Handel & Industrie – Lebensmittelproduktion
Der Garnelenfang in der Nordsee
Illustrirte Zeitung • 14.1.1865
Das kleine Krustentier, welches die Veranlassung zu dem Bild gegeben hat, werden wohl nur wenige von unseren Lesern kennen; diejenigen unter ihnen aber, welche die Nordsee befahren und namentlich die Bäder an der hannoverischen und oldenburgischen Küste besucht haben, werden uns zugeben, dass Schwarzbrot und Butter, gekochte Garnelen und eine Tasse Tee ein recht schmackhaftes Gericht ist.
Garnelenfänger an der Nordsee.Die Garnelen gehören zur Ordnung der Krebse und bilden in ihr eine eigene Familie, die aus der gemeinen Garnele, welche in allen nordeuropäischen Meeren vorkommt, der gepanzerten Garnele des Mittelmeers, der Atya an den mexikanischen Küsten und den Granaten von den englischen und französischen Küsten bestehen.
Die gemeine Garnele, mit der wir es hier allein zu tun haben und die im gemeinen Leben häufig mit den Granaten verwechselt wird, ist 5 – 8 cm lang, ungefähr 1½ cm dick, mit einer hornartigen Schale schuppenartig bedeckt und am Kopf mit zwei langen Fühlern versehen; ihre Vermehrung übersteigt jede gewöhnliche Erwartung und ist so enorm, dass man sich veranlasst gesehen hat, sie in großen Massen zu künstlichem Dünger zu verwenden, zu welchem Zwecke an der Nordseeküste schon mehrere Etablissements bestehen. Der Fang wird das ganze Jahr hindurch betrieben und erleidet nur eine Unterbrechung, wenn bei starker Kälte sich Eis an der Meeresküste anhäuft. Die Küstenbewohner stecken ihre Beine in tüchtige Wasserstiefeln und fahren auf einer Art Stuhlschlitten ihre Körbe (Reusen) zur Ebbezeit ins Watt hinaus, wo sie dieselben an eingeschlagene Pfähle befestigen. Nachdem die Flut jene mit den kleinen Krebsen gefüllt, fahren sie zurück, um ihren Fang sogleich nach den nächsten Städtchen lebend zum Verkauf zu bringen. Da die Garnelen außerhalb des Meerwassers fast augenblicklich sterben, müssen sie sogleich bereitet werden, was wie bei unseren Krebsen einfach dadurch geschieht, dass sie, unter Beigabe von etwas Salz, lebendig in siedendes Wasser geworfen werden; sie nehmen nach dem Kochen eine hübsche fleischrote Farbe an.
Ein spekulativer oldenburgischer Landmann hat schon einmal den Versuch gemacht, Garnelen, in Kisten verpackt, nach auswärts zu versenden. Das Unternehmen musste missglücken, da die Krebse unterwegs gründlich verdarben; indessen ist die Sache wohl noch eines Versuches wert. Wenn man die Garnelen von ihrer hornartigen Umhüllung und allem sonst ungenießbaren Beiwerk befreit, in Blechbüchsen drückt, geschmolzene Butter darüber gießt und das Gefäß dann luftdicht verschließt, würde eine Versendung recht gut ausführbar sein und das Geschäft sich wohl auch lohnen.