Handel & IndustrieFabrikation

Die Herstellung elektrischer Glühlampen

Das Neue Universum • 1897

Voraussichtliche Lesezeit rund 11 Minuten.
GlasbläserDer Glasbläser.

Der Ursprung der Idee, den durch einen elektrischen Strom herbeizuführenden Glühzustand eines festen Körpers für Beleuchtungszwecke zu benutzen, wird in das Jahr 1838 zurückverlegt, da zu jener Zeit ein gewisser Jobard in Brüssel zuerst den Vorschlag gemacht haben soll, ein dünnes Kohlenstäbchen in einem luftverdünnten Raume oder sogenanntem Vakuum durch einen elektrischen Strom bis zum leuchtenden Glühzustande zu erhitzen. Später wurden zu dem gleichen Zweck mit Platindraht Versuche angestellt, bei dessen Verwendung man keines luftleeren Raums wie bei der leicht verbrennenden Kohle bedurfte. Alle diese Versuche, die von vielen Seiten wiederholt wurden, führten zu keinem praktischen Erfolg. Erst im Jahr 1878 gelang es zwei amerikanischen Erfindern, Sawyer und Man, ein einfaches Verfahren zur Herstellung brauchbarer Kohlenglühfäden für derartige Lampen zur Ausführung zu bringen, indem sie aus Kartenpapier schmale Streifen schnitten und diese in einer Muffel zwischen Graphitpulver verkohlten. Derartige Kohlenbügel schlossen sie in kugel- oder birnenförmige Glasgehäuse ein, pumpten so viel wie möglich die Luft heraus und erhielten so die ersten brauchbaren, wenn auch noch sehr unvollkommenen elektrischen Glühlampen. Reinigung der GlasbirnenReinigung der Glasbirnen. Um das damals mit vielen Schwierigkeiten verknüpfte Auspumpen der Luft aus den Glasgehäusen zu umgehen, kam bald darauf ein anderer Amerikaner, Hiram Maxim, auf den Gedanken, diese Gehäuse mit einem neutralen Gas wie Stickstoff oder Kohlensäure, zu füllen, um dadurch das Verbrennen des glühenden Kohlenfadens zu verhüten. Ein weiterer ausschlaggebender Fortschritt wurde gegen Ende des Jahres 1879 durch den seitdem hochberühmt gewordenen Thomas Edison gewonnen, indem derselbe die brüchige Papierkohle durch die viel haltbarer verkohlte Bambusfaser ersetzte, wobei er dem Glühfaden einen hohen elektrischen Widerstand gab, um dessen Leuchtkraft unter der Einwirkung des Stroms möglichst zu steigern. Noch in demselben Jahre wurde von Edison die erste praktische elektrische Glühlampenbeleuchtung eingerichtet.

Herstellung der ZellulosefädenHerstellung der Zellulosefäden.

Die Einführung der elektrischen Glühlampe in Deutschland ist dem jetzigen Generaldirektor der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, vormals Deutsche Edison-Gesellschaft, in Berlin, Herrn Emil Rathenau, zu danken, welcher 1881 die deutschen Edison-Patente von der Compagnie Continentale Edison für Deutschland erwarb und nach eingehenden Studien eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 5 Mill. Mark unter der Firma ›Städtische Elektrizitätswerke‹ begründete, aus welcher später die heutige Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft hervorging. Die damals von Rathenau eingerichtete Glühlampenfabrik ist gegenwärtig mit einer Leistung von jährlich über 6 Millionen Lampen die größte in Europa.

Die elektrische Glühlampe, welche als Lichtquelle in verschiedenen Beziehungen unübertrefflich ist, hat durch die damit verknüpfte Massenfabrikation eine hohe industrielle Bedeutung gewonnen. Ihre Herstellung hat zu vielen sinnreichen technischen Erfindungen und fabrikmäßigen Einrichtungen geführt, die von allgemeinem Interesse sind.

Aufspannen der ZellulosefädenAufspannen der Zellulosefäden zum Trocknen.

In der Glühlampenfabrik der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft zu Berlin sind über 500 Personen beschäftigt, und die Einrichtung ist derartig getroffen, dass täglich 30 000 Lampen fertiggestellt werden können.

Ein Kohlenfaden im luftleeren Glasballon und zwei Platindrähte sind die Elemente, aus denen die Glühlampe innerhalb einer langen Reihe von Fabrikationsstadien hergestellt wird, welche die hier beigegebenen Abbildungen zeigen.

Zerschneiden der ZellulosefädenZerschneiden der Zellulosefäden in Längen.

