VerkehrSchifffahrt

Dampfjachten

Das Neue Universum • 1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.

Die Vervollkommnung der kleinen Dampfboote ist in letzter Zeit der Vollkommenheit selbst nahe gebracht worden. Wir haben unseren Lesern schon ein Beispiel davon vorgeführt, was in Bezug auf Herstellung möglichst kleiner Dampfboote geleistet worden ist, und eine Abbildung des  ›kleinsten Dampfbootes der Welt‹ gebracht.

DampfjachtDampfjacht (30 m lang).

In Bezug auf denselben Gegenstand wollen wir diesmal unseren Lesern verschiedene gegenwärtig in Amerika gebaute Dampfboote vorführen, welches Land in dieser Beziehung gewiss am weitesten vorgeschritten ist. Diejenige Firma, welche darin das meiste geleistet hat, ist die der Herreshoff und Manufacturing Company.

Die Boote dieser Aktiengesellschaft, deren Werkstätten in Bristol, Rhode Island an der Narragansett Bay gelegen sind, zeichnen sich durch Eleganz, Sicherheit und Schnelligkeit aus. Ihr wesentlicher Unterschied gegen andere ähnliche Dampfboote ist ein Röhrenkessel, dessen Konstruktion aus den Abbildungen ersichtlich ist. Je nach der Größe des Fahrzeuges ist derselbe entweder einfach oder doppelt. Von den verschiedenen Arten Dampfbooten, welche die genannte Firma fertig stellt, zeigen unsere Abbildungen drei und zwar:

  1. Dampf-Langboot von 10 m Länge.
  2. Dampf-Jacht von 18 m Länge.
  3. Dampf-Jacht von 30 m Länge.
Grundriss DampfjachtGrundriss der 30,5 m langen Dampfjacht.

Von den Vergnügungsdampfern ist der beliebteste die 30 m lange Dampfjacht, welche von drei Mann bequem gehandhabt werden kann: Maschinist, Heizer und Steuermann. Das Steuermannshäuschen ist am Vorderteil des Schiffes angebracht, wie dies auf fast allen amerikanischen Dampfern der Fall ist. Diese Jacht hat eine Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h und verbraucht 90 kg Kohlen während dieser Zeit. Die innere Einrichtung derselben ist aus der Abbildung ersichtlich. Hinter dem Steuerhäuschen ist die Küche und der Maschinenraum. Die Kajüte enthält einen Salon, eine größere und zwei kleinere Kabinen mit allen Bequemlichkeiten (Badewanne etc.) und auch noch eine Vorratskammer.

Grundriss DampflangbootGrundriss des Dampflangbootes.

Von ähnlicher Einrichtung ist das kleinere Boot, die 18 m lange Dampfjacht. Es ist nicht ratsam, dieselbe anderswo als auf Flüssen und Landseen zu gebrauchen. Sie hat eine Höchstgeschwindigkeit von 24 km/h und verbraucht nur 40 kg Kohlen in dieser Zeit.

Das Langboot ist weniger als Vergnügungsdampfer, als vielmehr zum Zwecke obrigkeitlicher Inspektionsausflüge (Inland) und hauptsächlich an Stelle von Segel- oder Ruderbooten auf größeren Dampfern in Anwendung. Seine Länge (9 m) und sein verhältnismäßig geringes Gewicht gestatten, dass es mit Leichtigkeit vom großen Dampfer niedergelassen und auf denselben emporgezogen werden kann. Die amerikanische Flotte, sowie andere Regierungszweige werden nach und nach ihre nach älterem Muster gebauten Langboote durch die von Herreshoff ersetzen; dieselben haben den Vorteil, dass sie keinen Wasservorrat führen, sondern das Wasser durch eine dicht über dem Kiel befindliche Röhre direkt einpumpen. Ihre Tragkraft ist eine im Verhältnis zu ihrer Größe sehr bedeutende und ihre Maximalgeschwindigkeit 18 km/h. Dabei ist der Kohlenverbrauch nur halb so groß, wie der bisher in der Flotte gebräuchliche, während die Schiffe des letzteren nur bis zu 14 km/h fahren.

Einfacher RöhrenkesselEinfacher Röhrenkessel.

Die Einrichtung ist eine sehr einfache, wie aus dem Grundriss ersichtlich ist. Der Steuermann steht im vorderen Teile, wo er mittels eines Doppelhebels das Steuer reguliert. Über das Hinterteil des Bootes lässt sich ein großes Sonnendach ausspannen, das zugleich zum Schutze gegen Regen und Spritzwellen dient.

Die große Erfahrung, welche die Firma im Schiffsbau bereits gemacht hat (die aus ihrer Werkstätte hervorgegangenen Jachten gehören zu den besten Seglern), setzt dieselbe instand, dem Schiffskörper die vorteilhafteste Form in vorzüglicher Ausführung zu geben.

Doppelter RöhrenkesselDoppelter Röhrenkessel.

Was nun die bereits erwähnte, besondere Kesselform anbelangt, so ist dieselbe eine völlig neue und von der Firma durch ein Patent geschützte. Der wesentlichste Teil ist die wurmförmige Röhrenleitung, welche in Kegelform über dem Feuerraum aufgebaut ist. Das Wasser tritt jedoch vorher in die den kegelförmigen Wurm viereckig umgebende Röhrenleitung ein. Im einfachen Kessel oben rechts und im doppelten unten rechts, nachdem es durch die waagrechten Röhren (welche alle verbunden sind und eigentlich nur aus einer einzigen Röhre, die vielfach nebeneinander gefaltet ist, bestehen) in den rechts befindlichen Eisenzylinder getreten ist, wird daselbst das Wasser von dem bereits erzeugten Dampf geschieden. Das Wasser fällt nämlich durch sein eigenes Gewicht zu Boden und der Dampf wird nun erst in den domartig arrangierten Wurm (coih) geführt; hier wird der Dampf nun zu der Temperatur erhitzt, die ihn (fast ohne jede Expansion) wirksam macht.

