VerkehrFernmeldewesen

Das größte Fernsprechamt der Welt

Die Welt der Technik • 15.12.1906

In Hamburg wird im nächsten Jahre das vor dem Dammtor nach den Plänen des Postbaurats Schuppan in gotischem Stile neu erbaute Zentralfernsprechamt, welches durch seine imposante Größe und künstlerisch vornehme Ausführung besonders bemerkenswert ist, dem Verkehr übergeben werden.

Dieses Zentralfernsprechamt wird alle bisher auf sechs einzelne Stadtämter verteilte Fernsprechanschlüsse aufnehmen und stellt das größte Vermittelungsamt der Welt mit einer Gesamtkapazität bis 80 000 Teilnehmern dar. Es ist dies auch insofern bemerkenswert, als man bislang weder in Europa noch in Amerika über Kapazitäten von 25 – 30 000 Teilnehmern hinausgegangen ist. Durch diese Zusammenfassung mehrerer Ämter in ein Zentralamt und durch ein neues Verteilersystem, welches der die technische Anlage ausführenden Gesellschaft, den Deutschen Telephonwerken GmbH durch verschiedene Patente geschützt ist, wird nicht nur eine erhebliche Ersparnis an Betriebskosten für die Verwaltung erzielt, sondern auch für die Teilnehmer eine Vereinfachung und Beschleunigung bei gewünschten Gesprächsverbindungen erreicht.

Fernsprechamt HamburgDas Fernsprechamt am Dammtor zu Hamburg.

Das für den Fernsprechteilnehmer so häufige und lästige Warten, ehe die Beamtin auf seinen Anruf mit dem »Hier Amt«; antwortet, erklärt sich meist daraus, dass im Gegensatz zu Zeiten, wo die Beamtin ganz untätig an ihrem Klinkenfelde sitzt, nicht selten auch zufällig mehrere Teilnehmer im gleichem Moment eine Verbindung wünschen und die betreffende Beamtin natürlich nur jeden dieser gleichzeitig anrufenden Teilnehmer, mögen diese auch noch so ungeduldig werden, nacheinander befriedigen kann. Es ist der Vorzug dieses neuen Systems, dass dieser Übelstand dadurch vermieden wird, dass nur jeweilig unbeschäftigte Beamtinnen, die durch sehr sinnreiche und selbsttätig wirkende Einrichtungen als ›frei‹ gekennzeichnet sind, die Teilnehmer ›abfragen‹ und die letzteren daher sogleich auf ihren Anruf das »Hier Amt« hören.

Für das Ortsamt, d. h. für die Stadtfernsprechverbindung, steht ein Saal von 132 m Länge, 20 m Breite und 10 m Höhe mit Doppel-Oberlicht zur Verfügung. Unter diesem befindet sich das zur Unterbringung der Leitungsverteiler, Zähler usw. dienende Zwischengeschoss; hier mündet auch der etwa 14 m breite und 2½ m tiefe Kabelschacht, in welchen die gesamten unterirdischen Straßenkabel, die an Stelle der früheren Freileitungen getreten sind, in das Ortsamt eingeführt werden.

Im Seitenflügel neben dem Zwischengeschoss liegt der Raum für die Stromlieferungsanlage dieses gewaltigen Amtes. Unter dem Zwischengeschoss befindet sich der imposante Abmessungen aufweisende Fernsaal für die interurbanen Fernsprechverbindungen. Außer diesen Räumlichkeiten sind noch besondere Dienstzimmer, Ankleide-, Erfrischungs- und Schlafräume usw. vorhanden.

Wie schon bemerkt, ist das Ortsamt für 80 000 Teilnehmeranschlüsse projektiert, wird aber vorläufig nur für 40 000 Teilnehmer ausgebaut. Es umfasst drei Betriebsgruppen, und zwar das Verteilamt, in welchem die Teilnehmeranrufe auf freie in der Abfrageabteilung jeweilig unbeschäftigte Abfragebeamtinnen verteilt werden. Die gewünschten Verbindungen werden hier von den Abfragebeamtinnen nach automatisch frei gemeldeten in der Verbindungsabteilung arbeitenden Verbindungsbeamtinnen weitergegeben, in deren Bereich sich die Vielfachklinken der Teilnehmer befinden, welche in Gruppen zu je 10 000 unterteilt sind.

Die Gesamtzahl der für den vorläufigen Ausbau des Ortsamtes von 40 000 Anschlüssen erforderlichen Apparate beträgt etwa eine Million Klinken, 66 000 Lampen, 98 000 Relais, 12 500 Stöpsel, 22 000 verschiedene Schalter, 450 km Innenkabel. Ein Heer von nicht weniger als 450 Beamtinnen für das Orts- und Fernamt wird bei dem vorläufigen Ausbau das Verlangen der Hamburger nach Fernsprechverbindungen befriedigen.

In dem Fernamt, in welchem die interurbanen Gesprächsverbindungen vermittelt werden, gelangen die Wünsche der Teilnehmer an besondere Meldetische, an welchen von den Beamtinnen die sogenannten Gesprächszettel über die gewünschte Fernverbindung ausgefüllt und dann durch Rohrpost nach den einzelnen Arbeitsplätzen der Fernschränke weiter gesandt werden. Der erledigte Ferngesprächszettel wird dann wieder durch Rohrpost nach den Kontrolltischen zurückgesandt.

Die vorstehend geschilderte großartige Anlage beweist, dass nicht nur die deutsche Starkstrom-Elektrotechnik den Ruf der ersten der Welt geniest, sondern dass auch die deutsche Schwachstromtechnik, insbesondere die Fernsprechtechnik, dem gleichen Ziele zustrebt, es mit dem Abschluss dieses Werks auch erreicht haben wird.

• Auf epilog.de am 12. November 2023 veröffentlicht

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