VerkehrSchifffahrt

Der Leuchtturm auf dem Roter Sand
in der Wesermündung

Zentralblatt der Bauverwaltung • 2.6.1883

Voraussichtliche Lesezeit rund 8 Minuten.

Seit der  Zerstörung des für einen Leuchtturm auf dem ›Roter Sand‹ in der Wesermündung bestimmten Fundamentes sind ungefähr 1½ Jahre verflossen und wieder sind die Arbeiten so weit gediehen, dass die Ausfahrt und Versenkung des zweiten Caissons, ganz ähnlich dem beim ersten Versuch verwendeten, vor kurzem erfolgen konnte. Mit Berücksichtigung der früher gemachten Erfahrungen wird es hoffentlich gelingen, den schon lange ersehnten Leuchtturm auf diesem zweiten Fundament zu vollenden. Die Aktiengesellschaft Harkort in Duisburg hat es übernommen, unter Tragung aller Gefahren den Leuchtturm, mit Ausschluss des Leuchtapparates, für die Summe von 853 000 Mark fertig herzustellen.

Leuchtturm Roter Sand

Der Entwurf des jetzt zur Ausführung, bestimmten Turms, dessen Querschnitt, wie er im fertigen Zustand sich darstellen wird, beistehend gegeben ist, rührt, ebenso wie der frühere, von Baurat Hanckes in Bremerhaven her zeigt jedoch gegenüber dem ersten,  hier näher besprochenen Plan einige Abweichungen. Die Abmessungen des eigentlichen Fundamentes sind etwas vergrößert, Länge 14,072 m gegen 13,56 m, Breite 11,0 gegen 10,5 m. Die neue Grundfläche beträgt ungefähr 114 m². Der über dem Caisson angeordnete Schutzmantel soll nach oben hin allmählich so verlängert werden, dass derselbe bis + 10,5 m reicht, also eine Gesamthöhe von 2,0 + 10,5 = 32,5 m erhalten wird. Der etwa 9,0 m hohe, im Querschnitt punktiert angedeuteten Teil, welcher lediglich dazu dienen soll, das Hineinschlagen der Wellen in den Fundamentraum unter allen Umständen zu verhindern, wird nach Vollendung der Absenkung und Herstellung des Turmbaus wieder beseitigt. Statt der bei der ersten Ausführung angewendeten Aussteifung des Blechmantels mittels Holzkonstruktionen ist es vorgezogen worden, dieselbe durch eine genügende Anzahl kräftiger, 32 cm hoher H-Eisen zu bewirken, die durch starke horizontale Ringträger von 40 cm Höhe in Abständen von je 3,0 m ihrerseits eine Aussteifung erhalten. Vorder- und Hintersteven sind besonders kräftig gestaltet. Die Blechfelder, welche durch die senkrechten Spanten und die Ringträger begrenzt werden, erhalten noch besondere Aussteifung durch angebrachte Winkeleisen. Der Mantel wird in seinem unteren Teile aus Blechen von 8 mm Stärke, in der Ebbelinie, von − 0,5 m bis + 1,5 m, aus solchen von 10 mm Stärke gebildet. Der durch den Blechmantel umhüllte Fundamentraum über der Arbeitskammer ist außerdem durch zwei Querwände in drei Räume von fast gleicher Grundfläche geteilt. Die Querwände sind parallel der kurzen Achse angeordnet und stehen 3,86 m voneinander entfernt, so dass sie den 1,0 m im Durchmesser weiten Förderschacht zwischen sich haben. Nach vollständiger Senkung ragen diese Querwände bis zur Ebbelinie.

Bei der Ausfahrt betrug die Gesamthöhe des Fundamentkörpers 18,76 m, derselbe ragte demnach, da er 6,5 m Tiefgang hatte, 12,26 m über den Wasserspiegel empor. Der Tiefgang von 6,5 m, welcher nicht überschritten werden durfte, wurde dadurch gesichert, dass zu beiden Seiten luftdichte Tanks oder Blasen von je 50 m³ Inhalt angebracht, waren, die vor dem Absenken des Caissons an Ort und Stelle beseitigt wurden. Auf die Decke des Arbeitsraums, die durch kräftige Träger und Konsolen so gestützt wird, dass die Last des ganzen Betonfundamentes vor Ausfüllung des Arbeitsraumes von derselben aufgenommen werden kann, ward zur Erhöhung der Stabilität des schwimmenden Fundaments eine 0,75 m hohe Betonschicht vor der Ausfahrt aufgebracht.

Leuchtturm Roter Sand

Da die Wasserstände außerhalb und innerhalb des Mantels während der Absenkung meistens ungleiche Höhe haben werden, so sind Verbiegungen des Mantels nicht ausgeschlossen. Um denselben zu begegnen, sind Längenanker angeordnet, welche Zug- und Druck aufnehmen können. Diese Anker bestehen aus je 4 Winkeleisen 8 / 8 mit Flacheisen von 16 cm Höhe und spalten sich in der Mitte, den Förderschacht umfassend.