Der Leuchtkörper der Lampe besteht aus einem Kohlenfaden, welcher aus vegetabilischer Substanz erzeugt wird. Wie schon angeführt wurde, verwendete man anfangs dazu bügelförmig gebogene Streifen von Kartenpapier, später Bambusfaser. Neuerdings hat man aber als das dazu geeignetste Material die künstlich hergestellte reine Cellulose erkannt, weil diese Substanz die größte Gleichmäßigkeit der Struktur neben anderen vorzüglich dem vorliegenden Gebrauch entsprechenden Eigenschaften besitzt. Verkohlung der ZellulosefädenVerkohlung der Zellulosefäden im Karbonisierofen. Die Fadensubstanz wird ähnlich, wie dies bei der Fabrikation der Fadennudeln geschieht, durch eine Düse gepresst, so dass man lange Fäden von genau entsprechender Dicke erhält. Diese beliebig langen und daher als endlos zu bezeichnenden Fäden werden auf Spulen aufgewickelt und dann nach abgemessener Länge in Teile zerschnitten, welche in eine Form von Bügeln oder Schleifen gebracht werden, die für den Kohlenfaden der Glühlampe geeignet ist. Alsdann werden die Fäden in dem Karbonisierofen verkohlt, worauf ihre Haltbarkeit und Leuchtkraft noch einem besonderen Kohlungsprozess unterworfen wird, der ihre physikalischen Eigenschaften zweckmäßig verändert, indem der Faden dadurch elastischer und an der Oberfläche zugleich poröser gemacht, also seine das Licht ausstrahlende Oberfläche bei gleichbleibendem Durchmesser bedeutend vergrößert wird. ZusammenlötenZusammenlöten von Platin und Nickel. Dieser Kohlungsprozess besteht im Wesentlichen darin, dass der Kohlenfaden in einem geschlossenen mit gasförmigem Kohlenwasserstoff, z. B. Leuchtgas, gefülltem Raum mittelst eines hindurchgeleiteten elektrischen Stromes zum Glühen gebracht wird. Hierdurch wird der den Faden umgebende Kohlenwasserstoff zersetzt, so dass sich auf der Fadenoberfläche höchst fein zerteilter reiner Kohlenstoff ablagert.

An den Enden der so präparierten Kohlenfäden werden nunmehr feine Platindrähte von bestimmter Länge befestigt, die vorher einer genauen Sortierung unterliegen. Ansetzen der GlasröhrenAnsetzen der zur Luftentleerung erforderlichen Glasröhren an die Glasbirnen. Diese als Halter und Elektroden des Kohlenfadens dienenden beiden Platindrähte werden nach dem Einsetzen des Kohlenfadens in die Glasbirne mit deren Hals verschmolzen, so dass sie nach außen vorstehen, um zur Stromzuleitung zu dienen. Das Bindemittel zwischen den Platindrähten und dem Kohlenfaden besteht aus Kohlenstoff, der durch Zersetzung von Kohlenwasserstoff gewonnen und direkt an der Verbindungsstelle abgelagert wird. Erst wenn diese Verbindung hergestellt ist, erfolgt das Einsetzen des Kohlenfadens in die Glasbirne, deren Herstellung durch den Glasbläser unser erstes Bild zeigt. Hierauf unterliegen die Lampen einer Reinigung.

Sortieren der PlatindrähteSortieren der Platindrähte.

Die Glaskörper der Lampen haben ursprünglich eine etwas andre Form, als sie die fertige Lampe in der bekannten Gestalt der Birne zeigt; diese Körper sind länger als die später daraus hergestellte Lampe; sie sind an dem spitzen Ende offen und am anderen Ende einfach halbkugelig ohne die später angebrachte Spitze. An dieser Stelle wird zunächst ein dünnwandiges Glasrohr angeschmolzen, durch welches im letzten Stadium der Fabrikation die Luft aus der Lampe abgesaugt wird. An dem anderen offenen Ende wird der mit den Platindrähten versehene Kohlenfaden eingeschoben und alsdann der Glaskörper entsprechend der Länge des Kohlenfadens abgeschmolzen, wobei zugleich das Einschmelzen der Platindrähte in die Glasmasse stattfindet, so dass deren Enden aus der Birne nach außen hervorragen. LuftentleerungsraumIm Luftentleerungsraum. Bei den an dem Glaskörper vorgenommenen Arbeiten werden Gasgebläse benutzt, zu deren Handhabung große Geschicklichkeit erforderlich ist. Insbesondere muss auch mit den Platindrähten sehr sorgfältig umgegangen werden, da das Kilogramm dieses Materials gegenwärtig mit mindestens 1500 Mark zu bezahlen ist. Nachdem die Glasbirne nach Einsetzen des Kohlenfadens am dünnen stielartigen Ende zugeschmolzen ist, erfolgt das Auspumpen der Luft, wozu man früher Quecksilberluftpumpen benutzte, während man gegenwärtig zuerst eine starke Luftverdünnung mit Kolbenluftpumpen erzeugt und alsdann den zurückgebliebenen Rest der Luft durch chemische Mittel bindet.

