Verkehr – Straßenverkehr
Die Geschichte des Automobilismus
Von Dr. A. Neuburger
Der Motorwagen • September 1899
Das 19. Jahrhundert geht zur Neige! Wenn wir jetzt an der Schwelle eines neuen Säkulums einen Blick zurückwerfen auf all die Errungenschaften, welche es der Menschheit gebracht hat, so müssen wir uns gestehen, dass kein Jahrhundert sich so charakteristisch von allen seinen Vorgängern unterscheidet, als gerade dieses letzte. Dasjenige Faktum aber, welches diesen prägnanten und auffälligen Unterschied hervorgebracht hat, war unstreitig einzig und allein der ungeheure Aufschwung der Technik in allen ihren Zweigen.
Dampfwagen konstruiert von Cugnot (1771). Es ist wahrlich nicht zu viel gesagt und die Behauptung ist sicherlich gerechtfertigt, dass die sämtlichen vergangenen Epochen – alle vom Urbeginn an zusammengenommen – der Menschheit nicht so viel Neues, sowohl qualitativ wie quantitativ, gebracht haben, als das 19. Jahrhundert! Und dasjenige Gebiet, welches in diesem so fruchtbaren Centennium wiederum die mächtigste und hervorragendste Förderung erfahren hat, ist ohne Zweifel das Verkehrswesen. Durch die technische Vervollkommnung der Verkehrsmittel sind Umwälzungen geschaffen worden, die bis in ihre letzten Konsequenzen zu beschreiben Bände füllen würde, und die alle zu würdigen hier nicht der Ort ist.
Aber so vollkommen auch unsere heutigen Verkehrsmittel sein mögen – das Ideal des Technikers ist in ihnen noch lange nicht erreicht! Rastlos arbeitet dieser noch immer weiter an ihrer Verbesserung und Vervollkommnung!
Der Benzsche Motorwagen aus der Patentschrift vom Jahr 1886. Da taucht – gleichsam als Krönung des Gebäudes – am Ende des Säkulums noch ein neues Verkehrsmittel auf, in dem dereinst vielleicht sich jenes Ideal verwirklichen dürfte – das Automobil!
Das Automobil!
Staunen und Bewunderung ruft es heute noch hervor, wenn es auf seiner Bahn dahinsaust, das Staunen und die Bewunderung, die eben jede Neuheit im Gefolge hat. Und etwas Neues ist das Automobil sicherlich – finden wir das Wort doch noch nicht einmal im Lexikon! So neu aber auch die äußere Erscheinung des Automobils sein mag, der Gedanke, der dieser Erscheinung zu Grunde liegt, ist alt, uralt – fast möchten wir behaupten, so alt wie die Menschheit selbst.
Stets und zu allen Zeiten ist es das Bestreben des Menschen gewesen, die engen und lästigen Fesseln, welche Raum und Zeit ihm und der freien Betätigung seiner Fähigkeiten auferlegten, siegreich niederzuwerfen. Und so hat er denn im Kampf gegen die Schranken des Raumes und der Zeit alle die Kräfte in seinen Dienst gezwungen, welche die gütige Mutter Natur ihm darbot: seine eigene Muskelkraft und die des Tieres, die Energie des dahin fließenden Wassers und die Gewalt des Windes, die Spannkraft des Dampfes, den Druck explodierender Gase, die Elektrizität! Immer und immer aber ist es sein Bestreben gewesen, ein Vehikel zu konstruieren, das seine Fortbewegungskraft gleichsam in sich selbst bergend, ihn schnell an jeden gewünschten Ort trug, das ihn weitmöglichst unabhängig machte vom Raum und von der Zeit!
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