Verkehr – Straßenverkehr
Eddington und Steevensons Straßen-Lokomotive
Polytechnisches Journal • 22.6.1887
Auf der letzten der jährlich wiederholten Ausstellungen landwirtschaftlicher Maschinen, welche vom Smithfield Club in der Agricultural Hall zu London veranstaltet werden, war neben anderen Straßenlokomotiven bekannter Anordnung die von Eddington und Steevenson in Chelmsford (England) ausgestellte mit einigen bemerkenswerten Neuerungen ausgestattet.
Die allgemeine Anordnung dieser zur Lastenbeförderung auf der Straße bestimmten Maschine ist in Fig. 1 bis 4 nach dem Engineer dargestellt und unterscheidet sich nicht von der gebräuchlichen Bauart. Der Kessel vertritt gleichzeitig das Gestell des Fahrzeugs und das Bett der Maschine; er stützt sich mit seinem Vorderteil auf die in einem Kugelgelenk drehbare Laufachse und unterhalb der Heiztür auf die Treibachse mittels zweier an den ebenen Kesselwänden befestigter Stützbleche, welche außerdem die Vorgelegewelle sowie den Führerstand samt Wasser- und Kohlenkasten tragen.
Die Steuerung des Fahrzeuges erfolgt durch Verdrehung der Laufachse mittels einer Kette, von welcher je ein Ende an einer Seite der Laufachse angehängt und in der Mitte über eine kleine Windetrommel geschlungen ist, welche vom Führerstande aus mittels Schneckentrieb vor- oder rückwärts gedreht werden kann.
Der Antrieb der Treibachse erfolgt von der Kurbelwelle der Maschine aus durch Vermittelung des Vorgeleges und ist, wie bei allen derartigen Maschinen üblich, nach Bedarf auf zwei verschiedene Geschwindigkeiten einzustellen. In der Anordnung dieser Einstellung liegt ein wesentlicher Vorzug der betreffenden Maschine. Bisher wurde dieselbe ähnlich wie bei Spindelstöcken von Drehbänken durch zwei verschiedene Zahnräderpaare vermittelt, welche auf der seitlich verschiebbaren Vorgelegewelle angebracht waren und je nach Bedarf in eine der zwei auf der Treibachse befestigten Treibkolben eingeschaltet wurden. Hier entfällt die seitliche Verschiebung der Vorgelegewelle v (Fig. 1, 2, 4 und 7) und findet die Umschaltung durch eine Verdrehung derselben um beiläufig 60° statt. Auf dieser Welle v sitzen die beiden Übertragungsräder a und b nicht zentrisch zur Wellenachse, sondern auf einem exzentrischen Zapfen, welcher so angeordnet ist, dass bei der Verdrehung der Vorgelegewelle das kleine Getriebe b in unverändertem Eingriff mit dem die Treibachse antreibenden Stirnrad C verbleibt, das von der Kurbelwelle angetriebene Rad a dagegen sich von der Kurbelwelle entfernt. Hierdurch wird ermöglicht, an die Stelle des auf der Kurbelwelle fest aufgekeilten kleineren Getriebes ein dasselbe übergreifendes größeres Stirnrad d (vgl. Fig. 1, 2 und 7) einzuschieben und hiermit die höhere Geschwindigkeit des Fahrzeugs bei gleichbleibender Umdrehungszahl der Kurbelwelle zu erreichen. Der wesentliche Vorteil dieser Abänderung besteht außer der Verminderung der Teile hauptsächlich in der dadurch ermöglichten geringeren Breite der ganzen Maschine sowie in dem günstigen Angriff beider Antriebszahnräder unmittelbar neben dem Kurbelwellenlager.
Die Bewegungsübertragung von der Vorgelegewelle auf die beiden großen Treibräder erfolgt in der üblichen Weise durch den Kompensationsapparat, ein Differentialgetriebe, welches eine Verdrehung der beiden Räder gegeneinander gestattet und hierdurch das zwanglose Fahren in kleinen Kurven ermöglicht. Wie aus Fig. 4 ersichtlich, sitzen die Naben beider Treibräder lose auf der Achse, welche innerhalb der Räder, mit langen Hülsen in den Achslagern laufend, zwei Muffen aufgekeilt hat; von diesen ist der links befindliche Muff durch einen auslösbaren Bolzen mit dem betreffenden Treibrad gekuppelt, der rechts befindliche mit einem Kegelradkranz versehen. Ein gleicher Kegelradkranz läuft diesem gegenüber, lose auf der Radnabe und ist durch einen ebenfalls auslösbaren Bolzen mit dem rechten Treibrad gekuppelt; zwischen den Kränzen befinden sich zwei kleine Zahnkegel, welche den Antrieb der Treibräder bewirken, da ihre Achsen mit der verzahnten Antriebsscheibe C fest verbunden sind (vgl. Fig. 6). Da diese Achsen mit ihren inneren Enden mit einem auf der festen Kegelradhülse lose laufenden Ring fest verbunden sind, so dient derselbe gleichzeitig als Nabe der Stirnradscheibe C.
Aus dem beschriebenen Zusammenhang geht hervor, dass die beiden Zahnkegel nur als Mitnehmer dienen und das Kompensationsgetriebe sich unverändert mit der Treibachse und den Treibrädern dreht, solange die beiden Treibräder den gleichen Fortbewegungswiderstand auf der Straße finden. Wird dieser Gleichgewichtszustand gestört, was besonders im Fahren von Kurven stattfinden wird, so können sich die Räder in dem erforderlichen Maß gegeneinander verdrehen, ohne dass der Zusammenhang des Systems irgendwie gestört wird. Soll jedoch aus irgendeinem Grund eine gegenseitige Verdrehung der Treibräder hintangehalten werden, so genügt dazu die Einrückung der in Fig. 5 eingelöst gezeichneten Knagge.
Die auslösbaren Kuppelungsbolzen der Treibachse ermöglichen es, die Straßenlokomotive auch als Winde zu benutzen und besonders bei steilen Rampen derart zu verwenden, dass sie zunächst allein die Steigung bewältigt und sodann feststehend die zu befördernden Wagen mittels des von der Windetrommel abgelaufenen Seiles nachzieht. In diesem Fall werden die Treibräder ausgelöst und die Seiltrommel (Fig. 4) durch Schrauben mit der links befindlichen Achsenhülse verbunden.
Von weiteren Einzelheiten sind noch folgende hervorzuheben: die im Kessel oberhalb der Siederohre eingenietete Platte (Fig. 1), welche in Gefällen die Erhaltung des Wasserspiegels über der Feuerbüchse sichert und im Allgemeinen das Wasserreißen mindert. Die Verschalung des Kessels ist so eingerichtet, dass sie in einer Stunde vollständig abgenommen wird, ohne das Abnehmen von Maschinenteilen zu erfordern, und sofort ohne Nacharbeit wieder angebracht werden kann. Das große Rad a auf der Vorgelegewelle v hat, wie in Fig. 4 angedeutet, seinen Zahnkranz im Radumfang beweglich gelagert und überträgt den Zahndruck nicht unmittelbar, sondern mittels sechs starker Schraubenfedern auf das Vorgelegegetriebe b.
Endlich sei noch die Bandbremse auf den an den Rädern befindlichen Bremsscheiben e erwähnt, sowie die Konstruktion des Zylinders (vgl. Fig. 1 und 3), dessen Inneres aus einem eingepressten Rohr von hartem Gusseisen besteht, während der Mantel gleichzeitig als Dampfdom dient.
• M–M.