Bau & Architektur
Juwel der Industriekultur
Neueröffnung der Maschinenhalle der Zeche Zollern
nach umfangreicher Sanierung
tvi.ticker • 31. August 2016
In ihrer Geschichte hat die Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund Maßstäbe gesetzt: als herausragendes Beispiel moderner Industriearchitektur, als Haus für innovative Technik, später als Pionierbau der Industriedenkmalpflege in Deutschland. Jetzt kommt die Maschinenhalle mit dem bekannten Jugendstil-Portal wieder groß heraus: Nach mehrjähriger Sanierung öffnet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das wichtigste Gebäude seines Industriemuseums Anfang September 2016 wieder für die Öffentlichkeit. Diese Halle ist ein Ort der Industriekultur, wie es ihn kein zweites Mal in Europa gibt.
Foto: LWL/HoltappelsMit ihrem sichtbaren Stahlfachwerk gilt die Maschinenhalle als früher Industriebau der Moderne. Wir sind sehr glücklich, dass wir dieses Jugendstil-Juwel der Öffentlichkeit jetzt in neuem Glanz präsentieren können
, erklärte LWL-Direktor Matthias Löb.
1902/03 hatte die Gelsenkirchener Bergwerks AG die Halle als technisches Herzstück ihrer neuen Schachtanlage errichteten lassen. Die Architektur erinnert mit dem Querhaus, der altarähnlichen Schaltwand aus Marmor und der farbigen Verglasung nicht von ungefähr an einen Sakralbau. Denn genau so war die Halle für das erste Bergwerk konzipiert, dessen gesamter Maschinenpark elektrisch angetrieben wurde. Zollern war eine Kathedrale der Elektrizität, und das wollte man mit dieser Schönheit aus Stahl und Glas auch zur Schau stellen
, so Löb.
Gut 100 Jahre nach der Inbetriebnahme zeigte sich das Schmuckstück schwer lädiert: Vor allem die einfachen Stahlglaskonstruktionen der Fenster sowie die Querriegel und Knotenpunkte des Stahlfachwerks wiesen starke Schäden auf. Auch Ziegelsteine und Fugen waren an vielen Stellen marode. Daher beschloss der LWL eine umfangreiche Sanierung. 90 % der 7,6 Mill. € teuren Maßnahme zahlte das Land. Für Staatssekretär Michael von der Mühlen aus dem NRW-Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr ist dieses Geld gut investiert. Die Vielfalt und die Reichhaltigkeit der Industriekultur ist heute ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für Nordrhein-Westfalen, das viele Menschen begeistert und weit über die Landesgrenzen hinaus strahlt. Die Rettung der Maschinenhalle gab damals den entscheidenden Impuls für diese Entwicklung.
Sanierung
Foto: LWL/HoltappelsDas berühmte Jugendstil-Portal der Maschinenhalle nach der Restaurierung.2007 starteten in Dortmund die Vorarbeiten mit einer aufwendigen Bauuntersuchung und Schadensanalyse. Wir mussten zunächst einmal herausfinden, wo genau welche Schäden vorlagen, um möglichst viel der Substanz zu retten und dabei den Sanierungsaufwand möglichst klein zu halten. Und dabei haben wir auch viel über das Gebäude und seine ständigen Veränderungen gelernt
, erklärt Museumsdirektor Dirk Zache. Farben wurden untersucht, historische Fotos analysiert, Glasfunde ausgewertet. Die aufwendige Restaurierung der Schalttafel und vieler anderer Details führten die Restauratoren des Museums durch.
Von vornherein ging es den Fachleuten nicht um die Rekonstruktion des ursprünglichen Zustands, sondern um den Erhalt des Gebäudes mit seinen vielfältigen Nutzungsspuren. Im wissenschaftlichen Beirat, der den Prozess der Sanierung über Jahre begleitet hat, wurde ein Weg entwickelt, den Zache als ›abstrahierende Neufassung‹ bezeichnet: Was im Original nicht mehr vorhanden war, erkennt der Besucher heute als ›Annäherung‹.
Die Fenster
Foto: LWL/HoltappelsDie Originalverglasung im Windfang des Portals wurde behutsam restauriert.Am Augenfälligsten wird dies bei den ursprünglich farbig geränderten Fenstern, die in den 1950er Jahren mit Klarglas erneuert worden waren. Zwar haben wir farbige Scherben der ursprünglichen Verglasung gefunden, da aber die erhaltenen Fensterrahmen der 1950er Jahre eine andere Sprossenaufteilung aufweisen, mussten wir uns auch hier etwas erkennbar Neues einfallen lassen
, so Zache.
So weisen heute lediglich einige Bahnen aus satiniertem Glas auf die ehemals aufwendigere Gestaltung hin. Anders beim Westfenster: Da hier die Befunde eindeutiger waren und die Sprosseneinteilung unverändert geblieben war, wurde neben dem blau eingefärbten Klarglas auch der ursprünglich gelbe Glasstreifen wieder eingesetzt.
Vollständig erhalten blieb indes die Jugendstil-Verglasung im Windfang des Portals. Sie wurde behutsam restauriert. Das ist ein absoluter Glücksfall, denn ein solches Portal gibt es kein zweites Mal in einem Industriebau in Europa
, betont LWL-Direktor Löb.
