Daseinsvorsorge – Wasserwirtschaft
Fischtreppen und Fischpässe
Die Gartenlaube • 1885
Nicht allein Menschen und Völker beherrscht der Wandertrieb. Auch für zahllose Tierarten bildet er ein eisernes Naturgesetz, vor dem sie sich beugen müssen. Hoch in den Lüften ziehen alljährlich Vögelscharen neuen Brut- oder Nahrungsquartieren entgegen und in den Tiefen der Meere und in den Betten der Flüsse und Ströme spiegelt sich jenes geheimnisvolle Bild der Massenwanderung wieder.
In langen Zügen verlassen einzelne Fischarten die unermessliche See, um auf den Wasserstraßen des Festlandes bis an die Quellen der Flüsse zu gelangen. Von der Nordsee bis in die klaren Gebirgsbäche der Alpen kann man jenes rastlose Wandern, Schwimmen und Springen verfolgen.
Und es ist wohl von größerer Bedeutung, die dunklen Fischwege genau zu kennen, als die interessanten Zugstraßen der Vögel zu bestimmen, denn viele von den wohlschmeckenden Fischen, deren Fang eine wichtige Quelle des Erwerbes bildet, gehören zu jenen kühnen Wanderern.
Der wohlschmeckendste unter ihnen ist unstreitig die Forelle; an wirtschaftlicher Bedeutung wird sie jedoch von dem majestätischen, rosafarbigen Lachs übertroffen, welcher besonders im westlichen Nordamerika und in Norwegen zu den Volksnahrungsmitteln gehört und dessen Lebensgewohnheiten auch am besten bekannt sind. Zu diesen von den Feinschmeckern hoch geschätzten Wasserbewohnern gesellt sich unter anderem der gleichfalls wandernde, geheimnisvolle Aal, dessen Fortpflanzungsweise noch immer so gut wie unbekannt ist.
Weshalb wandern nun diese Fische? Was bewegt sie zu der beschwerlichen Reise? Woher kommt es, dass sie das gesteckte Wanderziel mit einer Hartnäckigkeit sonder Gleichen verfolgen? Nun, beim Lachs, der Forelle und den meisten Touristen unter dem Fischvolke ist es lediglich der Fortpflanzungstrieb, die Sorge für die überzahlreiche Nachkommenschaft, welche sie zur Wanderung antreiben. Diese Fische bedürfen nämlich zum Laichen die klaren, schnellfließenden Kiesbäche des Hügel- und Gebirgslandes. Sind sie endlich dem Quellgebiete nahe, so legen sie den Laich zwischen die groben Kieskörner, worauf sie die Rückreise antreten, bald gefolgt von der aus dem Ei geschlüpften jungen Brut, und im Meer bis auf Weiteres verschwinden.
Umgekehrt verfahren die Aale. Sie wandern aus den Flussgebieten in das Meer, um dort zu laichen, und zwar sind es fast nur Weibchen, während die Männchen anscheinend die salzige Flut niemals verlassen. Auch reisen die Aale nur einmal, weil sie nach Abgang des Laichs, ebenso wie die Neunaugen, zu sterben pflegen. Nachdem die Jungen eine Länge von fünf bis fünfzehn Zentimeter erreicht haben, wandern sie in dicht gedrängten, manchmal Tausende von Metern langen Zügen, die in Frankreich moutée genannt werden, den Flüssen zu. Bei Tage bleiben sie meistens im Kies und Schlamm versteckt und setzen ihre Wanderung fort, wenn die Schatten der Nacht ihre wehrlose Schar den gierigen Augen ihrer Feinde entziehen. In alle Nebenflüsse und in deren Seitenläufe bis in die entferntesten Bäche und stehenden Gewässer verästelt sich der große Schwarm. Die Rückreise treten die Aale erst an, wenn sie sich gehörig gemästet haben, weshalb die Gesetze den Fang der aufsteigenden Aale in der Regel verbieten. Früher bildete der Fang junger Aale ein lukratives Geschäft, und Redi berichtet, dass im Jahre 1667 im Arno bei Pisa an einer einzigen Stelle innerhalb fünf Stunden drei Millionen Pfund solcher Aale von drei bis zwölf Zentimeter Länge gefischt wurden. Nach Karl Vogt wurden in Frankreich noch in jüngster Zeit die kleinen Fische mit Sieben und Schöpfern gefangen und meist mit Eiern zu Pfannkuchen gebacken.