Einführen der KohlefädenDas Einführen der Kohlefäden in die Glasbirnen.

Das Verfahren bei der Luftentleerung des Glaskörpers und das darauffolgende Abschmelzen der Stengel ist in unsrer obigen Abbildung dargestellt. Hierauf werden die Lampen einer Prüfung auf ihre Luftdichtheit durch Eintauchen in Wasser unterworfen.

Ist die Lampe so weit fertig, so werden an die Enden der aus der Glasbirne hervorragenden Platindrähte die aus Kupfer bestehenden sogenannten Kontaktdrähte angelötet.

Anlöten der KontaktdrähteAnlöten der Kontaktdrähte an die Enden der eingeschmolzenen Platindrähte.

Schließlich müssen die Lampen einzeln noch auf ihre Lichtstärke durch photometrische Messung geprüft werden, denn obschon alle Glühlampen genau in derselben Weise hergestellt werden, so sind sie hinsichtlich ihrer Fähigkeit, den elektrischen Strom in Licht umzuwandeln, durchaus nicht einander vollkommen gleich, indem sie ihre größte Leuchtkraft bei verschiedener elektrischer Spannung entwickeln.

Prüfung der LampenPrüfung der Lampen auf ihre Dichtigkeit unter Wasser.

Um also die für die einzelnen Lampen vorteilhafteste Spannung des elektrischen Stroms zu bestimmen, werden dieselben einer Lichtmessung mittelst Anwendung eines Photometers unterworfen. Hierbei wird die Spannung bestimmt, welche der elektrische Strom besitzen muss, damit die Lampe eine Leuchtkraft von einer gewissen Kerzenzahl entwickelt. Die gebräuchlichsten Glühlampen sind die von 16 und von 20 Kerzen Lichtstärke; jedoch kann man auch Glühlampen herstellen, welche ein Licht von mehreren hundert Kerzen ergeben.

Bestimmung der LichtstärkeDie Bestimmung der Lichtstärke jeder Lampe.

Nachdem die Lampen entsprechend ihrer Betriebsspannung sortiert worden sind, werden sie mit dem ›Sockel‹ versehen, welcher aus einer Messinghülse besteht und dazu dient, die Lampe bequem in den elektrischen Stromkreis der Beleuchtungsanlage einschalten zu können, indem einerseits der elektrische Strom aus der Leitung in den Kohlenbügel der Lampe eingeführt und andrerseits wieder abgeführt werden muss. Der Sockel enthält zwei voneinander isolierte Metallstücke. Je ein Ende des Kohlenbügels ist mit je einem dieser Metallstücke fest verbunden und jedes dieser beiden Metallstücke wird wiederum mit einer von der stromliefernden Maschine kommenden Leitung in Verbindung gesetzt, sobald die Lampe zum Leuchten kommen soll. Dies wird durch einen im Sockel befindlichen kleinen Ausschalter mit einem außerhalb vorstehenden Griff bewirkt.

Nachdem die Lampen mit dem Sockel verbunden worden sind, erhalten sie die deutliche Auszeichnung, welche erkennen lässt, für welche Spannung die Lampe zu benutzen ist und wie viel Kerzen Leuchtkraft sie bei dieser Spannung liefert. Schließlich wird jede Lampe zur Kontrolle nochmals bei der Normalspannung in einen Versuchsstromkreis eingeschaltet und erst jetzt ist sie fertig zum Versand.

Entnommen aus dem Buch:

Neuerscheinung

Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ersetzten Dampfmaschinen zunehmend die Muskelkraft und ermöglichten eine zunehmende Mechanisierung der bis dahin handwerklich geprägten Güterproduktion. Der Abbau von Handelshemmnissen und neue Verkehrswege eröffneten überregionale Märkte, immer mehr Produkte mussten immer schneller und billiger produziert werden. Arbeitsteilung und Spezialisierung veränderten ganze Wirtschaftszweige. Die historischen Originalbeiträge und Abbildungen in diesem Buch geben einen unverfälschten Einblick in die Wirtschaft des 19. Jahrhunderts.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 106 Seiten | ISBN: 978-3-7583-0344-9

• Auf epilog.de am 19. März 2023 veröffentlicht

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