Vom Abriss bedroht
Dabei hat nicht viel gefehlt, und die Halle wäre den Abrissbaggern zum Opfer gefallen: Drei Jahre nach der endgültigen Stilllegung der Zeche Zollern (1966) hatte die Gelsenberg AG das Gebäude samt Inventar schon zum Abbruch ausgeschrieben. Erwarteter Schrottwert: 215 000 DM. Ihre Rettung gelang 1969 dank des hartnäckigen Engagements einer kleinen Zahl von Personen, die von der exemplarischen Qualität der Anlage begeistert waren. Diese Aktion wirkte als Initialzündung für die Industriedenkmalpflege und führte 1979 bzw. 1984 zur Gründung der Industriemuseen in Westfalen und im Rheinland – und in der Folge auch zu dem, was heute ganz selbstverständlich als ›Industriekultur‹ gilt.
Nach Abschluss der Sanierung will das LWL-Industriemuseum die Maschinenhalle insbesondere für Veranstaltungen und Ausstellungen nutzen. Die entsprechende Infrastruktur, darunter Sanitäranlagen und ein Aufzug, wurden denkmalverträglich integriert. Das über hundert Jahre alte Kellergeschoss lädt schon heute zu eigenen Entdeckungen ein. Auch die elektrische Fördermaschine von 1902 geht wieder in Betrieb. Da können wir auf das Engagement unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter bauen
, freut sich Zache.
Die Geschichte der Maschinenhalle und ihrer Rettung
Maschinenhallen – zentrale Hallen für mehrere Maschinen von unterschiedlicher Funktion – entstanden im Ruhr-Bergbau zwischen 1895 und 1914. Mehr als 80 Maschinenhallen wurden in dieser Zeit errichtet. Für die Zeche Zollern sah der Planentwurf des Architekten Paul Knobbe zunächst ein Bauwerk aus massivem Ziegelmauerwerk vor, das nicht realisiert wurde. Foto: LWL/HoltappelsNach der Restaurierung erstrahlt die Maschinenhalle in neuem Glanz. Stattdessen entschied sich die GBAG für eine moderne Halle aus unverkleidetem Stahlfachwerk. Als Vorbild diente der Ausstellungspavillon der Gutehoffnungshütte (GHH) auf der Düsseldorfer Industrieausstellung von 1902 - ein Gebäude, das großes Aufsehen erregte.
Stahl galt damals als Markenzeichen für industriellen Fortschritt. So kann auch die Zollern-Halle als Symbol für die erfolgreiche Montanindustrie des Ruhrgebiets interpretiert werden. Die Zechengesellschaft wünschte bei der Gestaltung einen besonders großen Aufwand – auf die künstlerische Durchbildung
sollte eine über das gebräuchliche Maß hinausgehende Sorgfalt
aufgewendet werden. Dabei widmete sich der nachträglich zugezogene Architekt Bruno Möhring aus Berlin vor allem dem repräsentativen Querhaus, das er durch eine vielfarbig umrahmte Kunstverglasung und durch ein kunstvoll geschwungenes Vordach im Sinn des Jugendstils hervorhob.
Im Innenraum zielt die zentrale Blickachse von diesem Prachtportal aus direkt auf die marmorne Schalttafel mit ihren elektrischen Instrumenten. Von hier aus wurde der gesamte technische Zechenbetrieb gesteuert. Die einem Altar gleiche Erhöhung verklärt die elektrische Energie, denn Zollern II / IV war die erste voll elektrifizierte Zeche des Ruhr-Bergbaus. Foto: LWL/HudemannDie Fördermaschine von 1902 ist immer noch funktionstüchtig und soll bald wieder regelmäßig laufen. Die GBAG hatte bei der technischen Planung sämtliche zu beschaffenden Maschinen nach und nach von Dampfantrieb auf elektrischen Strom umgestellt – der Strom wurde wiederum mit Dampfgeneratoren erzeugt. Von dieser Modernisierung erhoffte man sich eine erhebliche Reduzierung der Betriebskosten.
Herzstück ist die Fördermaschine von 1902. Hierbei handelt es sich um die erste elektrisch betriebene Hauptschacht-Fördermaschine im europäischen Bergbau. Bei Hauptschächten, wo tonnenschwere Gewichte in kurzer Zeit beschleunigt werden mussten, galt eine elektrisch betriebene Förderung im Vergleich zur Dampfmaschine bis dato noch als zu risikoreich.
Der enorme Energiebedarf beim Anfahren hätte regelmäßig zum Zusammenbruch der wenig leistungsfähigen Zechen-Stromnetze geführt. Mit Inbetriebnahme der Fördermaschine von Schacht Zollern II galt dieses Problem kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts als bewältigt. Die technische Lösung bestand in einer Kombination einer von dem Amerikaner Harry Ward (1861–1915) im Jahre 1891 patentierten Schaltung mit dem von Karl Ilgner (1862–1921) entwickelten Schwungradumformer. Damit konnten die Spannungsschwankungen auf ein tolerables Maß gesenkt werden.
Quelle: Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
- Siehe auch:
- Zeche Zollern