Wir sprachen oben von der Hartnäckigkeit, mit welcher die Wanderfische ihr Ziel verfolgen. In einer auf Veranlassung des Deutschen Fischerei-Vereins von H. Keller herausgegebenen kleinen Schrift ›Die Anlage der Fischwege‹, welcher wir die Abbildungen zu diesem Aufsatz entnehmen, werden einige merkwürdige Beispiele von der Ausdauer der Fische aufgeführt.
Der Lachs überwindet die Stromschnellen des Topdalls-Flusses in Norwegen, deren Gefälle 16 m beträgt; er nimmt den 5 m hohen Karratunk-Fall in Nordamerika springend und schwimmend; ebenso bekanntlich die sehr reißenden Stromschnellen des Rheins bei Laufenburg. Wir selbst haben es beobachtet, wie die kleine Forelle den etwa 25 m hohen, allerdings absatzförmigen Fall des Flusses Orbe in der Schweiz hinaufspringt. Die Aale endlich, welche, wie bekannt, sich auch auf festem Boden schlangenartig fortbewegen, überwinden sogar den Rheinfall, indem sie an den feuchten Felsen zur Seite des Wassersturzes hinaufklettern!
Freilich gehen viele Tiere, zum großen Schaden der Fischerei, bei solchen Verzweiflungssprüngen zu Grunde, und dieser Umstand sollte für den Menschen eine Mahnung sein, den Wanderfischen durch die Zerlegung größerer Gefälle in kleinere die Erfüllung ihrer Pflichten zu erleichtern und damit den Fischreichtum zu vermehren.
Der Mensch sollte sich dieser Aufgabe mit einem um so größeren Eifer unterziehen, als die Bedürfnisse der Industrie mit der Sorge für die Erhaltung der Fischerei jedes Jahr mehr in Widerspruch geraten. Zu den berechtigten Forderungen der Technik gehört ohne Zweifel eine bessere Ausnutzung der in den meisten Ländern reichlich vorhandenen, wenig kostenden Wasserkräfte.
Diese Ausnutzung aber bedingt die Anlage von künstlichen Wehren in den Flussläufen, und diese Wehre bilden wiederum ebenso viele, in der Regel schwer übersteigliche Hindernisse für unsere guten Freunde, die Forelle, den Lachs, den Aal, welche ohnehin schon mit den natürlichen Stromschnellen genug zu kämpfen haben. Als eine Pflicht der Regierungen, wie der unmittelbar an der Fischerei beteiligten, erscheint es unter diesen Umständen, unbekümmert um etwaige Klagen der Wehrbesitzer, die sich über die Wasserentziehung durch die Fischwege zu beschweren pflegen, in allen von Wanderfischen begangenen Flussläufen für ein freies Durchschwimmen dieser Fische, beziehungsweise für Veranstaltungen zu sorgen, welche die Überwindung von natürlichen und künstlichen Stromschnellen erleichtern.
Solche Veranstaltungen, die leider in Deutschland noch selten anzutreffen, dafür aber in Norwegen, England und Nordamerika ziemlich verbreitet sind, heißen, je nach der Bauart, Fischtreppen oder Fischpässe.

An vielen Stellen hat die Natur selbst bei Wasserfällen oder Wehren für natürliche Fischtreppen gesorgt. Oft stürzt das Wasser auf den Felsen von Stufe zu Stufe herunter und bildet durch die Wucht seines Anpralls mitten in den einzelnen Absätzen mehr oder weniger tiefe Grundlöcher, die man Kolke nennt und die mit verhältnismäßig ruhigem Wasser gefüllt sind. Der wandernde Fisch springt nun die kleineren Stufen hinauf, und wenn er müde geworden ist, so bieten ihm die Kolke Gelegenheit zum Ausruhen. Auf diese Wahrnehmung stützten sich nun die ersten Erbauer von Fischtreppen, deren Bau beifolgende Bildchen (Abb. 1 u. 2) trefflich veranschaulichen.
Abb. 2. Cailsche Fischtreppe. Grundriss. Diese Anlage, welche genau wie bei den für den Gebrauch des Menschen bestimmten Treppen, den Zweck verfolgt, eine Steigung ohne allzu große Mühe überwinden zu helfen, umgeht ein Flusswehr und besteht aus einer Reihe von Wasserbecken, deren der Strömung zugekehrte Wand eine Öffnung besitzt, durch welche der Fisch schlüpfen kann. Da das Wasser in jedem einzelnen Becken ziemlich ruhig ist, so kann der Wanderer hier jedes Mal ausruhen und Kräfte zu der Fahrt durch die nächste Schlupflücke sammeln. Das Wasser ist um so ruhiger, als diese Lücken nicht einander gegenüber, sondern abwechselnd rechts und links liegen.
