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Hinter den Kulissen eines Feuerwerks

Von Hans Dominik

Die Woche • 18.9.1909

Voraussichtliche Lesezeit rund 8 Minuten.
RiesenfeuerwerkAbb. 1. Schlussbild eines Riesenfeuerwerks.

Sehr bald, nachdem das Schießpulver bekanntgeworden war, kam man dahinter, dass es für zweierlei Dinge gut und nützlich sei. Einmal für den Antrieb von Geschossen und ferner für die Hervorbringung gefälliger Feuerbilder. Und so bildeten sich alsbald zwei Künste heraus: die Kriegsfeuerwerkerei und die Luftfeuerwerkerei. Beide arbeiten mit dem Pulver, aber ihre Arbeiten sind recht verschieden. Die Kriegsfeuerwerkerei ist auf die Dauer mit dem alten Schwarzpulver nicht zufrieden gewesen. In immer stärkere Geschütze hat sie immer brisantere, immer gewaltigere Sprengmittel gepackt. Die Luftfeuerwerkerei dagegen braucht für ihre Effekte etwas derartiges nicht. Ihre Geschütze bilden einfache Papphülsen, und ihre Ladungen sind weniger gewalttätig als glänzend. Schon das einfache Schwarzpulver ist dem Luftfeuerwerker zu brisant. Es würde im Augenblick verpuffen und dabei ein allzu kurzlebiges Schauspiel bieten. Darum wird das Schwarzpulver zunächst einmal staubfein zerrieben. Dadurch liegen seine Teilchen im festgestampften Rohr viel dichter zusammen.

Die Verbrennung schreitet nach der Entzündung sehr viel langsamer fort. An die Stelle des plötzlichen Verpuffens tritt ein wirkliches Abbrennen. Dies fein zerriebene Pulver, das sogenannte Mehlpulver, bildet den ersten Fundamentalsatz der Feuerwerkerei. Aber auch das Mehlpulver brennt immer noch recht schnell an, es ist immer noch ein Treibsatz. Für alle die Lichter, die länger ruhig stehenbleiben sollen, braucht man einen Satz, der noch langsamer abbrennt, einen ›faulen Satz‹. Man wählt dazu im allgemeinen eine Mischung von 75 % Salpeter und 25 % Schwefel, die man dann mit 8 % Mehlpulver vermengt, und bekommt so den zweiten Fundamentalsatz, den ›grauen Satz‹.

Raketen am AuffluggestellAbb. 2. Befestigung der fertigen Raketen am Auffluggestell.

Von diesen und anderen Sätzen geht nun der Feuerwerker bei der Herstellung seiner Sachen aus. Durch verschiedene Zusätze, die er den Fundamentalsätzen beifügt, entstehen die ruhigen Leuchtfeuer, die Brillantfeuer, die Funkenfeuer und dergleichen mehr. Strahlende Funken erzeugt er durch Beifügung von feinen Metallspänen, vornehmlich Eisenspänen. Allgemein bekannt dürften wohl die kleinen Weihnachtsbaumkerzen sein, die aus einem grauen Satz und Eisenfeilspänen bestehen. Auch Porzellanpulver gibt hübsche glänzende Funken, während der glühende Funkenstrom, den man als Goldregen kennt, durch Zufügung eines groben Kohlenpulvers erzielt wird. Die verschiedene Farbe der Leuchtfeuer wird dagegen durch Zusatz von Metallsalzen hergestellt. So das grüne bengalische Licht durch salpetersauren Baryt, das blaue Licht durch Kupferoxid-Ammoniak, das rote Licht durch Strontium-Nitrat, das weiße Licht durch Kalium-Nitrat usw. Sind nun die Sätze hergestellt, so folgt das Laden oder Schlagen der einzelnen Körper. Als Umhüllung dienen dabei, wie gesagt, Papphülsen sehr verschiedener Größe und Stärke. Sie sind an beiden Enden offen, auf der Seite jedoch, auf der sie abgebrannt werden, stark eingeschnürt, wie man sagt, gewürgt. Die Sätze werden von dem ungewürgten Ende her unter gleichmäßigem Druck in die Röhren gestampft. Auf den Satz folgt schließlich eine Schicht Ton, die das Rohr auf der ungewürgten Seite abschließt, und dann sind die Grundkörper so weit fertig, dass man aus ihnen an Ort und Stelle das Feuerwerk in der Weise, wie unsere #Bilder es veranschaulichen, zusammenstellen kann. Eine besondere Stellung nimmt dabei die Rakete ein. Während alle anderen Feuerwerkskörper auf der Erde bleiben und nur ihr Feuer in mehr oder weniger kräftigen Strahlen ergießen, steigt ja die Papphülse der Rakete Hunderte von Metern mit in die Luft. Dies geschieht durch die Wirkung der Gase, die einem kräftigen Treibsatz der Röhre während der Verbrennung entströmen. Die Rakete wird daher hohl gestopft. Man steckt einen Dorn hinein, stampft um diesen den Satz und zieht den Dorn dann heraus. Weiter erhält die Raketenhülse einen langen, leichten Holzstab, durch den sie während des Fluges gesteuert wird und in majestätischem Aufstieg die Höhen nimmt. Auf den Raketenkopf wird dabei ein besonderer Leuchtkugelsatz, ein Buntfeuer oder dergleichen befestigt. Wenn die Rakete ausgebrannt ist und damit den höchsten Punkt ihrer Flugbahn erreicht hat, kommt das Feuer an diesen zweiten Satz, und in einem Meer von Leuchtkugeln endet die Raketenbahn.

