DaseinsvorsorgeWasserwirtschaft

Fischpass bei Hameln

Zentralblatt der Bauverwaltung • 8.10.1890

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Die Wehre bei Hameln, welche den durch die Werderinsel in zwei Arme geteilten Weserstrom in zwei Stücken von 200 m bzw. 150 m Länge mit einem Niedrigwassergefälle von 2,25 m durchsetzen, sind die einzigen in der Weser. Durch sie wurde den früher zahlreich vertretenen, neuerdings selteneren Lachsen der Aufstieg zu den Laichplätzen sehr erschwert. Beim Umbau der alten baufälligen Holzwehre durch einen unmittelbar vor denselben errichteten massiven Körper von Beton mit Quaderabdeckung wurde deshalb in der Mitte des oberen Wehres, welches in dem breiteren und vorwiegend von den Lachsen benutzten linken Stromarm liegt, als Ersatz für den am oberen Uferanschluss desselben früher hergestellten, unwirksamen Fischpass ein neuer nach dem vom Wasserbauinspektor Keller entworfenen und im Ministerium der öffentlichen Arbeiten festgestellten Plan in Cails Bauart angelegt, welcher den zu stellenden Anforderungen entsprochen hat. Als Hauptgründe für den günstigen Erfolg dürften die richtig gewählten Abmessungen, die Lage mitten im Strom und die den Fischen gegebene Möglichkeit, den Pass schwimmend zu überwinden, anzusehen sein.

LageplanAbb. 1. Lageplan.

Das in den beigefügten Abb. 1 u. 2 dargestellte Bauwerk ist in Zement-Kiesbeton ausgeführt, nur der dem Eisgang ausgesetzte Teil der Wangen, die obere 50 cm starke Abdeckung derselben und die Bekleidung der Ecken bestehen aus Sandstein-Quadern. Der Fundamentkörper ist an der Oberwasserseite durch eine Spundwand gesichert, welche während der Bauausführung von einem 2 m breiten Tonfangdamm umgeben war; die völlige Trockenlegung der Baugrube wurde auf diese Weise ermöglicht.

Die Größe der einzelnen, durch die ›Sperren‹ getrennten Becken beträgt 2,40 × 2,70 m, die Tiefe 0,75 m, der Höhenabstand der Wasserspiegel in denselben 0,33 m. Die Sperren sind wie das übrige Bauwerk in Beton ausgeführt.

Da die Sohle des Fischpasses etwa 1,5 m über derjenigen des Flusses im Oberwasser liegt, so findet eine Verunreinigung des Passes kaum statt, und es konnte deshalb von der Anordnung beweglicher Sperren abgesehen werden. Nur selten treiben Buschkörper durch die Eintrittsöffnung des Oberwassers, welche aber leicht zu entfernen sind, womit eine Hauptbedingung für die Wirksamkeit der Cailschen Treppen erfüllt ist.

Die Kanten der Schlupflöcher in den Sperren sind gehörig abgerundet, um die Zusammenpressung des Wassers an diesen Stellen zu ermäßigen und Beschädigungen der Fische zu verhüten. Die Größe der Löcher in den fünf unteren Sperren beträgt 0,35 × 0,35 m, in den beiden oberen 0,35 × 0,51 m und in der Austrittsöffnung 0,35 × 0,55 m. In den Wangenmauern sind seitliche Öffnungen angebracht, welche als Hilfsspeisungen bei höheren Wasserständen dienen. Zum Schutze gegen Eisgang und Unfug oder Diebstahl ist der Lichtraum im Innern durch einen Rost von starken -Eisen abgedeckt.

SchnitteAbb. 2. Querschnitt, Längenschnitt und Grundriss.

Da nach Lage der örtlichen Verhältnisse der Wasserverlust für gewöhnlich nicht in Frage kommt, so ist der Pass das ganze Jahr hindurch geöffnet; nur bei den ausnahmsweise unter 2,25 m im Oberwasserspiegel sinkenden Wasserständen kann der Pass durch ein Schütz geschlossen werden, da dann bei trocken liegendem Wehr der Aufstieg ohnehin gänzlich ruht. Als höchster Oberwasserstand, für welchen der Pass noch benutzbar sein soll, ist 2,80 m am Oberpegel anzunehmen, welchem 1,50 m im Unterwasser entspricht; bei höher steigendem Wasser können die Fische ohne weiteres aufschwimmen.

Die Baukosten, welche 21 130 Mark oder 46 Mark für 1 m³ des Bauwerks betragen haben, sind wesentlich beeinflusst durch die gediegene Herstellung, welche in Rücksicht auf die dem Eisgang stark ausgesetzte Lage geboten war. In der Tat hat denn auch das Bauwerk bereits mehrfach starkem Eisdruck widerstanden, ohne Beschädigungen zu erleiden. Die Bauausführung erfolgte im Anschluss an diejenige des Wehres unter Leitung des Baurats Meyer.

Bereits wenige Stunden nach der Öffnung im September 1887 suchten mehrere Lachse den Fischpass auf, und auch späterhin wurde ein sehr lebhafter Aufstieg von Lachsen beobachtet. In den sehr warmen Maimonaten der Jahre 1888 und 1889 zeigte sich eine höchst bemerkenswerte Erscheinung, indem sämtliche Becken mit verschiedenen Fischarten, namentlich Barben, Weißfischen, Kühlingen und Barschen dicht gedrängt angefüllt waren. Im Juni desselben Jahres wurde während der Abendstunden der Aufstieg zahlreicher jungen Aale von 15 – 25 cm Länge und 0,6 – 1,0 cm Dicke beobachtet, von welchen die Becken ebenfalls zeitweilig in dichten Knäueln angefüllt waren.

SperrenAbb. 3. Sperren.

Die Fische schwimmen meistens durch die Löcher, seltener findet ein Überspringen der Sperren statt. Die scharfe Strömung in den unteren Sperrlöchern, welche des starken Strudels wegen notwendig ist, um die Fische aus dem Unterwasser anzulocken, bereitet freilich Schwierigkeiten, so dass das Durchschwimmen erst nach mehrfachen Versuchen gelingt. Die Fische brauchen deshalb mehrere Stunden, um den ganzen Pass zu nehmen und müssen oft längere Ruhepausen machen, wobei sie mit Vorliebe die Stelle dicht unterhalb der Sperrmauern benutzen, welche deshalb zweckmäßig nischenartig zu gestalten wäre.

Die Gegenströmung, welche durch das Versetzen der Löcher bedingt wird, erscheint insofern ungünstig, als in den Sperrlöchern eine schräg gerichtete Strömung herrscht, und die Fische verwirrt werden (Abb. 3 links). Diesem Übelstand könnte durch kurze Nebensperren (Abb. 3 rechts) senkrecht zu den Hauptsperren abgeholfen werden, da die Gegenströmung durch solche erheblich gemildert, bei a und a₁ Stauwasser hergestellt und so ein gleichmäßiges Durchströmen der Schlupflöcher bewirkt wird.

• Hellmuth, Königl. Wasserbauinspektor.

• Auf epilog.de am 13. Mai 2024 veröffentlicht

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