Einfacher sind die Fischpässe, bei denen keine treppenartigen Absätze gebaut werden, sondern durch Herstellung einer langen Rinne die Kraft des herabstürzenden Wassers gemindert wird. Bei kleinen Wehren genügt es oft, nur einen Einschnitt in den Fachbaum des Wehrs zu machen und die Rinne mit rauen Steinen auszulegen.
Abb. 3. Hölzerner Fischpass. Aber selbst bei größeren Wasserfällen ist die Anlage eines Fischpasses höchst einfach. Sie besteht aus einer sanft aufsteigenden Holzrinne, an deren Seitenwangen bald rechts, bald links Querbrettchen angenagelt werden, durch welche die Strömung gebrochen wird. Man kann, um diese Wirkung zu erhöhen, auch in der Mitte der Rinne einige Brettchen befestigen, wie dies auf Abb. 3 veranschaulicht wird. Der Fisch schwimmt nun in dem ruhiger gewordenen Wasser des Passes im Zickzack von der einen Öffnung zur anderen, bis er den Ausgang des kleinen Labyrinths oberhalb des Wasserfalls erreicht. Der größte Fischpass dieser Art ist der Fischweg am Rukan-Fall in Norwegen. Der Fischpass umgeht diesen Wassersturz, dessen Gefälle über 27 m beträgt, zum Teil in Zickzacklinie, das heißt in derselben Weise, wie die Alpenstraßen eine Höhe überwinden. Die Anlage ist zwar nur 285 m lang, der Fisch hat aber, wegen der Windungen in dem Pass selbst, einen beinahe dreimal längeren Weg, nämlich 785 m, zurückzulegen. Dieser Aufgabe unterzieht er sich aber mit Meisterschaft, und es ist, dank der Anlage, der obere Lauf des Sire-Flusses nunmehr mit Fischen reich bevölkert.
Die Aale sind, wie bemerkt, noch genügsamer. Sie brauchen nicht einmal einen Wasserweg, sondern nur einen etwas feuchten, möglichst rauen Steg, auf dessen Unebenheiten sie bei ihren schlängelnden Bewegungen einen Stützpunkt haben.
Abb. 4. Aalrinne in der Schwentine in Holstein. Solche Aalrinnen werden meist überdeckt, damit die Fische vor den Angriffen der Raubtiere besser geschützt sind. Abb. 4 veranschaulicht die Aalrinne für die Schwentine in Holstein. Dieselbe ist mit eingebauten Querschaltern versehen, deren Zwischenräume mit Kieselsteinen gepackt sind.
So dumm sind die Fische nicht, wie sie aussehen. Man hegte bei den ersten Fischweg-Anlagen die Befürchtung, die Wanderer würden die Einfahrt in die Rinnen nicht finden. Diese Befürchtung erwies sich indessen glücklicherweise als eine irrige. Unsere Schwimmkünstler merkten überall gar bald, dass ein unbekannter Freund ihnen die Bergfahrt sinnig erleichtert; es wagen sich erst die kühneren, abenteuerlustigeren in die neue, ungewohnte Straße, und bald folgt der ganze Schwarm, es sei denn, dass der Baumeister überhaupt die Anlage verpfuscht hat, was leider noch häufig vorkommt.
Um gerade solchen Übelständen künftighin abzuhelfen, hat der Deutsche Fischerei-Verein die Herausgabe der im Eingang dieses Artikels erwähnten Schrift von H. Keller veranlasst. Sie bietet zum ersten Mal eine klare und übersichtliche Darstellung der einzelnen Systeme der künstlichen Fischwege und verdient die allgemeinste Beachtung unserer Fischfreunde.
Die erste Wasserversorgung erfolgte in der natürlichsten Weise, das heißt durch unmittelbare Entnahme des Wassers aus Quellen oder Wasserläufen. Mit zunehmendem Wachstum der Städte erwies sich diese Versorgungsweise als nicht ausreichend. Es musste auf die Zuführung größerer Wassermassen Bedacht genommen werden, was durch die Abfangung von Quellen und Leitung dieses Wassers nach den Städten geschah.
Der Ingenieur und Hamburger Baudirektor Curt Merckel (1858-1921) schildert hier ausführlich, wie sich die Anlagen zur Wasserversorgung bei den einzelnen Völkern gestalteten.