene großartigen Weltstädte, die an Ausdehnung und Einwohnerzahl manches deutsche Herzogtum übertreffen: London mit 4 Millionen Einwohnern auf 300 km² Fläche; Paris mit 2½ Millionen auf 80 km², Berlin und Wien mit je 1½ Millionen aus 61 km² bzw. 180 km² Areale.

In solchen Städten gilt mehr als irgendwo für den Verkehr und Handel der Grundsatz, dass Zeit Geld bedeute, und jede verlorene Minute verlorene Münze sei. Hiermit erscheint aber auch die Notwendigkeit besonderer rascher Verkehrsmittel begründet. Neben dem Omnibus wurde vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert die Pferdebahn und etwas später die Dampftramway in den Dienst des großstädtischen Verkehrslebens gestellt; aber auch diese Verkehrsmittel genügen nicht mehr den rasch gestiegenen Anforderungen; ihre Leistungsfähigkeit hat eben auch ihre Grenzen, die nicht allein in ihrem Wesen selbst liegen, sondern auch durch den allgemeinen Verkehr auf den Straßen, die sie benützen, gezogen werden. Ich hatte Gelegenheit, dies in Paris zu beobachten. Es war auf einem Boulevard, der einen der lebhaftesten Stadtteile von Paris durchschneidet; Omnibus an Omnibus rollte vorüber, gefüllt bis auf den letzten Platz – und die Pariser Omnibusse fassen mehr als ein halbes Hundert von Personen – Tramwaywagen an Tramwaywagen eilten vorbei, nicht weniger besetzt wie jene — es war eine imponierende Wagenreihe, die ohne Anfang und ohne Ende schien; daneben wogten die Menschenmassen her und hin, leichte Kutschen rollten dazwischen, schwere Fuhrwerke trabten daher – und nun plötzlich staute sich die bewegte Masse, Minuten vergingen, bis sie wieder in Fluss kam – und dies Schauspiel wiederholt sich immer wieder, beinahe mit überraschender Regelmäßigkeit.

Stadtbahn in New YorkStadtbahn in New York.

Die Straßen der Großstädte sind überfüllt, sie fordern eine Entlastung ihres Verkehrs. Eine solche kann nur durch Schaffung eines neuen Verkehrsmittels geboten werden, das nicht die Straßen benützt, sondern über oder unter ihnen auf eigenem Weg seinen Lauf nimmt. dass man für ein solches Verkehrsmittel zum Schienenpfad greift, ist wohl selbstverständlich, denn ohne diesen ist gegenwärtig die Bewältigung eines Massenverkehrs wohl nicht zu denken. Solche Bahnen nun, welche das Häusermeer der Städte auf eigenem Bahnkörper durchziehen und in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, dem örtlichen Verkehre dienen, bezeichnet man im engeren Sinne vollkommen zutreffend als Stadtbahnen. London, New York, Berlin, Rotterdam besitzen Stadtbahnen; in Paris, Wien, Rom und anderen Städten wird die Anlage solcher Bahnen mit großem Eifer studiert und betrieben.

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Die Straßen der Großstädte sind überfüllt, sie fordern eine Entlastung ihres Verkehrs. Eine solche kann nur durch Schaffung eines neuen Verkehrsmittels geboten werden, das nicht die Straßen benützt, sondern über oder unter ihnen auf eigenem Weg seinen Lauf nimmt.
eBook € 0,99 | eISBN: 978-3-7568-0764-2

• Auf epilog.de am 11. November 2022 veröffentlicht

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