Handel & IndustrieMaschinenbau

Maschinenhalle mit Luftkompressoren

Der Stein der Weisen • 1891

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Die Anwendung der Kompressionspumpe als Krafterzeugerin für gewerbliche Arbeiten ist bekanntlich eine Erfindung der jüngsten Zeit, welche von Paris aus auch in Deutschland und Österreich Verwertung gefunden hat. Die diesbezüglichen Bestrebungen zielen darauf hinaus, die komprimierte oder Pressluft als Träger für die Kraftverteilung von Zentralen aus über mehr oder minder ausgedehnte Gebiete zu verwenden. Das Bestreben selbst, Kraft an nur einigen wenigen Zentralen zu erzeugen und dann von hier aus den Verbrauchsstellen zuzuführen, findet seine vollgültige Begründung in verschiedenen Umständen. Es mag diesbezüglich hier nur angedeutet werden, dass hierdurch Kraft viel billiger erzeugt werden kann, da große Anlagen viel ökonomischer arbeiten als kleine, dass ferner an den Kraftverbrauchsstellen (Werkstätten usw.) die Anlage von Feuerungen und Aufstellung von Dampfkesseln entfällt, was nicht nur vom sanitären und Sicherheitsstandpunkt aus sehr wünschenswert erscheint, sondern auch vom finanziellen Standpunkt aus in Betracht kommt. Überdies ermöglicht die Kraftverteilung von einer Zentrale aus auch die Anteilnahme kleiner Abnehmer, die für ihren geringen Kraftbedarf keine eigene Maschinenanlage ausführen können und daher mit der viel kostspieligeren Menschenkraft arbeiten müssen. Die Befreiung von Kessel und Schornstein hat ferner auch die Befreiung von dem Gebundensein an die Scholle zur Folge, da der Motor allein (d. h. ohne Dampfkesselanlage) in jedem beliebigen Lokal aufgestellt und in jedes beliebige Lokal überführt werden kann, geradeso wie die anderen Einrichtungen einer Werkstätte.

Was nun die verschiedenen Methoden derartiger Krafterzeugung und Verteilung (durch Druckwasser, Dampf, Leuchtgas, komprimierte Luft und Elektrizität) anbelangt, so kann hier natürlich nicht auf eine Vergleichung derselben eingegangen werden, sondern soll an dieser Stelle nur die Kraftverteilung durch komprimierte oder Pressluft, wie selbe z. B. in Paris nach dem System V. Popp in größerem Maßstab bereits ausgeführt ist und anstandslos fungiert, etwas näher in Betracht gezogen werden.

Als spezielle Vorteile der Anwendung von Pressluft führt Prof. Radinger an, dass diese in einfachster Weise unmittelbar zum Ventilieren der Räume dienen kann, indem man sie entweder allein oder mit Außenluft (die sie sich selbst zusaugt) gemischt einströmen lässt. Für Kupol- und andere Schmelzöfen und Windfeuer ist die Pressluft ebenso wertvoll als für die Förderung gewerbehygienischer Vorkehrungen, wie z. B. Wegblasen des Farbstaubs in Buntpapierfabriken, des Steinstaubs in Schleifereien usw. Weitere spezielle Anwendungen der Pressluft sind das unmittelbare, d. h. nicht erst durch Einschalten von Pumpen vermittelte Empordrücken von Bier und Wein aus den Kellern in die Schanklokale der Gasthäuser, das Hinaufdrücken von Wasser in hochgelegene Behälter, das direkte Hinauspressen eines Wasserstrahles zu Feuerlöschzwecken, ihre Anwendung zum Ausblasen und zur Entleerung der Senkgruben, zum Betrieb der pneumatischen Uhren usw. Endlich kann die Eigentümlichkeit der Luft, sich beim Expandieren in der Luftmaschine, d. h. bei der Abgabe mechanischer Arbeit, sehr beträchtlich abzukühlen, in hervorragender Weise zu Kühlzwecken ausgenützt werden.

In unmittelbarer Nähe von Paris ist die große Zentralanlage Usine de St. Fargeau errichtet, welche gegenwärtig mittelst 11 Dampfkesseln und 8 Dampfmaschinen die Luftkompressoren betreibt. In unserem Vollbild ist die Maschinenhalle, in welcher die Dampfmaschinen, Kompressoren und Windkessel Aufstellung gefunden haben, abgebildet. maschinenhalle-luftkompressorenMaschinenhalle mit Luftkompressoren Die Kompressoren sind zweizylindrig und erhalten ihren Antrieb durch die Dampfmaschine in der Weise, dass die Kompressorkolben an die verlängerten Kolbenstangen der Dampfzylinder angebracht sind. Die Einströmventile der Kompressionszylinder bestehen aus Bronzeplatten, welche die Stopfbüchsen umschließen und durch Reibung an den Kolbenstangen in ihrer Bewegung unterstützt werden. Die Druckventile sind einfache federbelastete Platten und lassen die Luft durch das oben am Zylinder angegossene Abströmrohr abfließen. Da die Luft beim Zusammenpressen stets bedeutend erwärmt wird, was den Gang der Maschine auf die Dauer unmöglich machen würde, muss bei allen Kompressoren für entsprechende Kühlung ausgiebig Sorge getragen werden. In unserem Fall wird dies durch Einführung einer geringen Wassermenge unten in die Zylinder während der Saugperiode bewirkt und dadurch erreicht, dass die Luft, welche beim Einsaugen eine Temperatur von 26 ° besitzt, nach der Kompression doch nur mit 52 ° in die Windkessel gelangt. Es wird also hierbei ein Teil der aufgewandten Arbeit in unnütze Wärme umgesetzt, geht also verloren.

