Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Die Speisenfabrik zu Leith

Pfennig Magazin • 29.5.1841

Zu den größten Merkwürdigkeiten der Hafenstadt Leith unweit Edinburg gehört das großartige Etablissement ›John, Gillon & Compagnie‹ zur Aufbewahrung frischen Fleisches, die einzige Anstalt dieser Art in Schottland, welche, erst im August 1838 begründet, die beiden in England bestehenden, sowie die ähnliche in Irland an Großartigkeit übertrifft und ihre Wirksamkeit auch, was jene nicht tun, aus Vegetabilien erstreckt. Die Aufgabe, animalische und vegetabilische Lebensmittel so zu erhalten, dass sie noch in Jahren ganz unverändert sind und frisch nach allen Weltteilen kommen, wird hier nicht etwa durch die bekannten Prozesse des Einmachens, Einpökelns, Räucherns usw. gelöst, sondern nach einer französischen Erfindung dadurch, dass die betreffenden Substanzen vor aller Berührung der atmosphärischen Luft nach dem Zeitpunkte des Verpackens vollkommen gesichert sind.

Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.

Die Anstalt befindet sich in einem ausgedehnten Gebäude, dessen unterer Flur die Vorratskammern für die Viktualien und für jeden Stoff einen besonderen Raum zur Reinigung enthält, die z. B. bei den Rinderklauen 40 Hände beschäftigt. Das erste Stockwerk ist eine fortlaufende Reihe riesenmäßiger Küchen, die infolge geschickt angebrachter Ventilatoren stets reine Luft haben. Man findet hier neun Kessel, jeder von fast 500 Liter Gehalt, inwendig mit einer Art Durchschlag versehen, in welchem das Fleisch liegt, so dass es nie anbrennen kann. Mehre Kessel sind ausschließlich mit Rinderklauen gefüllt, die eine treffliche Gallerte liefern, welche die Grundlage mehrerer Suppen bildet. Die Fleischbrühe, zu deren Gewinnung auch viele Rinderknöchelchen und geringe Fleischsorten verwandt werden, wird nach sorgfältiger Abschöpfung des aufschwimmenden öligen Schaums, der besonders verkauft und stark begehrt wird, in eigenen Gefäßen abgekühlt. Konservendosen Die Zahl der verschiedenen zur Ausfuhr transportierten Suppen beträgt 20, unter ihnen die berühmte Schildkröten- und die Ochsenschwanzsuppe. Alle werden so konzentriert bereitet, dass sie beim Gebrauch mit einer gleich großen Menge Wassers verdünnt werden müssen. Namentlich von schottischen Nationalsuppen (Schotten und Deutsche begegnen sich in der Vorliebe zur Suppe) wird eine große Quantität ausgeführt, und zwar insbesondere nach Ostindien, wo die Schotten zahlreich sind, seitdem sich unter den Direktoren der ostindischen Gesellschaft einige Schotten befinden.

In zwei mit den Küchen verbundenen Seitengebäuden ist eine große Zahl von Frauen täglich mit der Zurüstung der verschiedenen Gerichte beschäftigt, deren Gesamtliste 90 Nummern zählt. Ungeheuer ist der Verbrauch von gelben und weißen Rüben, die in Ostindien nicht wachsen. Besondere Erwähnung verdient das Hammel- und Rindfleisch, das von allen Knochen und Knöchelchen befreit in Portionen von 1 – 3 kg an zahllosen Bratspießen eigentümlicher Art vor hohen Glutfeuern gekostet wird; ferner die unter dem Namen ›beef-tea‹ bekannte, zu fester Substanz eingekochte Brühe, ungemein stärkend und nahrhaft und daher besonders für Rekonvaleszenten geeignet; die sogenannte ›Meg Merillies soup‹, ein Gemisch aller genießbaren Wildbretarten usw.

Im Hof sind zehn Werkstätten für 30 Klempner und 10 Lehrburschen, welche die Blechbüchsen fertigen. Von diesen werden nur diejenigen, die zur Versendung frischer Heringe dienen, muldenförmig, alle übrigen aber rund gearbeitet, und zwar von der Größe einer Tabakdose bis zu der eines Huts. Sind die Büchsen gefüllt, so werden sie durch aufgelötete Deckel hermetisch verschlossen, zum Schutz gegen Feuchtigkeit lackiert und mit Etiketten versehen, dann gleich Weinflaschen in Gewölben aufgespeichert und zur Ausfuhr in Fässer gepackt. Jedem der Letzteren werden ein bis zwei Exemplare eines zum Öffnen des Decken dienenden Hebelmessers beigelegt, wiewohl jedes starke, spitze Messer dazu gebraucht werden kann. Die Preise sind verhältnismäßig ausnehmend billig. Die Güte der Ware und die Mäßigkeit des Preises haben einen ungeheueren Absatz (derselbe lässt sich daraus abnehmen, dass täglich 800 – 1000 Büchsen gefüllt werden, ohne dass jemals ein namhafter Vorrat vorhanden ist) und dieser einen bedeutenden Gewinn zur Folge hat.

• Auf epilog.de am 16. Mai 2017 veröffentlicht

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