Die in den Booten gebräuchlichen Maschinen sind ebenfalls von besonders vorzüglicher Bauart; leicht und auf einen verhältnismäßig kleinen Raum beschränkt, sind sie doch um etwa 40 % ökonomischer in Ausnutzung des Dampfes und Brennmaterial, als alle für gleiche Zwecke bis jetzt konstruierten. Der geringe Raum, den sie einnehmen, ist aus den Abbildungen ersichtlich; wie denn überhaupt die einfache und solide Konstruktion sofort ins Auge fällt.

Doppelte SchiffsmaschineDoppelte Schiffsmaschine.
Einfache SchiffsmaschineEinfache Schiffsmaschine.

Eine für die Vermessungen des von Seen, Buchten, Flüssen und Bächen wimmelnden oberen Mississippi-Landes bestimmte Jacht, die daselbst ausgezeichnete Dienste geleistet hat, ist die ›Mary‹, von der unsere untenstehende Illustration eine Vorstellung gibt. Es ist ein Hinterraddampfer (Stern-wheel steam yacht), vom US-Ingenieur M. Meigs in den Regierungswerkstätten zu Rock Island in Illinois am Mississippi erbaut, nach Entwürfen des Oberst J. W. Farquhar.

Nach diesem Modell sind fünf solcher Jachten gebaut worden, die sich durch geringen Tiefgang (40 cm), leichte und doch solide Konstruktion sowie große Schnelligkeit auszeichnen. Sie haben sich in den oft sehr seichten Gewässern des oberen Mississippi-Tales ausgezeichnet bewährt.

Die ›Mary‹ ist 10,4 m lang, 2,5 m breit und hat einen Röhrenkessel, der jedoch von dem Herreshoffschen darin abweicht, dass er nicht die spiralförmige Anordnung in der beschriebenen Weise besitzt. Der Kessel hat 75 cm im Durchmesser und ist 150 cm hoch; die Dampfzylinder haben 11 cm. Das am hinteren Ende der Jacht angebrachte Rad hat 1,8 m im Durchmesser und die Arbeit der Maschine ist gleich 7 PS.

Hinterraddampfer MaryHinterraddampfer ›Mary‹.

Es scheint, als würden diese und ähnliche Dampfjachten nach und nach die verschiedenen größeren und größten Fahrzeuge dieser Art verdrängen. Die vorzüglichsten und größten Dampfjachten, die wohl je für Privatleute gebaut worden sind, führen wir unsern Lesern in unserer letzten Abbildung vor. Die mittlere ist die neuerdings für den Eigentümer des N. Y. Heralds, James Gordon Bennett in Newburg von Ward, Stanton u. Co. erbaute Dampfjacht ›Polynia‹. Dieselbe ist 48 m lang, 5,5 m breit und 3 m tief. Die Schraube hat 2,75 m Durchmesser. Dass dieselbe auf das luxuriöseste eingerichtet und ausgestattet ist, bedarf kaum der Erwähnung. Dieselbe gilt in jeder Beziehung als unübertrefflich für den Zweck, für den sie bestimmt ist. Wasserdichte Abteilungen sind vier vorhanden, wie in allen neueren Passagier- und Vergnügungsdampfern.

Ähnlich reich ausgestattet und sogar von noch etwas größeren Dimensionen sind die beiden sich völlig gleichenden Dampfjachten ›Stranger‹ und ›Corsair‹, welche von John Cramp in Philadelphia für zwei reiche New Yorker Kaufleute gebaut worden sind. Dieselben sind 56,5 m lang, 7,3 m breit und 3,4 m tief. Die Schraube hat 3,4 m Durchmesser. Diese Jachten haben eine Maximalgeschwindigkeit von 26 km/h und verbrauchen 10 t Kohlen in 24 Stunden. Die in jeder befindliche 170 PS-Maschine ist ein wahres Kunstwerk des Maschinenbaus; sie hat einen Hochdruckzylinder von 60 cm und einen solchen für Niederdruck von 110 cm Durchmesser.

Drei große DampfjachtenDrei große Dampfjachten: Stranger, Polynia und Corsair.

Die Einrichtung ist ebenfalls eine prachtvolle: Mahagoni und andere kostbare Hölzer, Samt und Seide zu Vorhängen, Diwanen und andere Möbel; Rauch- und Badezimmer; ausgelegte und Holzbildhauerarbeit meist in japanischem Lack oder Schwarz und Gold; ein prachtvolles Kaminsims mit offenem Feuerherd im Salon. Auch Küche, Keller und Vorratskammer sind Mustereinrichtungen. Telefone und elektrische Glocken sind vorhanden.

Die Mannschaft beläuft sich auf 14 Köpfe und die Jachten tragen je drei Rettungsboote, zwei eiserne und ein hölzernes; auch in vier wasserdichte Abteilungen sind die Jachten geteilt, von denen zwei vollständig und eine halbvoll Wasser sein könnten, ohne dass die Jacht sinken würde.

In einem solchen kleinen Palast muss das Reisen freilich ein sehr angenehmes sein; nur ist die böse Seekrankheit ein Gast, der weder Arm noch Reich verschont, und manche schöne Stunde mag den Gästen der Besitzer auf solchen Vergnügungsfahrten dadurch vergällt werden.

• Auf epilog.de am 13. März 2024 veröffentlicht

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