Verkehr – Fernmeldewesen
Ein Besuch in der Zentral-Telegrafenstation des kgl. Polizei-Präsidiums in Berlin
BEW-Mitteilungen • Mai 1908
»Haben Sie wirklich keine Primär-Elemente mehr, Herr Oberingenieur?«
Der Leiter der Telegrafenverwaltung, an den ich diese Frage gerichtet hatte, antwortete mit einer Handbewegung, die mich einlud, ihm in einen Nebenraum zu folgen. Dort stand ich dann vor hohen Etagengestellen; mein Blick traf eine große Anzahl von Maschinen und Apparaten, die auf ihnen untergebracht waren. Sie alle summten und tickten in eifriger gemeinsamer Arbeit.
»Dies hier sind unsere Elemente«, sagte mein Führer und berührte eine jener kleinen Maschinen, »sie sind es zwar nicht in der technisch wissenschaftlichen Bedeutung des Wortes, aber ihr Zweck ist derselbe; es sind Umformer, also Elektromotoren in direkter Kuppelung mit Gleichstromerzeugern. Für die einzelnen Leitungskreise geben diese Maschinen 1 bis 17 Ampere ab. Ihre Spannung richtet sich nach der Länge jedes Stromkreises und schwankt zwischen 10 und 60 Volt. Den Betriebsstrom für die Motoren – insgesamt etwa vier Ampere bei 110 Volt – liefern die Berliner Elektrizitätswerke B. E. W. Das Amt arbeitet also tatsächlich mit der Energie, die die Maschinen der Berliner Zentralen abgeben. Zurzeit haben wir einundzwanzig solcher Umformer, dreizehn für die Kreise der Polizeibezirke der inneren Stadt, die übrigen für die Vorortsleitungen nach Charlottenburg, Schöneberg, Wilmersdorf, Rixdorf, Lichtenberg usw. und endlich für die Verbindung mit den 16 Berliner Feuerwachen.«
Hier unterbrach ich den Sprechenden. »Aber gewährleistet Ihnen denn diese maschinelle Vorrichtung die gleiche Zuverlässigkeit wie das Element; denn unbedingte Betriebssicherheit werden Sie doch von einer Anlage solcher Wichtigkeit, wie diese es ist, in erster Linie fordern?«
»Jedenfalls ist sie nicht unsicherer als die galvanischen Batterien«, war die Entgegnung, »und dann denken Sie nur an die Raumersparnis; auch wenn Sie eine kleine Reservebatterie mitrechnen, die zu jeder Leitung gehört. Der Motor-Dynamo von kaum 40 cm Länge dort hat 48 Volt zu erzeugen, ersetzt uns also eine Batterie von rund 60 Elementen. Schätzen Sie nur das Gewicht einer solchen Kolonne, die Menge von Kupfer, Zink, Vitriollösung, die in ihr steckt. Überdies wäre ihre Wartung nicht so einfach, zeitraubender und auch weniger sauber als die der Maschinen. Schließlich muss man die Betriebskosten berücksichtigen!«
Kleine Reservekraftstation zum Aufladen der Telegrafen-Sammlerbatterien.Bei den letzten Worten waren wir tiefer in den Raum gelangt, und ich bemerkte auf gleichen Gestellen kleine Akkumulatorenbatterien.
Zwei 6 PS-Elektromotoren treiben die Luftpumpen für die Rohrpost des kgl. Polizei-Präsidiums an.»Das wären also unsere Reservestromquellen, die ich vordem schon andeutete. Mittels Umschalter, die sich auf jener rechts sichtbaren Schalttafel befinden, kann man jederzeit an Stelle der Maschinen als Stromlieferanten diese Sammler treten lassen. Ihre Kapazität ist groß genug, um im Notfall 10 bis 12 Tage die Leistung eines Umformers zu übernehmen. Nachts arbeiten die Zellen sogar ausschließlich. Ihre Ladung erfolgt bei Tag, ebenfalls aus dem Kabel der B. E. W. Und«, setzte er mit Lächeln hinzu, »sollte uns das etwa einmal im Stich lassen, so bleibt noch die eigene Kraftstation, ein Benzinmotor von 2,5 PS, der mittels Riemen eine Lade-Dynamo antreibt. Damit haben Sie unsere Stromquellen kennengelernt.«
Wir hatten uns langsam zum Gehen angeschickt und kamen auf dem Rückweg durch den großen Telegrafensaal, wo der erzeugte Strom in Sender- und Empfängerapparaten seine Arbeit verrichtet. Dort fiel mir auch ein großer, an der Wand hängender Plan ins Auge, der mein Interesse fesselte.
Der Telegrafensaal im kgl. Polizei-Präsidium.»Auf dieser Karte sind sämtliche Polizeibüros Berlins und der Vororte mit ihren telegrafischen Verbindungsleitungen untereinander und mit dem Polizeipräsidialgebäude in der Alexanderstraße eingezeichnet«, lautete die Erklärung. »Sämtliche bei den einzelnen Stationen aufgegebenen Telegramme müssen hierher, also durch unsere Hände; wir sind Vermittlungsstelle und zugleich kontrollierender Zentralpunkt.«
»Sehr interessant, aber welcher Mittel bedienen Sie sich für den internen Verkehr, ich meine den innerhalb dieses großen Gebäudes?« war meine Frage.
»Für dringende schriftliche Mitteilungen, Telegramme usw., meinen Sie; einer Haus-Rohrpost. Durch sie werden in erster Linie die Depeschen von und nach dem Telegrafensaal befördert. Von hier aus können Sie übrigens die Rohrpostzentrale in der gegenüberliegenden Ecke dieses Saales deutlich sehen. Die notwendige Druckluft von 0,2 bis 0,3 Atmosphären erzeugen uns zwei Luftpumpen, die im Keller stehen. Sie erhalten ihren Antrieb von elektrischen 6 PS Motoren; die Anlage arbeitet vollkommen automatisch. Sinkt der Betriebsdruck im Rohrsystem, so schließt das Druckmanometer den Kontakt einer selbsttätigen Anlassvorrichtung, und die Elektromotoren setzen die Pumpen solange in Bewegung, bis der Normaldruck wiederhergestellt ist.«
Leider fehlte mir die nötige Zeit zu ihrer genaueren Besichtigung. Mit herzlichem Dank für die freundliche Führung empfahl ich mich.