Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Die Müllerei und Bäckerei im Altertum

Die Abendschule • 21.5.1880

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

In den ältesten Zeiten gab es noch keine Mühlen, auch in einfachster Weise nicht. Die Getreidekörner wusste man auf keine andere Weise in Mehl zu verwandeln, als indem man sie in Mörsern zerstampfte, nachdem sie vorher geröstet waren. Von diesem Zerstampfen (lateinisch pinsere) hießen die Bäcker Pinsores, später Pistores, daher auch in Deutschland an manchen Orten Pfister. Mörser und Keule waren meist von Holz, letztere wohl auch mit Eisen beschlagen, und der Mörser auf der inneren Seite gerieft und am Boden mit Spitzen versehen. Das Mehl wurde bei diesem Verfahren allerdings nicht fein; sollte es feiner werden, so legte man eine eiserne Einlage in den Mörser. Die Arbeit besorgten Frauen, doch wurden auch Gefangene damit beschäftigt.

Schon in früher Zeit wurden indes die Mühlen erfunden. Sie sind schon in den fünf Büchern Moses erwähnt und in Griechenland schrieb man ihre Erfindung teils der Göttin Demeter (bei den Römern Ceres), teils einem gewissen Mylas zu, welcher der Sache den Namen gegeben haben sollte. Der Letztere sollte ein Heiligtum der ›Mahlgötter‹ errichtet haben und wurde selbst als Halbgott verehrt.

Auch in den Gedichten Homers werden Mühlen erwähnt, doch erst Handmühlen, mittels welcher Sklavinnen das Mehl bereiteten. In späterer Zeit vervollkommneten sich dieselben und man unterschied Handmühlen, Viehmühlen und Wassermühlen, je nach der Ursache, durch die sie in Bewegung gesetzt wurden. Allen gemeinsam war, dass das Korn zwischen zwei Steinen zerrieben wurde, von denen der obere beweglich, der untere unbeweglich war. Es haben sich solche Mühlen aus dem Altertum erhalten und im Orient sind sie noch auf dieselbe Weise im Gebrauche. Übrigens unterscheiden sie sich durch größere oder geringere Vollkommenheit.

Auch die Mühlen wurden, solange es noch kein besonderes Gewerbe der Müller gab, in den Häusern und dazu gehörigen Räumen benützt. Sklavinnen drehten die Handmühlen und sangen dazu. Als das Mahlen ein Gewerbe wurde, nahm man Sklaven und Gefangene dazu in Anspruch und das mühselige Geschäft ging Tag und Nacht fort. Auch wurde den geplagten Arbeitern ein kreisförmiges Holz um den Hals gelegt, damit sie nicht entwendetes Mehl zum Munde führen konnten. Nach Einführung des Christentums wurden diese ›Blutmühlen‹, wie man sie nannte, abgeschafft. Als an den Mühlenbetrieb größere Anforderungen gestellt wurden, genügten die Menschenkräfte nicht mehr und man nahm nun Tiere zu Hilfe, ausgediente Pferde, Esel und Maultiere. Natürlich waren die Viehmühlen größer als die Handmühlen, und die Tiere wurden an eine Deichsel gebunden, welche durch den Läufer ging; eine ähnliche Vorrichtung wie bei den Menschen verhinderte auch sie an unbefugter Nahrung.

Eine weitere Verbesserung waren die Wassermühlen, welche zuerst um die Zeit des Mithridates, König von Pontos in Kleinasien, der mit den Römern 88 bis 66 v. Chr. Krieg führte, erwähnt werden, in Rom aber erst unter den Kaisern, im ersten Jahrhundert nach Christus, bekanntwurden; in allgemeinen Gebrauch kamen sie sogar erst im vierten und fünften Jahrhundert. Die hauptsächlichsten Mühlen in Rom, am Berg Janiculus, wurden durch eine Wasserleitung getrieben. Im sechsten Jahrhundert, als der Gotenkönig Witiges (536) den römischen Feldherrn Belisar in Rom belagerte und die Wasserleitungen der Stadt verstopfen ließ, brachte Belisar auf dem Tiber Kähne an, worauf Mühlen errichtet wurden, die der Strom trieb; so wurden die auch nachher im Gebrauche gebliebenen Schiffsmühlen erfunden. Mit solchen war das Backen nicht mehr gut vereinbar und seitdem trennten sich wahrscheinlich die Gewerbe der Müller und Bäcker voneinander. Da über das erstere nicht viel Nachrichten vorliegen, schalten wir in Bezug auf spätere Zeiten gleich hier ein, dass Windmühlen zuerst im Jahr 1105 erwähnt werden, in Deutschland die erste 1395 zu Speier. Schon in früher Zeit bedurfte es eines besonderen Schutzes, um Mühlen anlegen zu dürfen. Ursprünglich hatte jeder das Recht, an eigenem Wasser und öffentlichen Flüssen Mühlen anzulegen; im Mittelalter aber führten die Lehensherren das Mühlenregal ein, wonach nur Inhabern der Landeshoheit das Recht zugesprochen wurde, Mühlen zu errichten. Die Konzession dazu musste von dem Landesherrn gegen Erlegung einer gewissen Abgabe erkauft werden. Es entstanden auch sogenannte Bannmühlen, welche das Recht hatten, zu verlangen, dass die in einem gewissen Bezirke wohnenden Leute ihr Getreide in keiner anderen Mühle mahlen ließen, als in der berechtigten. Jetzt ist dieses Vorrecht aufgehoben. Die Müller bildeten im Mittelalter, da sie selten in Städten ihr Gewerbe ausüben konnten, keine Zunft, sondern wurden, selbst bis in die neuere Zeit, sogar für einen unehrlichen Stand gehalten, so dass ihre Söhne bei den zunftmäßigen Handwerken nicht als Lehrlinge angenommen werden konnten. Später ist diese Ungerechtigkeit abgeschafft worden.

