VerkehrEisenbahn

Kleine und große Lokomotiven

Der Stein der Weisen • 1891

Voraussichtliche Lesezeit rund 8 Minuten.

Mit ungeahnter Raschheit hatte die Ingenieurwissenschaft die großartige Aufgabe gelöst, aus Stephensons ›Rocket‹ die gewaltigen Lokomotiven unserer Hauptbahnen herauszubilden; da trat auch schon eine neue Aufgabe an sie heran, fast noch schwieriger als jene, nämlich das Problem: Lokomotiven zu konstruieren, welche auch den bescheidenen Verkehrs- und Betriebsverhältnissen der Nebenbahnen in ökonomischer Weise genügen können.

Es ist ein viel umfassender Begriff, welchen wir mit dem Wort ›Nebenbahn‹ bezeichnen, denn dieses Wort gilt uns als der Sammelname für Lokalbahnen und Sekundärbahnen, für Straßenbahnen, Tramways, Feldbahnen, Industriebahnen usw. Alle diese Bahnen haben einige gemeinsame, sehr bezeichnende Eigenschaften, durch welche sie eben in scharfen Gegensatz zu den Hauptbahnen treten; sie suchen nicht die breiten Straßen des internationalen Verkehrs, sondern dienen vielmehr örtlichen Bedürfnissen und Anforderungen; sie tragen deshalb auch nicht den mehr oder weniger internationalen Charakter der Weltbahnen, sie fügen sich vielmehr mit großer Geschmeidigkeit in die lokalen Verhältnisse; die Massen, welche sie zu befördern haben, sind zumeist und namentlich im Vergleich zu jenen der Hauptbahnen ziemlich bescheidene, so dass weitgehende Ökonomie in Bau und Betrieb das erste und wichtigste Gebot für eine Nebenbahn bildet.

Bei der Anlage solcher Bahnen gilt es aus diesen kurz angedeuteten Gründen als streng zu beobachtendes Prinzip, den Schienenweg innig an das Terrain zu schmiegen, die kostspieligen Grundeinlösungen auf das kleinste Ausmaß zu beschränken, an Ortschaften, Fabriken, große Wirtschaftsgehöfte etc. dicht hinanzugehen; scharfe Bögen und kühnere Steigungen finden daher häufige Anwendung; man greift auch oft zu einer kleineren Spurweite, als es jene der Hauptbahnen ist; man bildet den Pfad der Lokomotive aus leichteren Schienen und lagert das Gleis auf weniger kräftige Kunstbauten. Ein schwerwiegendes Mittel, die Bau- und Betriebskosten zu vermindern, ist in der Anwendung verhältnismäßig geringer Fahrgeschwindigkeiten gegeben; je größer die Fahrgeschwindigkeit, umso kostspieliger werden die Sicherheitseinrichtungen, umso größer die Reparaturkosten der Fahrbetriebsmittel, die Erhaltungskosten des Oberbaues und mithin auch die Transportkosten: der Verzicht auf die große Fahrgeschwindigkeit der Hauptbahnen bildet in vielen Gegenden den Preis für den Besitz einer Lokomotiveisenbahn überhaupt.

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• Auf epilog.de am 9. Oktober 2022 veröffentlicht

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