Verkehr – Straßenverkehr
Henschel-Elektromobile
Allgemeine Automobil-Zeitung • 25.3.1900
Von der Berliner Maschinenfabrik Henschel u. Co., G. m. b. H. Charlotten-Berlin, Schillerstraße Nr. 97, haben wir die Abbildungen einiger aus dieser Fabrik stammenden Elektromobile erhalten.
Fig. 1: eleganter ›Mylord‹-Wagen.Fig. 1 stellt einen eleganten ›Mylord‹-Wagen dar, eine Form, wie sie besonders für öffentliche Droschkenwesen Verwendung findet. Man kann wohl sagen, dass die Form des Wagens keinesfalls unter der elektrischen Ausrüstung und der Unterbringung der Batterie gelitten hat.
Dasselbe trifft für das äußerst gefällig gebaute ›Phaeton‹ (Fig. 2) zu, welches sich nebenbei noch durch völlig geräuschlosen leichten Lauf auszeichnet.
In Figur 3 und 4 sehen wir zwei Typen von Lieferungswagen, während Fig. 5 einen Möbelwagen zur Anschauung bringt.
Fig. 2: Phaeton.Was alle diese Wagen vor älteren und bekannten Konstruktionen auszeichnet, das ist in erster Linie die überaus einfache Handhabung der Steuerung, Inbetriebsetzung und Geschwindigkeitsveränderung. Diese drei Manipulationen sind in einem einzigen Hebel zentralisiert, so dass es einem auch nur einigermaßen intelligenten Führer möglich ist, schon nach kurzer Übung die Wagen zu fahren. Eine neue Übertragung der Steuerung auf die Räder ermöglicht, die Steuerung stets so nachzustellen, dass sie ohne Spiel arbeitet, ein sehr wichtiges Moment für den Motorfahrer. Ein Hauptaugenmerk ist daraus gelegt worden, dass die Batterien sehr leicht auswechselbar sind, so dass man bei Anschaffung einer Reservebatterie, die geladen vorrätig gehalten wird, den Wagen stets gebrauchsfertig findet.
Fig. 3: Lieferungswagen.Die Firma Berliner Maschinenfabrik Henschel u. Co ist im Besitz der verschiedenen Patente, die oben angeführten Verbesserungen betreffend, und fabriziert nach diesen Patenten seit Jahresfrist.
Eine Spezialität dieser Firma bildet übrigens auch der Umbau von vorhandenen Fahrzeugen in solche mit Motorbetrieb. Ein solcher Umbau ist aus dem Grund praktisch, weil fast sämtliche Teile des umzubauenden Wagens benützt werden können und somit die Ersparnis an Anschaffungskosten ganz bedeutend ins Gewicht fällt. Das hierbei in Verwendung kommende System gestattet, die Motoren und den gesamten Antriebsmechanismus unauffällig für das Auge an dem Wagen anzubringen. Der Umbau empfiehlt sich naturgemäß für öffentliche Fuhrwerke und für die Vehikel von Besitzern größerer Wagenparks.
Fig. 4: Lieferungswagen.Im Allgemeinen ist zu sagen, dass die einfache Konstruktion des Elektromotors, die es gestattet, ihn in kleinem Raum leicht unterzubringen, seine ruhige Arbeit, seine Ungefährlichkeit und Geruchlosigkeit, und vor allen Dingen seine Leistungsfähigkeit, ihn schon heute zu einem außerordentlich brauchbaren Motor machen. Der einzige Nachteil, den das elektrische Fahrzeug besitzt, ist der, dass die Mitführung der elektrischen Energie in einem im Verhältnis zum vorhandenen Wagengewicht schweren Akkumulator erfolgen muss. Hierin liegt der Grund, weshalb die Verwendung des Elektromobils noch nicht in größerer Ausdehnung möglich war. Bis daher der zur Aufspeicherung der elektrischen Energie dienende Akkumulator nicht wesentlich leichter geworden ist, werden Benzin-Automobile und Elektromobile friedlich nebeneinander konkurrieren müssen. Die Verwendung dieser beiden Arten von Selbstfahrern ergibt sich aus Obigem von selbst; der Benzinmotor wird dort in Frage kommen, wo größere Strecken zurückgelegt werden sollen, also für Fahrten über Land etc. Das Elektromobil wird der Stadt angehören und überall dort mit Vorteil zu verwenden sein, wo bestimmt abgegrenzte Fahrleistungen erzielt werden sollen. Für öffentliche Fuhrwerke, Geschäftswagen für Warenhäuser, Transport- und Lastwagen, welche eine bestimmte