Dieser Verlust, der 23 % beträgt, kann teilweise wieder hereingebracht werden, wenn man das warm gewordene Einspritzwasser mit zur Kesselspeisung verwendet.

Die von den Kompressoren gelieferte Pressluft wird mit einer Spannung von 6 Atmosphären in 8 Windkessel geleitet und strömt dann von hier aus durch das Rohrnetz den einzelnen Abnehmern in der Stadt zu. Diese Windkessel liegen zum Teil zu je zweien übereinander an der Gebäudewand in der Maschinenhalle und besitzen einen Durchmesser von je 1,8 m bei je 12,7 m Länge, so dass also jeder Windkessel einen Raum von ungefähr 32,5 m³ einschließt. Zwischenrohre verbinden die einzelnen Windkessel untereinander, doch kann andererseits jeder einzelne mittelst entsprechend angeordneter Schieber für sich ausgeschaltet werden. Durch diese Kessel wird ein vollständig gleichmäßiger Druck erzielt, die gänzliche Abkühlung der Luft und der Niederschlag des mitgerissenen Wassers erreicht.

Die Rohrleitung ist aus Gusseisen hergestellt, und zwar für das 8 km lange Hauptrohr mit einem Durchmesser von 30 cm, während der Durchmesser der letzten Ausläufer nur mehr 4 cm beträgt. Das ganze Rohrnetz ist 36 km lang. Der größte Teil dieser Rohre liegt in den weiten und befahrbaren Straßenkanälen (égouts), und zwar an deren Decke aufgehängt, so dass sie wie deren zweckmäßig verteilte Absperrschieber leicht zugänglich und überwachbar sind. Zur Zeit des stärksten Betriebes strömen 18 000 m³ Luft in der Stunde durch die 30 cm weiten Hauptrohre, was einer Geschwindigkeit von 10,1 m/s entspricht. Der Druckverlust, welcher durch Registriermanometer in Werkstätten und an verschiedenen der größeren Abgabestellen dauernd kontrolliert wird, ergebt sich zu Zeiten geringen Betriebs fast mit Null, während er bei stärkstem Betrieb noch nicht eine Atmosphäre erreicht. Die Entnahme der komprimierten Luft aus der Rohrleitung an den einzelnen Verwendungsstellen geschieht nun, wie bei der Leuchtgasleitung, durch Einführung eines Zweigrohres unter Einschaltung eines Messapparates und ersteres führt (das Dampfrohr vom Dampfkessel her ersetzend) zum Motor. Dieser ist in der Regel eine normale Dampfmaschine, deren Kolben von der gespannten Luft ebenso unter Ausnützung der Expansion betrieben wird, wie es sonst vom Dampf geschieht; nur für ganz kleine Motoren (unter 2 PS) gelangen Rotationsmaschinen zur Anwendung. Vor dem Motor sind stets ein Reduzierventil und ein kleiner Wind-Erwärmungsofen eingeschaltet. Durch das erstere wird die Pressung von 6 Atmosphären in der Hauptrohrleitung auf 4 bis 4 ½ Atmosphären für den Motorenbetrieb ermäßigt. Der Wind-Erwärmungsofen ist notwendig, weil die in der Maschine von 4 bis auf 1 Atmosphäre Druck sich ausdehnende Luft hierbei um beiläufig 70 °C abgekühlt wird, und da sie feucht erzeugt und verwendet wird, muss sie um die Höhe des zu erwartenden Temperatursturzes vorgewärmt werden, um die Eisbildung im Ausströmrohr hintanzuhalten Abgesehen von einigen seltenen Fällen, in welchen die kalte Luft zu Kühlzwecken Verwendung finden kann, ist die nicht zu umgehende Vorwärmung als ein Nachtheil zu betrachten, der mit der Verwendung der Druckluft zum Betrieb von Motoren verbunden ist. Die Heizung des Windofens erfolgt bei kleinen Anlagen durch Gasbrenner, bei großen durch ein Kohlenfeuer.

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte. Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 124 Seiten | ISBN: 978-3-7543-5702-6

• Auf epilog.de am 28. September 2021 veröffentlicht

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