Aber nicht nur für das Auge, sondern auch für das Ohr arbeitet die Luftfeuerwerkerei. Sie verfertigt Kanonenschläge, durch die der Knall der Geschütze hervorgebracht wird. Zu dem Zweck muss das Pulver, und zwar ein ziemlich brisanter Satz, fest in einen Behälter aus starker Pappe eingeschlagen sein, so dass die Gase die Hülle an einer Stelle gewaltsam aufbrechen müssen. Um auch den Donner der schwersten Festungsgeschütze nachzuahmen, baut man ganz große Kanonenschläge, die Bomben, in der Weise ein, wie Abb. 5 es erkennen lässt.

ParterrefeuerwerkAbb. 3. Parterrefeuerwerk: Das Aufstellen von Fächerblitzen.
RaketenAbb. 4. Die Raketen werden an den Flugstangen befestigt.
KanonendonnerAbb. 5. Eingraben der ›Bomben‹ für den Kanonendonner.
BombeAbb. 6. Eine ›Bombe‹ wir versuchsweise abgebrannt.
KolossalfrontAbb. 7. Aufstellen einer Kolossalfront.
RiesenfeuergarbeAbb. 8. Eine Riesenfeuergarbe aus tausend einzelnen Raketen auf einer Zündung die gleichzeitig abgebrannt werden.

Nun sind die verschiedenen Grundkörper, Leucht- und Funkenfeuer, Raketen und Kanonenschläge, zum Ort des Feuerwerkes hingebracht worden, und hier beginnt die Aufstellung, die Komposition der Sonnen- und feurigen Räder, der Figuren, Fontänen, Kaskaden, Palmenbäume und Blumensträuße. Ganze Gemälde werden in den Umrisskonturen in leichtem Holzlattenwerk errichtet und mit den Grundkörpern, die man mit starkem Blumendraht festbindet, besetzt. Dann folgt die Herstellung der Zündung. Zu den einzelnen Körpern wird die Zündschnur geleitet. Sie besteht aus einer Baumwollschnur, die mit einem Brei von Mehlpulver und Spiritus, der sogenannten Anfeuerung, getränkt und in einen Papierschlauch eingezogen ist. Das eine Ende wird in das gewürgte Ende des Grundkörpers eingeschoben und alsdann noch einmal mit Anfeuerung umgeben. Je nach dem nun die einzelnen Körper hintereinander oder gleichzeitig abbrennen sollen, führt man die Zündschnur von Körper zu Körper, oder man leitet alle Zündschnüre zu einem gemeinschaftlichen Entflammungspunkt.

Mehrere Tage kann die Aufstellung eines Riesenfeuerwerks in Anspruch nehmen. Fürchtet man dabei Regen, so nimmt man Körper und Schnüre, deren Hüllen mit wasserdichtem Firnis bezogen sind. So ergibt sich das Gestell eines Kolossaltableaus (Abb. 7). Es folgt die Ansetzung der Grundkörper, die Herstellung der Zündleitungen, wie sie Abb. 8 für eine Riesengarbe von tausend Raketen darstellt, und schließlich ist alles zum Abbrennen bereit.

Was aufzubauen Tage kostete, verpufft wie ein glänzender Meteor in kurzer Zeit. In dem Augenblick, da der Feuerwerker mit dem brennenden Zündlicht, einer dünnen, mit grauem Satz und Kollodium gefüllten Röhre, an seine Schöpfung herantritt, ist deren Ende auch besiegelt. Dann flammen Namenszüge, Kronen und Adler in wechselndem Licht, Kaskaden rauschen und sprühen, Kanonenschläge donnern, und Raketen ziehen über den dunklen Nachthimmel dahin. Wenn aber der nächste Morgen kommt, so ist von der ganzen Herrlichkeit nur noch das Holzgestell übrig, und die leeren rauchgeschwärzten Papphülsen lassen wenig von der vergangenen Herrlichkeit ahnen, einer Herrlichkeit, die nur allzu kurze Zeit dauert und keineswegs ganz billig ist. Ließ doch beispielsweise vor einigen Jahren der Kaiser von Österreich anlässlich eines Besuchs des Schahs von Persien ein Feuerwerk im Schönbrunner Schlosspark abbrennen, das nur achtzehn Minuten dauerte und 40 000 Kronen [rd. 340 000 € in 2023] kostete.

• Auf epilog.de am 31. Dezember 2023 veröffentlicht

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