Berliner Bauwerke

Das Haus der Loge ›Royal York‹

Dorotheenstr. 27 in Berlin

Deutsche Bauzeitung • 19.5.1883

Voraussichtliche Lesezeit rund 12 Minuten.

Nicht allzu häufig dürfte ein hier ausgeführter Bau das Interesse des großen Publikums so lebhaft erregt haben, wie das neue Haus, welches die Große Loge von Preußen ›Royal York zur Freundschaft‹ durch ihre Mitglieder, die Architekten Ende & Böckmann sich hat errichten lassen und das am 20. Januar 1883 in Gegenwart des deutschen Kronprinzen unter entsprechenden Feierlichkeiten seiner Bestimmung übergeben wurde. Als nach Fertigstellung des inneren Ausbaus, kurz bevor die Räume ihre letzte Einrichtung zu Logenzwecken erhielten, auch dem vulgus profanum – d. h den Freunden und Bekannter der Logenbrüder sowie den Architektenkreisen – eine Besichtigung des Hauses gestattet wurde, da vermochten die weiten Säle den Strom der Besucher kaum zu fassen, der durch die Pforte desselben sich drängte. Und sahen auch die wohl in der Mehrzahl vertretenen Neugierigen, die bei dieser Gelegenheit einen Einblick in die Geheimnisse der Logenwelt zu erhaschen hofften, ihre Erwartungen nur zum kleinsten Teile erfüllt, so trat dafür den Wissbegierigen und Kunstfreunden in dieser ganz eigenartigen Schöpfung in der Tat eine Sehenswürdigkeit entgegen, die ihren künstlerischen Reiz auch auf denjenigen ausübt, dem die Bedingungen unter denen sie entstanden ist und die zahlreichen symbolischen Beziehungen, welche in der Dekoration der Räume zum Ausdruck gelangt sind, unverständlich bleiben.

Unter den Berliner Architekten hat schon das ältere Haus der Loge Royal York. das gegenwärtig den rechten Flügel der Gesamtanlage bildet, eines guten Namens genossen. War die architektonische Wirkung des kleinen Baus durch die Aufhöhung der Straße und die Nachbarschaft mächtigerer Gebäude im Laufe der Zeit auch wesentlich beeinträchtigt worden, so hielt ihn die Pietät unserer Generation doch wert als das letzte Werk, welches das größte Kunstgenie unserer Stadt, Andreas Schlüter, hier geschaffen hat. Im Jahr 1712 hat ihn der Meister, welcher damals schon seit 6 Jahren seine Stelle als Schloss-Baudirektor verloren hatte, als Villa für den Oberhofmeister v. Kamecke errichtet. Nach Anlage und Ausstattung ist er eine verkleinerte und vereinfachte Version des Baus, mit welchem Schlüter i. J. 1695 seine Berliner Bautätigkeit begonnen hatte: des für die Kurfürstin Sophie Charlotte bestimmten Lustschlösschens im Lietzower Park, das noch heut den Kern von Schloss Charlottenburg bildet. Hier wie dort ein nach beiden Seiten vorspringender Mittelbau, in welchem sich nach der Straße zu der Flur, parkwärts der Hauptraum des Hauses, ein mit ovaler Kuppeldecke geschlossener Salon, befinden – rechts und links eine Anzahl anderer Zimmer. Nur dass die Villa Kamecke ein einziges Hauptgeschoss mit einigen Dachzimmern in den Seitenflügeln enthielt, während in Charlottenburg zwei Geschosse und ein volles Halbgeschoss, daher auch eine bedeutsamere Treppen-Anlage, vorhanden sind. Von den beiden Fassaden, die in dem reizvollen Figurenschmuck des Hauptgesimses und im architektonischen Detail die Hand des Meisters nicht verkennen lassen, ist die in einer für den Zweck des Hauses sehr charakteristischen, aufgelösten Architektur behandelte Gartenfront, an der sich zum Glück noch der Unterbau in ursprünglicher Höhe erhalten hat, die bedeutendere. Von der Ausstattung des Inneren ist nur diejenige des großen Salons bis auf unsere Tage überkommen, in welchem Schlüter ein schon im Rittersaal des Berliner Schlosses, seiner dekorativen Hauptschöpfung, angewendetes Lieblings-Motiv – eine Darstellung der vier Weltteile durch symbolische Figurengruppen – in neuer Auffassung aber mit nicht geringerer künstlerischer Gestaltungskraft wiederholt hat.

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• Auf epilog.de am 17. April 2024 veröffentlicht

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