Handel & Industrie – Lebensmittelproduktion
Der Lachsfang im Rhein
Das Buch für Alle • 1876
Wer kennt nicht, wenn auch nur dem Namen nach, den köstlichsten Fisch unserer einheimischen Gewässer, den königlichen Lachs oder Salm, der aus der Nord- und Ostsee, seiner Heimat, vom Frühjahr an Scharenweise in die zum Meer mündenden Ströme und in deren Nebenflüsse heraufsteigt und den Gegenstand eines beeiferten Fangs und eines ausgedehnten Handels bildet? Der Salm oder Lachs, der Salmo salar der Naturforscher, hat beinahe unter allen Fischen der nördlichen Halbkugel das köstlichste, nahrhafteste und fetteste Fleisch, welches durch seine rötlich-gelbe Färbung und gedrungene Textur noch besonders appetitlich ist und gewaltige Bissen liefert, da der Lachs bis zu 1½ m lang und 25 kg schwer werden kann. Seine Heimat sind die Meere der nördlichen Erdhälfte in der alten und neuen Welt, in deren größere Ströme er dann des Laichens wegen heraufsteigt. Er findet sich, wiewohl in geringer Menge, auch im Schwarzen und im Kaspischen Meere, dagegen fehlt er in den Meeren und Strömen Sibiriens. In Deutschland kommt der Lachs vom Frühjahr an in größeren Zügen den Rhein und die Elbe herauf, gelangt im Rhein bis zum Rheinfall bei Schaffhausen, übersteigt diesen sogar und gelangt durch die Aar bis Thun, durch die Reuß bis Luzern, und wird ebenso bisweilen in der Mosel, Lahn, dem Main und Neckar gefangen, während er durch die Elbe bis nach Böhmen hinaufsteigt. Nichts kann den Lachs auf diesem Zug zurückhalten, weder Wehr noch Wasserfall; er folgt einem Naturdrang, einem unabänderlichen Gebot.
Die Wanderungen des Lachses finden mit ungemeiner Regelmäßigkeit statt. Sobald der Eisgang vorüber ist, nähern sich die Lachse in Gesellschaften von 30 – 40 Stück den Küsten und den Mündungen der Flüsse, halten sich hier eine Zeit lang auf, um sich gleichsam erst an das süße Wasser zu gewöhnen, steigen mit der Flut stromaufwärts und kehren mit der Ebbe wieder zurück, bis sie gewissermaßen für die eigentliche Reise vorbereitet sind. Sobald sie ihre Wanderung antreten, stellen sie sich, wie die Fischer versichern, in zwei Reihen auf, die in der Form eines A an der Spitze zusammenstoßen, so dass der spitze Winkel, der immer durch den größten und stärksten Fisch der Gesellschaft gebildet wird, der Strömung zugekehrt ist; die anderen schließen sich in größerer oder geringerer Entfernung seitwärts demselben an, und so schwimmen sie ruhig und unaufhaltsam vorwärts gegen Strömung und Stromschnellen, suchen jedes Hindernis zu überwinden, unter den Netzen durchzukommen oder diese zu zerreißen, und entfalten eine wunderbare Kraft, Gewandtheit und Ausdauer, um über Wehre und Wasserfälle emporzuspringen. Der Anführer dringt durch den stärksten Strom bis unmittelbar unter die Stelle, wo er springen muss, stemmt wohl auch seinen Schwanz an einen Stein, um sich einen Halt zu sichern, krümmt sich zusammen, dass er Kopf und Schwanz aus dem Wasser bringt, und schlägt mit dem letzteren so gewaltig auf das Wasser, dass er ein bis anderthalb Meter hoch im Bogen emporgeschleudert wird und bis drei Meter davon wieder niederfällt und so das Hindernis überwindet; die anderen Lachse folgen seinem Beispiel. Sie wandern ziemlich langsam, denn sie erscheinen erst gegen Ende Mai im Rhein bei Basel, und in den kleineren Flüssen noch später; sie schwimmen ruhig, solange sie nicht beunruhigt werden; droht ihnen aber Gefahr, so flüchten sie mit ungemeiner Behändigkeit.
Die Laichzeit dauert vom September bis Weihnachten und ist im Oktober und November am stärksten; die Weibchen suchen zu diesem Zweck in kleinen Flüssen und Bächen einen sandigen Grund auf, wühlen darin eine Grube hinein und legen hier ihre Eier ab, die sie leicht bedecken. Die Eier sind ungemein zahlreich; bei einem Weibchen von 10 kg Schwere zählte der Naturforscher Bloch über 27 000 Eier. Nach dem Laichen ist das Fleisch des Fisches nicht mehr gut. Während des Winters kehrt der Fisch wieder ins Meer zurück. Außer dem Wasser stirbt der Salm bald, aber bei kühlem Wetter oder künstlicher Verpackung in Eis hält sich sein Fleisch lange frisch und kann daher weithin versendet werden.
Unser Bild veranschaulicht eine der Arten, wie man den Salm im Rhein im Großen fängt, wenn er in Gesellschaft den Strom hinansteigt. Eine Anzahl Fischer mit etwa einem Dutzend Kähnen tun sich zu einem gemeinsamen Fischzug zusammen; sie bringen zu diesem Behuf im Vorderteil ihrer Kähne ein Gestell aus zwei aufrechten, oben durch ein Querholz verbundenen Balken an, wie solche auf unserem Bild zu sehen sind. Das Querholz trägt eine Rolle, und über diese Rolle läuft ein Tau, dessen eines Ende aufgewickelt und durch einen Steckbolzen festgehalten ist, während das andere an einen Teil des ungeheuren Netzes, dessen man sich zum Salmenfang bedient, angebunden ist.
Wenn die Nachen vom Ufer abstoßen, beschreiben sie einen Kreis; einer der Nachen enthält das Netz, welches in den Strom ausgeworfen wird, festgehalten an den Tauen, die an den verschiedenen Nachen befestigt sind. Das Netz bleibt eine halbe Stunde im Wasser; dann zieht jeder Kahn dasselbe mittelst der Rolle an sich und die verschiedenen Kähne bedienen sich der Ruder, um sich dem Mittelpunkt zu nähern; in diesem Augenblick fährt der Hauptkahn in die Mitte hinein, schließt das Netz, nimmt es ins Schlepptau und zieht es nach dem Ufer, wo die gefangenen Salmen zu gleichen Teilen unter die verschiedenen Boote verteilt werden. Dieselben Stellen, wo der Fang stattgefunden hat, werden alle zwei Wochen Tagen immer wieder abgefischt.