Alte Berufe und Gewerke
Drahtzieher
Pierers Universallexikon • 1857–65
Draht, Faden von Metall, nach dessen Verschiedenheit man Gold-, Platin-, Silber-, Messing-, Kupfer-, Eisen-Draht hat. Die Personen, welche Draht verfertigen, heißen Drahtzieher; sie teilen sich hauptsächlich in Gold- und Silber- und gewöhnliche Drahtzieher.
Drahtzieher. Abbildung aus ›Stände und Handwerker‹ (1539 – 91). Erstere sind zünftig, Letztere meist Hüttenarbeiter, und teilen sich wieder in Grob-, welche an der größeren Ziehbank arbeiten, und Klein- (Scheiben-) Drahtzieher, welche an der kleinen Ziehbank arbeiten.
Geschmiedete, gewalzte oder gegossene Metallstäbe werden dadurch in Draht verwandelt, dass man sie nach und nach durch die in einer Stahlplatte angebrachten Löcher von abnehmender Größe hindurchzieht. Diese Platte (Zieheisen) ist an dem einen Ende der Ziehbank befestigt. Letztere besteht in einer hölzernen Bank 6 bis 20 Fuß [rd. 2 –7 m] lang und ist an dem, dem Zieheisen entgegengesetzten Ende mit einem Mechanismus versehen, vermittelst dessen eine Zange, nachdem dieselbe das zugespitzte und durch das größte Loch gesteckte Ende des Metallstabes gefasst hat, zurückgezogen wird. Um zu bewirken, dass das Maul der Zange um so fester in den Metallstab eingreift, je größere Kraftanstrengung zur Fortbewegung nötig ist, ist das Seil, welches die Zange, indem es sich aufwindet, nachzieht, an einem ovalen Ringe befestigt. Dieser presst, je fester er angezogen wird, desto stärker die Schenkel der Zange, welche mit aufstehenden ringförmigen Ausbiegungen versehen sind, zusammen. Wenn der Draht länger und nachdem die Metallmasse eine faserige Struktur angenommen hat, biegsamer geworden ist, so wird er, sobald er aus der Zange kommt, auf die Drahtwinde gewunden.
Ist der Draht, dessen Verlängerung zur Verringerung seines Durchmessers im quadratischen Verhältnis steht, bis auf 4 – 3 [rd. 9 – 6 mm] Linien im Durchmesser reduziert, so kommt er auf die kleinere Ziehbank (Abführtisch). In der Mitte derselben befindet sich gleichfalls ein Zieheisen und hinter demselben der Hut, ein rundes, bewegliches Holz, auf welches der Draht aufgewickelt wird; vor dem Zieheisen ist die Stockrolle, ein hölzerner oder eiserner Zylinder, welcher mit zwei Hebeln umgedreht wird; der wieder zugespitzte Draht wird erst ein Stück weit mit einer Zange durch das Zieheisen gezogen, dann in ein Loch der Stockrolle befestigt und durch das Umdrehen derselben ganz durchgezogen; auf diese Art muss der Draht wieder durch 40 – 50 Löcher des Zieheisens laufen.
- R E K L A M E -
Um das Reißen des Drahtes zu verhüten, muss das Metall dann und wann ausgeglüht und, um die durch das Ausglühen entstehende Oxidkruste zu entfernen, in verdünnte Schwefelsäure gelegt werden.
Man unterscheidet trockenes und nasses Ziehen. Bei dem ersteren Verfahren werden die Zieheisen nur mit Fett beschmiert, bei dem letzteren, welches man bes. für feinere Drähte anwendet, geht der Draht, bevor er das Zieheisen passiert, durch saure Bierhefe, auf deren Oberfläche Öl schwimmt, dann über einen mit Öl getränkten Lederlappen.
Die Alten schon brauchten den Draht zu Waffen, Kleidern, Schmucksachen etc. Früher wurde er mit dem Hammer gestreckt, und erst zwischen 1360 und 1400 soll der Nürnberger Rudolph das Drahtziehen erfunden haben. Indessen bestand schon 1370 ein Drahtziehhammerwerk in Nürnberg. Später wurde das Ziehen des feinen Gold- und Silberdrahtes in Frankreich ausgebildet und kam erst von hier in der Mitte des 16. Jahrhunderts nach Deutschland.