Berlin-Potsdamer Eisenbahn

Über die Anlage einer Eisenbahn zwischen Berlin und Potsdam und deren Nützlichkeit

Dr. James Schumann • 28.6.1833

Eine Eisenbahn, oder ein Fahrweg, auf welchem die Felgen der Räder nicht auf der Straße, sondern auf eisernen Schienen laufen, ist entweder auf einer gleichen Ebene, oder auf einem hügeligen Boden anzulegen, und darnach müssen auch die Schienen eingerichtet werden. Eine vollkommene Ebene ist nicht nötig zur Errichtung einer Eisenbahn, weil dieselbe auch wellenförmig sein kann; ja man wird auf einer wellenförmigen Eisenbahn, wo die Last fortdauernd auf- und abbewegt wird, in bedeutend kürzerer Zeit, mit derselben bewegenden Kraft, oder in derselben Zeit mit größerer Ersparnis des Transports dasselbe Resultat erlangen. Es könnte also eine vollkommene Ebene, wenn die Schwierigkeiten nicht zu groß wären, sehr vorteilhaft für den Zweck einer Eisenbahn in einen hügeligten Boden verwandelt werden; es ist ausgemacht, dass zur Hinaufbewegung einer Last eine viel geringere Kraft erfordert wird, sobald man den Zwischenraum abwechselnd in Höhe und Tiefe sondert, so dass der Wagen bald bergauf, bald bergunter fahren muss, ehe er an seinem Bestimmungsort ankommt.

Wir haben dies nur angedeutet, um zu beweisen, dass unser Vorschlag, zwischen Berlin und Potsdam eine Eisenbahn anzulegen, keinen Schwierigkeiten unterliegt, ja dass sogar die letzten beiden Meilen von Zehlendorf bis Potsdam durch ihren hügeligen Boden bedeutende Vorteile gewähren.

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Eine Eisenbahn zwischen Berlin und Potsdam beschleunigt den Verkehr zwischen beiden Städten, und befördert ihn dadurch noch mehr, bringt sie näher, ohne sie je zu verschmelzen in einen Residenzkoloss, sichert das kleine Potsdam, dass das größere Berlin es nie verschlinge, und gewährt beiden doch die Vorteile einer so innigen Vereinigung.

Die Einwohner beider Städte werden sich dann einander immer mehr nähern und in eine Gemeinschaft treten, welche jetzt so häufig nicht gefunden werden kann; die Häuser wie alle Grundstücke in Potsdam würden und müssten im Preise höher steigen, da gewiss viele Einwohner Berlins nicht nur, auch viele Auswärtige sich nach Potsdam ziehen würden, wo ein billigeres Leben und dennoch ein durch die Eisenbahn mehr beförderter Absatz stattfinden würde.

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Es fährt also die Kutsche und das Frachtfuhrwerk in etwa ⁷/₄ Stunden auf der Eisenbahn von Berlin nach Potsdam, und vielleicht noch in kürzerer Zeit, wenn man erwägt, dass auf der wellenförmigen Bahn von Zehlendorf aus die Schnelligkeit befördert werden muss. In 3 ½ Stunden also kann man, um ein Geschäft, welches vielleicht nur eine Stunde Zeit verlangt, und uns jetzt wenigstens einen ganzen Vormittag von 7 Stunden kosten wird, abzumachen, dasselbe in 4 ½ Stunden vollenden, und wieder in seiner gewohnten Tätigkeit sich befinden.

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Wo eine Eisenbahn angelegt ist, da finden sich auch sogleich, wie die Erfahrung gelehrt hat, Dampfwagen ein, um gleichsam mit ihr zu rivalisieren und ihr zu beweisen, dass ihre angepriesene Schnelligkeit noch übertroffen werden könne. Und so wird es, um aus zahllosen Gründen nur wenige anzuführen, auch auf der von uns vorgeschlagenen Eisenbahn zwischen Berlin und Potsdam der Fall sein. Die Neuheit wird Interessenten genug herbeiführen, der Dampfkessel darf in so kurzer Entfernung unterwegs nicht neu gefüllt, die Reise also nicht aufgehalten werden, und gelangen wir auf der Eisenbahn in gewöhnlichem Fuhrwerk binnen ⁷/₄ Stunden von Berlin nach Potsdam, so bringt der Dampfwagen uns in ²/₃ Stunden dahin, also um 65 Minuten früher, als auf derselben Eisenbahn es ein gewöhnliches, noch so leichtes Fuhrwerk vermag, und wir können also nicht fünf, sondern zehnmal täglich diese Reise hin- und zurückmachen.

Buchtipp:

Neuerscheinung

Die großartige Entwicklung von Berlin und seinen Vororten ab 1870 hat an den Verkehr auf den Eisenbahnen, besonders an den Verkehr zwischen den Vororten und der inneren Stadt Berlins, Anforderungen gestellt, denen nur durch besondere Anlagen und durch eine besondere Betriebsweise genügt werden konnte. Von dem Aufschwung erhält man ein Bild, wenn man die Entwicklung der Potsdamer Bahn verfolgt. Auf den vorhandenen zwei Gleisen, der sogenannten Stammbahn, ließen sich die drei Verkehrsarten, der Fernverkehr, Güter- und Vorortverkehr, nicht mehr in voller Regelmäßigkeit bewältigen und es musste zur gründlichen Abhilfe der auftretenden Schwierigkeiten die Strecke Berlin – Potsdam viergleisig ausgebaut werden. Die dadurch entstandene neue Vorortbahn, welche am 1. Oktober 1891 eröffnet wurde, hat zum Unterschied von der alten Potsdamer Bahn die Bezeichnung ›Wannseebahn‹ erhalten.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 104 Seiten | ISBN: 978-3-695-14284-2

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

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