Forschung & TechnikTechnik

Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit

Eine Maschinenküche

Die Gartenlaube • 1885

Wir Deutsche sind, gleich den Amerikanern, im Erfinden von Küchen- und Hausgeräten unermüdlich. Ungezählt sind die in den letzten Jahren ausgeheckten Wasch- und Wringmaschinen, Messerputzmaschinen, Obstentkerner, Schälapparate, Kochmaschinen und Kochtöpfe, Flaschenspülvorrichtungen und wie die Geräte alle heißen mögen. Unseres Wissens ist aber bisher kein Speisewirt im Deutschen Reiche oder im Lande der Yankees auf den Gedanken geraten, bei den Vor- und Schlussarbeiten in der Küche die Menschenhand nahezu systematisch auszuschließen und obendrein die verschiedenen Küchenapparate durch Gasmotoren direkt oder unter Einschiebung von dynamoelektrischen Maschinen zu treiben. Dieses Verdienst gebührt dem Pariser Restaurateur Marguery. Verdienst sagen wir. Nicht dass wir für die Maschinenarbeit an sich sonderlich eingenommen wären, sondern weil, wie wir sehen werden, die Sauberkeit, eine bei dem Küchenbetrieb im Großen nur zu oft vermisste Tugend, dabei entschieden gewinnt.

Der Genannte ist der Besitzer eines ausgedehnten Speisehauses, in welchem täglich an tausend Personen den Hunger und Durst zu stillen pflegen. Da kann man sich denken, dass die Küche allein eine zahlreiche Schar von dienstbaren Geistern beschäftigt. Hier werden Gemüse aller Art geputzt, Kartoffeln geschält und zerquetscht, Knochen zerrieben, Krebsschwänze und Schalen zerpulvert etc., während andere Abteilungen mit Abwaschen der Teller und Gläser, mit dem Putzen von Messern und Gabeln, mit dem Spülen der leeren Flaschen die Hände voll zu tun haben. Dass bei einem so großen Betrieb nicht alles immer hergeht, wie es sein soll, versteht sich von selbst. Die Materialvergeudung ist eine ungeheure, und das jahraus, jahrein zerbrochene Geschirr allein repräsentiert ein kleines Kapital.

Schließlich wurde es selbst dem doch abgehärteten biederen Marguery zu toll und Staatsstreichgedanken reiften in seinem Gehirn. Von dem Gedanken zur Tat war nur ein Schritt, und der Rubikon ward kühnen Mutes überschritten. Eines schönen Tages erschien ein Bataillon Arbeiter, welches in dem Hause alles umkehrte. Bald drehten sich im Keller zwei Gasmaschinen, die ihrerseits mittelst Treibriemen oder gar elektrischer Leitungen mit einer stattlichen Reihe mechanischer Küchenmädchen und Küchenjungen in Verbindung gesetzt wurden. Dort in der Ecke arbeitet jetzt emsig ein kleiner Apparat, welcher die ihm anvertrauten Knochen im Nu zerkleinert; weiterhin dreht sich ein Maschinensieb, dem Marguerys Gäste die sicherlich unübertrefflichen Soßen und Pürees verdanken, welche mit möglichst unverständlichen Bezeichnungen auf der Karte prangen.

In einem anderen Raum erblicken wir eine ebenfalls durch die Gasmaschine getriebene Kaffee-Röst-Trommel sowie in der eigentlichen Küche zahlreiche Spieße, welche sich mit der größten Regelmäßigkeit drehen.

Teller-WaschmaschineTeller-Waschmaschine

Noch interessanter sind die Reinigungsmaschinen. Zwar bietet der Messerputz-Apparat an sich nichts Besonderes; desto eigentümlicher ist die hier abgebildete Tellerwasch-Maschine, welche acht Teller mit einem Mal gründlich reinigt. Der von dem Arbeiter in die Maschine gesteckte unreine Teller wird sofort am Rande von einem dreizackigen Greifer gepackt und in kochendes Wasser getaucht, worin er eine Weile verbleibt und dabei tüchtig gerüttelt wird, damit sich die Fettteile ablösen. Der Teller gerät alsdann von selbst unter Bürsten, die ihn energisch bearbeiten, und gelangt alsdann in fortwährend erneuertes kaltes Wasser, wo er von allen Unreinigkeiten vollends befreit wird. Derselbe Arbeiter ergreift ihn endlich mit der linken Hand und steckt ihn in die rechts sichtbare Abtropf-Vorrichtung. Die Maschine wäscht an 4000 Teller täglich ab und bietet den großen Vorteil, dass das Geschirr stets von frischem Wasser bespült wird, niemals mit einem bereits gebrauchten Spülwasser in Berührung kommt. Auch zerbricht sie, im Gegensatz zu den meisten Dienstmädchen, nichts.

Die in demselben Etablissement aufgestellte Flaschenspülmaschine ist nicht bloß an sich, sondern auch durch den Umstand interessant, dass sie von einer kleinen, dynamoelektrischen Maschine getrieben wird. Die Flaschen drehen sich in dem Apparat 300 mal in der Minute, was so viel heißt: Jeder Teil der Wandung kommt während des 36 Sekunden dauernden Aufenthaltes in der Maschine mit den Bürsten etwa 180 mal in Berührung! Wenn das nicht genügen sollte, so müsste man auf die Flaschenreinigung überhaupt verzichten. Die Spülung erfolgt mit stets frischem Wasser; ebenfalls ein Vorzug, der ins Gewicht fällt. Mit Hilfe des Apparates können zwei Mann und ein Junge stündlich 400 Flaschen reinigen. Auch diese Maschine zerbricht nichts und liefert alles unversehrt wieder ab. Daran mögen sich Küfer und Küchenfeen ein Beispiel nehmen!

• G. van Muyden

• Auf epilog.de am 9. September 2016 veröffentlicht

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