VerkehrStraßenverkehr

Motor-Droschken

Das Neue Universum • 1897

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

In letzter Zeit sind die ersten Mietdroschken mit Gasmotorenbetrieb dem Publikum zur Verfügung gestellt worden; eine solche ist in dem untenstehenden Bild dargestellt, woraus ersichtlich ist, dass sie dem Bau nach der gewöhnlichen Mietdroschke sehr ähnlich ist. Die Länge des ganzen Fuhrwerks beträgt etwa 3 m, wogegen die einer gewöhnlichen Droschke mit Pferd zu 5 m anzunehmen ist. Hieraus folgt, dass durch die Einführung von derartigen Motorwagen der Verkehr in den Straßen der Großstädte wesentlich erleichtert werden wird. Auch entspringt ein wichtiger Vorteil noch aus dem Umstand, dass der Führer eines solchen Wagens den zu dessen Betrieb dienenden Motor viel mehr in der Gewalt hat als ein Kutscher sein oft störriges Pferd. Das Innere des Motorwagens ist sehr bequem eingerichtet, es bietet auf dem Sitze für zwei Fahrgäste reichlichen Platz, während für eine dritte Person vorn ein Klappsitz vorhanden ist.

Die erste MotordroschkeDie erste Motordroschke.

Der Betrieb des Gefährts erfolgt durch einen einzylindrigen Petroleummotor, der sich am Hinterteil des Wagens in einem kastenartigen Behälter befindet. Dieser in dem gewöhnlichen Viertakt der Gasmaschinen arbeitende Motor wird aus einem besonderen Behälter mit einem leicht entzündlichen Gemisch von leichtem Petroleum und Luft gespeist; die Entzündung erfolgt mittelst Elektrizität. Das verbrannte Gas entweicht nach der im Zylinder des Motors verrichteten Arbeit unterhalb des Wagens in die Luft, wobei durch eine besondere Vorrichtung das Geräusch des auspuffenden Gases gedämpft wird. Der Petroleumvorrat, welcher dem Wagen mit auf den Weg gegeben wird, beträgt 15 l. Die Kühlhaltung des Motorzylinders wird durch 50 l Wasser bewirkt, die sich in zwei seitlich im Wagenkasten angebrachten Behältern befinden. Der von der Erhitzung des Zylinders entwickelte Wasserdampf zirkuliert um ein Röhrensystem, welches horizontal in einer Kammer über dem Motorkasten angebracht ist. Durch die Bewegung des Wagens wird eine rasche Luftzirkulation im Inneren dieses Röhrensystems herbeigeführt, wodurch die Abkühlung und Kondensation des Dampfes bewirkt wird. Die Leistungsfähigkeit des Motors beträgt im Maximum 5 PS; seine Bewegung wird durch ein System von Riemenscheiben, welche auf eine Vorgelegswelle einwirken, mittelst einer Gollschen Kette auf die Achse der Hinterräder übertragen. Durch diese Kombination wird erreicht, dass die Einwirkung des Motors auf die Wagenräder und somit das Anhalten des Wagens sofort veranlasst werden kann, ohne dass man den Motor außer Betrieb zu setzen braucht; auch kann man mit dieser Vorrichtung die gewöhnliche Geschwindigkeit leicht zwischen 10 – 12 km/h und die größte Geschwindigkeit zwischen 22 – 24 km/h verändern. Die mittleren Geschwindigkeiten werden durch Regulierung der motorischen Gasmischung erhalten.

Durch das Gleiten der Riemen wird die Regulierung der Geschwindigkeit befördert und die Wirkung der Stöße gemildert, welche von den Unebenheiten der Fahrstraße, sowie von den häufigen Geschwindigkeitswechseln herrühren.

Die Bewegung überträgt sich auf die Hinterräder durch eine Differentialbewegung, und die Vorderräder, welche zum Lenken des Wagens dienen, werden durch ein inmitten des Wagens auf einer Achse angebrachtes Schwungrad angetrieben. Der Wagenführer hat seinen Platz auf dem Kutschersitz, so dass er den Wagen lenken und gleichzeitig die Geschwindigkeitsregulierung sowie gelegentlich das Anhalten des Wagens besorgen kann. Unterhalb seines Sitzes befindet sich die Reguliervorrichtung zur Mischung von Petroleum und Luft sowie der Hebel zur Bewegung des zwischen Motorzylinder und Mischgefäß befindlichen Ventils. Außerdem ist ein Pedal zur Bewegung der auf die Achse der Hinterräder einwirkenden Bremse vorhanden, welche aus einer Scheibe mit Bremsband besteht und durch welche der Wagen rasch angehalten werden kann. Das Gesamtgewicht des Wagens beträgt 900 kg.

In den beiden anderen Abbildungen führen wir unsern Lesern noch zwei ebenfalls mit Petroleummotoren versehene Wagen vor, welche bei der 1896 in Paris veranstalteten Preiswettfahrt erste Preise gewonnen haben, indem sie die Strecke zwischen Paris und Marseille hin und zurück, also insgesamt nahezu 1690 km, in der kürzesten Zeit, und zwar mit einer Fahrgeschwindigkeit von 25,2 km/h bzw. 24,6 km/h zurückgelegt haben.

Panhard & Levassors MotorwagenPanhard & Levassors Motorwagen. 1. Preis.
Panhard & Levassors MotorwagenPanhard & Levassors Motorwagen. 2. Preis.

Die beiden prämiierten Wagen sind in unseren Abbildungen mit den Modellnummern 6 und 8 dargestellt. Beide Wagen sind mit einem zweizylindrigen Petroleummotor von 4 PS versehen. Die horizontalen Zylinder sind am Hinterteil des Wagens angebracht. Die Entzündung des Petroleumdampfes hinter den Treibkolben wird mittelst der jetzt bei diesen Motoren, sowie auch bei den Gasmotoren fast allgemein gebräuchlichen Glühzünder bewirkt, wobei eine in den Zylinder hineinragende dünne Platinröhre durch eine Flamme zum Glühen gebracht wird. Die Räder der Wagen sind mit Pneumatiks versehen.

• Auf epilog.de am 5. April 2023 veröffentlicht

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