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New Yorker Rohrpost

Der Stein der Weisen • 1898

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.

Neben dem heute als motorische Kraft noch die Welt beherrschenden Dampf, dessen Vorherrschaft übrigens allmählich, aber sicher in nicht gar zu ferner Zeit, der jüngeren Energie – der Elektrizität – als eigentliche Zukunftskraft wird weichen müssen, ist außer einigen weniger in Betracht kommenden insbesondere ein Treibmittel auf mannigfachem Gebiete mit Erfolg angewandt worden, nämlich die komprimierte Luft, auch Press- oder Druckluft genannt. Ohne aber neu zu sein, ist die Fortbewegung von kleineren Gegenständen, welche in eigens geformte Kapseln eingeschlossen werden, in dicht schließenden Röhren durch die in letzteren unter mehratmosphärischem Druck stehende Luft ein bereits allseits glücklich gelöstes Problem und die an mehreren Hauptorten des Verkehrs damit gemachten, sehr günstigen Erfahrungen lassen eine immer weiter gehende Anwendung und Verbesserung der bestehenden Systeme zu. Tatsächlich gibt es – wir erwähnen nur Frankreich, mit Paris an der Spitze, und die in phänomenalem Aufschwung begriffenen Riesenstädte der nordamerikanischen Union – außer den kleineren, bekannten pneumatischen Rohranlagen zur Beförderung der interurbanen Posten, noch Druckluftstationen, welche aus mächtigen Kompressoren die treibende Pressluft zu den in verschiedenen Stärkeverhältnissen gebauten Motoren leiten, welche wieder die Transmission auf die Arbeitsmaschinen besorgen. In weitere Kreise ist endlich auch die Kenntnis über die Anwendung der Pressluft bei den pneumatischen Lokomotiven und als Kuriosum bei den pneumatischen Kanonen gedrungen.

Als älteste pneumatische Lokomotion sind wohl die Rohrpostnetze nutzbar in die Dienste des Verkehrs gestellt und umfangreicher verwendet worden, indem u. A. die auf verschiedenen technischen Gebieten bahnbrechend wirkende Berliner Firma Siemens & Halske bereits als Erste im Jahr 1865 zu Berlin ein pneumatisches Rohrnetz installierte, das obigem beschränkten Zweck diente. Der Natur der Sache nach waren die Röhren dieser Anlage im Duplexsystem mit zwei schleifenartig aneinander geschlossenen Röhren, in deren jeder ein pneumatischer Zug nach einer Richtung verkehren konnte, indem die komprimierte Luft bei einem Ende des Rohrstranges eingepresst wurde, um nach Beförderung der eingelegten Kapsel mit den Korrespondenzen am anderen Ende wieder zu entweichen, von noch ziemlich geringem Querschnitt – ca. 7 cm. Derartige auch in Paris, London etc. existierende Anlagen waren nur zur schnellen Beförderung der innerstädtischen Telegramme, dringende Briefe u. dgl., und z. B.  in Berlin vom Telegrafenamt zur Börse und umgekehrt auf eine Distanz von 1800 m im Betrieb. Aus dem Kern der Berliner Anlage entwickelte sich dort das heutige Rohrpostnetz mit vierzig Stationen und von mehr als 50 km Betriebslänge, wobei die Röhren 7 cm im lichten Durchmesser weisen.

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• Auf epilog.de am 14. Mai 2024 veröffentlicht

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