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Stachelspatien für Titelschriftkästen

Polytechnisches Journal • 12.2.1890

Die sogenannten Zier- und Titelschriften werden in den Buchdruckereien bekanntlich nicht in gewöhnlichen Setzkästen untergebracht, sondern in besonderen Aufbewahrungskästen zwischen Holzleisten aufgestellt, wodurch für die Typen lange Fächer gebildet werden. Diese Aufbewahrungsart hat aber, wie jeder Buchdrucker weiß, eine Menge Übelstände im Gefolge. Wird nämlich aus einem solchen Titelschriftkasten viel gesetzt, so verlieren die einzelnen Buchstaben infolge der entstandenen Lücken ihren Halt, neigen sich oder fallen zur Seite in die Tiefe des Fachs hinein. Das Wiederaufrichten derselben kostet viel Zeit und Mühe, und zudem benutzt der Setzer dabei oft die Ahle, wodurch das Buchstabenbild gefährdet und nicht selten derart verletzt wird, dass die Type unbrauchbar geworden ist.

Gegen dieses Umfallen der Lettern suchte man sich bisher durch verschiedene Mittel zu schützen. Das einfachste davon ist: Andrücken der gelockerten Reihen gegen die linke Seitenwand, Schutz der rechtsstehenden Buchstaben durch Quadraten, Regletten oder Holzspäne. Dieses Verfahren schützt zwar bei sorgfältiger Beachtung den Kasten vor Unordnung und den gefürchteten ›Zwiebelfischen‹, ist aber zeitraubend und beansprucht Füllmaterial, dessen Fehlen sich gelegentlich unangenehm merkbar machen kann. Es gewährt auch keine Sicherheit dafür, dass die Buchstaben, welche von einer Zeile auf die andere laufen, wieder in richtiger Zahl an ihren ursprünglichen Platz gesteckt werden.

StachelspatienFig. 1

Zur Behebung dieser Mängel bringt nun die Firma Gebr. Stolzenwald in Berlin in den langen, von Holzleisten gebildeten Fächern leicht versetzbare Scheidewände zwischen den Typen in Anwendung, die sogenannten Stachelspatien, welche Plättchen, wie die Abbildungen erkennen lassen, auf den Kanten mit Stacheln besetzt sind. Diese Stachelspatien sind aus Weißblech gestanzt, etwa Achtelpetit stark und werden beim Einstellen der Schrift in den Titelschriftkasten so zwischen Buchstabengruppen gesteckt, dass sie etwa 4 Cicero voneinander abstehen. Je nach Breite der Buchstaben wird somit eine größere oder kleinere Zahl derselben zwischen je zwei Stachelspatien stehen. Für Bestimmung der angegebenen Abstände der Stachelspatien voneinander ist die Erwägung maßgebend, dass jedes durch Einschaltung von Stachelspatien geschaffene Fach nur so groß sein darf, dass ein einzeln stehender und sich seitlich neigender Buchstabe nicht umfallen kann.

Fig. 1 zeigt uns, in einem senkrecht zu den Leisten geführten Schnitt, einen derartig mit Stachelspatien versehenen Titelschriftkasten, wobei mit a die Stachelspatien, mit b die Holzleisten und mit c die Titelschriften bezeichnet sind. Fig. 2 zeigt dieselben Bestandteile an einem Schnitt, der parallel zu den Leisten geführt ist. StachelspatienFig. 2 Die beiderseits vorstehenden Stacheln werden, wie ersichtlich, durch Andrücken der auf der Signaturseite der Buchstaben aufgelegten Leiste in das Holz getrieben. Auf solche Weise wird dann der Gesamtraum des Kastens in eine größere Zahl von Fächern mit feststehenden Wandungen zerlegt, innerhalb deren kein Buchstabe umfallen kann.

Die Anwendung solcher Stachelspatien hat ferner noch den Vorteil, dass die Leisten etwas auseinandergehalten werden, also die Schrift nicht festgeklemmt werden kann. Da nämlich die Stacheln nicht unbedingt bis zur Wurzel eingetrieben zu werden brauchen und die Spatien etwas stärker als der Schriftkegel gefertigt werden, hat die Schrift nicht nur seitlich, sondern auch oben und unten etwas Spielraum. Die Stachelspatien werden in allen vorkommenden Kegelstärken von der genannten Firma geliefert und verdienen besonders bei Neueinrichtung von Druckereien und Einordnung neuer Titelschriftkästen Beachtung; bei Einfügung in bereits mit Typen gefüllten älteren Kästen wird dann die in Fig. 2 (rechts) dargestellte Form benutzt. Zur Unterscheidung einer Anzahl von Typen gleichen Schriftbildes von in der Reihe benachbarten Typen eines anderen Schriftzeichens kann man Spatien doppelt setzen.

• Auf epilog.de am 7. Juli 2017 veröffentlicht

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