Die Absenkung erfolgte – ebenso wie bei dem ersten Fundament und in der Nähe dieser ersten Baustelle – nach gehöriger Verankerung bei etwa 8,0 m Wassertiefe, durch Einlassen von Wasser in den Fundamentraum. Die Umgebung des Caissons wird dann sofort mittels Buschlagen und aufgebrachten Beschwerungsmaterials gegen Abspülung geschützt. Entsprechend den gemachten Erfahrungen soll die Einbringung des Betons, welcher unter Verwendung besten Portland-Zements hergestellt wird, gegenüber der Absenkung bevorzugt werden und ist daher namentlich auf Ausstattung des Fundamentes mit vollkommenen Hebevorrichtungen usw. neben den zur pneumatischen Absenkung erforderlichen Einrichtungen, besondere Rücksicht genommen, um die sehr zeitraubende Betonierung tunlichst rasch fördern zu können. Der während der pneumatischen Absenkung gewonnene Sand, welcher, sofern er sich dazu eignet, bei der Betonbereitung wieder Verwendung finden soll, wird entweder im Förderschacht gehoben und ausgeschleust oder mittels Gebläse beseitigt. Die Absenkung erfolgt wieder bis − 22,0; das eigentliche Fundament, aus Beton und Mauerwerk gebildet, reicht bis + 1,76. Von + 1,76 bis + 8,0 ist abweichend vom früheren Entwurf eine Umhüllung der Basis des Turms durch 20 mm starke Gusseisenplatten vorgesehen; die Basis hat unten einen Durchmesser von 10,3 m, oben einen solchen von 6,4 m, ist ausgemauert und enthält die beiden vorgesehenen Zisternen. Die Fläche zwischen der kreisförmigen Basis und dem eigentlichen Fundament wird in der Höhe von + 1,76 durch aufgepasste, gut verankerte Platten gedeckt. Bei + 8,0 beginnt der eigentliche Turm, der in seiner Gestalt von dem  1882 abgebildeten nicht abweicht; nur liegt die Laterne um 1,0 m höher, auf + 26,0 m. Der Turm wird aus zwölf kräftigen, schmiedeeisernen Ständern gebildet, welche durch die Zwischendecken eine gehörige Aussteifung erhalten. Die Ständer, welche mittels 6 cm starken Ankern an dem eigentlichen Fundament befestigt sind, erhalten eine 10 mm starke Blechverkleidung. Es sind zwei Zugänge zum Turm angeordnet, von welchen aus Leitern bis zum eigentlichen Fundament hinabführen. Der Wohnraum und die Küche werden durch mehrfache Holzwände gegen die Witterungseinflüsse geschützt.

Der Förderschacht, nur bis − 5,0 ausbetoniert, wird durch eine, Röhre mit dem Außenwasser in dieser Tiefe in Verbindung gebracht und dient zur Aufnahme eines Schwimmers, durch welchen in selbstregistrierender Weise die Wasserstände verzeichnet werden sollen. Der Untergrund um den Turm herum soll in einer Breite von 15 m mit Buschwerk befestigt werden, welches eine Stärke von 0,75 m erhält und durchschnittlich 0,5 m hoch mit Steinen oder Eisen bedeckt werden wird. Die zu verwendenden Steine dürfen nicht unter 50 kg das Stück wiegen, und das spezifische Gewicht des Belastungsmaterials soll mindestens 2,25 betragen.

Hinsichtlich der Zeit, in welcher der Bau ausgeführt werden soll, ist festgesetzt:

  1. dass am 1. April 1883 der Caisson zur Ausfahrt bereitliegen muss; (die Ausfahrt und Versenkung ist in diesen Tagen glücklich vonstattengegangen und die Betonierungsarbeit sofort in Angriff genommen.)
  2. dass im Sommer 1883 die Absenkung vollendet wird und das ganze Fundament mit Beton und Mauerwerk gefüllt ist, so dass die Maschinen entfernt werden können und das Bauwerk vor einer Zerstörung durch Eisgang gesichert ist;
  3. dass im Laufe des Jahres 1884 der eigentliche Turmbau so gefördert wird, dass am 1. Oktober 1884 der Leuchtapparat aufgestellt werden kann;
  4. dass am 15. Oktober 1884 das fertige Bauwerk abgeliefert wird.

Wünschen wir, dass die Witterungsverhältnisse für diesen zweiten Versuch sich günstiger als beim ersten gestalten, und dass das Vertrauen, welches die zuständige Behörde sowohl wie die Unternehmer dem vortrefflichen Plan entgegenbringen, glänzend gerechtfertigt werde. Möge der Leuchtturm zur festgesetzten Zeit sein Licht spenden – der Schifffahrt zum Nutzen, dem Erbauer zur Ehre!

Entnommen aus dem Buch:
Mitten im Watt entstand 1854 – 56 der Leuchtturm auf der Sandbank ›Hohe Weg‹. 30 Jahre später wurde dann am ›Roter Sand‹ das erste Offshore-Bauwerk der Welt errichtet. Hier schildern die verantwortlichen Baumeister aus erster Hand, wie sie noch nie dagewesene Herausforderungen meistern mussten und den Launen der Nordsee getrotzt haben.
  PDF-Leseprobe € 12,90 | 80 Seiten | ISBN: 978-3-7519-2217-3

• Auf epilog.de am 30. April 2023 veröffentlicht

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