Strecke zurückzulegen haben, ist daher heute schon der elektrisch betriebene Motorwagen am besten geeignet, umso mehr, als man für diesen Betrieb mit einer Fahrstrecke von 30 bis 70 km, für welche der Akkumulator eines elektrischen Automobils eingerichtet werden kann, vollständig auskommt. Fig. 5: Möbelwagen. In den meisten Fällen wird eine derartige Fahrleistung genügen, so dass auch für Luxusfahrzeuge, bei welchen es speziell auf möglichst geräuschlosen und angenehmen Lauf ankommt, der elektrische Wagen dem Benzinwagen den Rang mehr und mehr streitig macht. Die zurzeit in fast allen größeren Städten errichteten Ladestationen ermöglichen es, den Akkumulator rechtzeitig wieder zu laden, und mit der vermehrten Einrichtung solcher Ladestellen wird auch das Elektromobil unbedingt an Verbreitung zunehmen. Es ist freudig zu begrüßen, dass diese Ladestellen in erster Linie von den bedeutenderen Akkumulatorenfabriken errichtet werden, welche damit gleichzeitig eine Werkstätte zum Auswechseln der schadhaften Akkumulatorzellen verbinden. Auf diese Weise ist es ermöglicht, dass der Akkumulator, der empfindlichste Teil des Elektromobils, unter ständiger Kontrolle von Fachleuten steht und stets intakt gehalten werden kann. Gegen einen bestimmten Prämiensatz per Jahr übernimmt die Akkumulatorenfabrik die vollständige Instandhaltung der Batterie, so dass man mit diesem bestimmten Satz bei der Aufstellung der Betriebskosten rechnen kann.
Da die Betriebskosten bei der Beschaffung eines Fahrzeugs von wesentlicher Bedeutung sind, so dürfte die nachstehende vergleichende Aufstellung der Betriebskosten eines Fahrzeugs mit Pferdebespannung und des Elektromobils von Interesse sein. Die hier aufgeführten Zahlen entsprechen Betriebsresultaten, die sich aus der Praxis ergeben haben.
Als Fahrzeug ist in diesem Falle eine Droschke, ähnlich dem in Fig. 1 abgebildeten Wagen, für weitere zwei Personen und mit Führersitz vorgesehen und eine Fahrleistung von 50 km per Tag in Betracht gezogen.
Das Elektromobil vermag eine derartige tägliche Fahrleistung bequem zu absolvieren, während besonders bei einem Dauerbetrieb, wie in diesem Fall angenommen wird, für eine tägliche Leistung von 50 km zwei Pferde vorgesehen werden müssen, da ein Pferd auf die Dauer nicht mehr als 25 km per Tag zu leisten vermag, wie die Resultate in größeren Fuhrwesen ergeben haben.
Die vergleichenden Kosten stellen sich wie folgt:
Betrieb mit Pferdebespannung
Fahrleistung: 50 km täglich.
Anschaffungswert: | ||
2 Pferde | Mark | 1300,00 |
1 Droschke | ’’ | 1300,00 |
Geschirr | ’’ | 200,00 |
Summe | ’’ | 2800,00 |
Betriebskosten täglich: | ||
Miete für Stallung | Mark | 1,00 |
Miete für Remise | ’’ | 0,50 |
Futter für 2 Pferde | ’’ | 4,00 |
Kutscher | ’’ | 4,00 |
Stalljunge | ’’ | 1,50 |
Abschreibung für Pferde und Wagen, Versicherung etc. | ’’ | 2,25 |
Hufbeschlag und Tierarzt | ’’ | 0,40 |
Summe | ’’ | 13,65 |
Betrieb mit Elektromobil
Fahrleistung: 50 km täglich.
Anschaffungswert: | ||
Mark | 6000,00 | |
Betriebskosten täglich: | ||
Miete für Remise | Mark | 0,50 |
Betriebskosten (Ladung der Batterie) und Schmiermaterial | ’’ | 3,00 |
Führer | ’’ | 4,00 |
Abschreibung und Ersatz der Batterie | ’’ | 4,25 |
Reparaturen | ’’ | 1,00 |
Summe | ’’ | 12,75 |
Hieraus ergibt sich, dass der Betrieb mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen insbesondere bei größeren Fuhrwesen der billigere ist. Zieht man noch in Betracht, dass der bei einem Zusammenstoß erfolgende Verlust eines Pferdes, womit man bei einem derartigen Betrieb ebenfalls rechnen muss, einen ungleich größeren Schaden verursacht als die Karambolage bei einem Motorwagen, wo die Reparatur unter Umständen nur in dem Ausrichten verbogener Teile besteht, so muss man die Überlegenheit des Motorbetriebes anerkennen.