DaseinsvorsorgeWasserwirtschaft

Neue Bewässerungskanäle in Frankreich

Zentralblatt der Bauverwaltung • 6.5.1882

Die Verheerungen, welche die Reblaus in den Weingärten Frankreichs angerichtet hat, geben in doppelter Weise Veranlassung, mit dem Bau von Bewässerungskanälen rasch und kräftig vorzugehen. Als beste Hilfe gegen die Weiterverbreitung jenes gefährlichen Insektes hat sich die Unterwassersetzung der Rebenfelder erwiesen. Während der Wintermonate muss man 40 – 50 Tage lang eine etwa 1 m hohe Wasserschicht auf den infizierten Grundstücken stehenlassen, um mit einiger Sicherheit auf die Vernichtung der Winterbrut rechnen zu können. Die hierzu notwendige Wassermasse, 10 000 m³ pro Hektar lässt sich nur an wenigen Stellen der Weinbaulandschaften aus natürlichen Wasserläufen unmittelbar entnehmen. Auch die vorhandenen künstlichen Bewässerungskanäle genügen dem Bedarf nur zum kleinsten Teil. Dort wo der Weinbau bereits vollständig zerstört ist, z. B. im Departement Vaucluse, zeigt sich aber gleichfalls eine bedeutende Erweiterung der Bewässerungsanlagen erforderlich, weil die neuen Kulturarten, zu denen überzugehen man sich gezwungen sah, nämlich der Wiesen-, Klee- und Getreidebau eine weit größere Wassermenge erfordern, als für die Weingärten erforderlich war. Mit der Ausführung des großen Kanals, welcher 50 m³ Wasser in der Sekunde aus der Rhône entnehmen und mit einer Gesamtlänge von 450 km über die zu beiden Seiten jenes Stroms und am Nordufer des Mittelmeers gelegenen Departements Ardèche, Drôme, Gard und Hérault verteilen soll, wird dem Vernehmen nach demnächst begonnen. Um eine Vorstellung von den Verheerungen der Reblaus zu gewinnen, sei angeführt, dass in diesen 4 Departements früher 352 000 ha Weingärten vorhanden waren, gegenwärtig aber nur noch 119 000 ha, so dass also 233 000 ha Rebenfelder im Wert von 580 Mill. Franc, vernichtet sind. Auch in der Provence befinden sich mehrere neue Kanäle bereits im Bau, z. B. bei Nizza der Vésubie-Kanal und bei Cannes der Siagne-Kanal.

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte. Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 124 Seiten | ISBN: 978-3-7543-5702-6

• Auf epilog.de am 12. November 2021 veröffentlicht

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