Nach dem Mahlen wurde im Altertum (zu dem wir nun zurückkehren) das Mehl, wenn man es feiner haben wollte, entweder noch einmal gemahlen oder dann gesiebt. Meistens war es Gersten- oder Weizenmehl, bei den Römern in älterer Zeit auch Dinkel. Den Roggen liebten die Alten nicht und hielten ihn für unverdaulich.

Graupe bereitete man im Altertum, indem man die Körner, wie früher beim Mehl, in hölzernen, inwendig mit Eisen belegten Mörsern zerstieß, und mischte ihr, um ihr weiße Farbe zu verleihen, weiße Tonerde bei.

Zu Brot wurde im Altertum in der Regel nicht jedes Mehl verbacken, sondern fast nur Weizenmehl. Aus Gerstenmehl bereitete man bloß einen Teig, die gewöhnliche Nahrung der Leute vom Volke, welche die Griechen Maza und die Römer Puls nannten (es ist etwa die Polenta der heutigen Italiener). In nicht griechischen Ländern des Altertums bereitete man auch Brot aus Reis, Mandeln und Maulbeeren.

Das Backen war von dem heutigen nicht wesentlich unterschieden. Die Backtröge waren meist aus Holz, auch aus Stein oder Ton. Feinschmecker ließen ihre Sklaven den Teig mit Handschuhen kneten, auch mit einem Maulkorb vor dem Gesicht, damit nicht ihr Schweiß und Atem das Backwerk berühre. Man benützte auch Maschinen, die von Menschen oder Tieren getrieben wurden, zum Kneten des Teiges, ähnlich den Hand- und Viehmühlen. In Pompeji hat man antike Backöfen gefunden, deren es indessen schon in weit älterer Zeit, z. B. bei den alten Hebräern gab.

In älterer Zeit gab es noch keine gewerbsmäßigen Bäcker, sondern jede Haushaltung bereitete ihr Brot selbst, was früher die Hausfrau, später bei Reichen der Koch besorgte, daher auch oft der nämliche Ausdruck für Koch und Bäcker Anwendung fand.

Außer dem Brot unterschieden die Alten bereits Hunderte von Kuchenarten, deren viele als Opferkuchen religiösen Zwecken dienten. In der späteren Zeit, als die Hausarbeit nicht genügte, gab es ebenso wohl ein Gewerbe der Kuchen- als der Brotbäcker, und zwar in verschiedenen Abarten, je nachdem dieselbe z. B. Milch oder andere Stoffe verwendeten.

Das Brot der älteren Zeiten war wohl meist nicht unserem jetzigen ähnlich, sondern mehr ein dünner, hart gebackener Fladen, welcher, da man überhaupt noch keine Bestecke hatte, gebrochen wurde und dessen man sich auch beim Essen überhaupt zum Abtrocknen und Reinigen der Hände bediente, wie dies im Morgenland und anderswo noch jetzt gebräuchlich ist.

Aus der Bibel wissen wir, dass es schon im alten Ägypten Vorratshäuser zum Aufspeichern des Getreides, dass es dort Bäcker, d. h. mit Backen beschäftigte Sklaven unter Aufsicht eines Kämmerers oder obersten Bäckers gab.

Auch nach dem Untergang des alten Griechenland und Rom waren bei den Deutschen, welche sich in der Völkerwanderung vom vierten bis sechsten Jahrhundert zu Herren Europas machten, noch immer leibeigene Bäcker. Bei den Alemannen, welche, wie alle deutschen Völker jener Zeit, alle Vergehen und Verbrechen mit Geld (Wergelt) büßten, wurde die Tötung eines Bäckers mit 40 Schilling, einer für jene Zeit ungewöhnlich hohe Summe, bestraft und so hatte jedes Gewerbe seine Taxe. Karl der Große, der mächtige Beförderer höherer Kultur in Deutschland und Frankreich, die er beide nebst Italien beherrschte, errichtete auf seinen kaiserlichen Gütern auch Backhäuser, die von Leibeigenen und ihren Frauen bedient wurden. Der Bischof Salomo von Konstanz, welcher im zehnten Jahrhundert lebte und auch Abt von St. Gallen war, hatte im letzteren Kloster einen Backofen, in welchem tausend Brote gebacken werden konnten.

Ein selbstständiges, freies Gewerbe der Bäcker entstand erst in der Zeit, da Städte in größerer Zahl gegründet wurden und in denselben sich Zünfte und Innungen der verschiedenen Handwerke bildeten.

Jetzt, wo auch der Müller und Bäcker den Dampf in seinen Dienst gezogen hat, kann man sich nur noch mit mitleidigem Lächeln der Zeiten erinnern, da beide Handwerke nur mit mühsamer Handarbeit verrichten werden konnten.

• Auf epilog.de am 29. April 2024 veröffentlicht

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