Handel & Industrie

Die Zeitschriften

Pfennig Magazin • 27.7.1833

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Die Zeitschriften sind überall das Werkzeug der Verbreitung der Bildung und Versittlichung und eine wahre Geschichte des Vorwärtsschreitens eines jeden Volkes in der Politik, in den Künsten und Wissenschaften, in Gewerben und Handtierungen jeder Art, in allen Lebensgenüssen und Bequemlichkeiten. Sie unterrichten und vergnügen jede Volksklasse.

Da die Zeitschriften in unseren Tagen so viel Gutes neben so vielem Bösen bewirken, so muss die Kunde ihrer Entstehung und ihrer Entwickelung eine nützliche Belehrung für die Zeitgenossen sein. Wir liefern zu dieser Forschung einige Tatsachen.

Merkwürdig bleibt immer, dass die Zeitschriften, besonders politische, erst so spät entstanden, und dann, dass die ersten Zeitschriften politische waren. Die älteste politische Zeitung hatte Venedig 1563, aber sie durfte unter dessen argwöhnischer Verwaltung nur geschrieben, aber nicht gedruckt verteilt werden. Sie enthielt Kriegs- und Handels-Nachrichten, und jedes Blatt kostete eine Münze, genannt Gazetta. In England erschien die älteste politische Zeitung im Jahr 1588, als die spanische Armada dieses Reich bedrohte und durch ihre Agenten in England besonders die katholischen Mitburger Englands in Hoffnungen und die protestantischen in Furcht setzen wollte. Lord Burleigh, damaliger Minister der Königin Elisabeth, riet solcher, ihm zu erlauben, ihr Volk vom wahren Stand der Dinge amtlich durch eine Hofzeitung zu unterrichten. So erschien bei Christoph Barker, Hofbuchdrucker, in jenem Jahr ein Blatt des englischen Merkurs am 26. Juli 1588 mit folgendem Artikel:

»Ehegestern hatten die schottischen Gesandten, eingeführt durch Sir Francis Walsingham, eine Privataudienz bei Ihrer Majestät der Königin, und überreichten derselben ein Schreiben ihres königlichen Herrn (Jakob VI., nachherigen Thronfolgers der Königin), enthaltend die herzlichsten Versicherungen seines Entschlusses, dem Interesse Ihrer Majestät und der protestantischen Religion treu bleiben zu wollen. Wobei wir ein weises und geistvolles Wort des jungen Fürsten (er war damals 22 Jahre alt) an den Minister der Königin an seinem Hofe hervorheben, dass er, wie einst Ulysses vom Polyphem, vom spanischen Hofe keine andere Gunst erwarte, als von solchem zuletzt verzehrt zu werden.«

Würde sich, sagt der Geschichtsschreiber Chalmers, irgendeine Hofzeitung unserer Tage zweckmäßiger und unterhaltender für das Volk, in gleichen Verhältnissen, als damals Englands Monarchie zum spanischen Hof stand, über die Einführung eines fremden Gesandten ausdrücken können? Eine andere Merkwürdigkeit dieses Blattes ist, dass es nicht eine Spur von dem in unsern Tagen so beliebten Hofzeremoniell, das damals gewiss nicht fehlte, enthalt, weil daraus das vernünftige englische Volk keine Belehrung geschöpft haben würde.

Aber Burleigh schrieb stets nur außerordentliche Hofzeitungen, denn er verstand vollkommen, bald sein Vaterland in Schrecken zu setzen, bald dessen Mut und Patriotismus in diesem gefährlichen Krieg zu erheben.

Das erste Blatt des engl. Merkur erschien wahrscheinlich im April 1588, als Spaniens Armada sich den Küsten Englands näherte.

Nachdem die spanische Flotte zerstreuet und die Gefahr der Landung der Spanier abgewendet worden war, erschien die außerordentliche Hofzeitung seltener. Den 24. November 1588 berichtete solche, dass an diesem Tag in den Staaten der Königin ein allgemeines Dankfest wegen des Sieges und der Vertilgung der spanischen Armada im Britischen Reich gebührend gefeiert worden sei. Auch da fehlt das Programm des Textes, der Gesänge, Litaneien und Prozessionen, denn Burleigh schrieb in den Berichten an die Königin und an seine Mitbürger kurz und kräftig, in einer edleren Sprache, als sie damals der Kanzleistil verlangte. Frankreich erhielt erst unter dem Minister Richelieu eine Hofzeitung durch ein Patent, das Theophrast Redaunot in Paris erteilt wurde.

Als die Hofzeitung Burleighs schwieg, verlangte das an solche Berichte gewohnte Volk etwas Ähnliches; doch der Minister hörte auf, daran selbst zu arbeiten. Das neue Blatt hieß Die Neuigkeiten der letzten Woche.

Wahrend des bürgerlichen Kriegs in England, in den Tagen der unglücklichen Missverständnisse Karls I. mit seinem Volke, erschienen unter dem Namen Neuigkeiten eine Menge Parteischriften. Im Jahr 1665 residierte Karl II. wegen der Pest in London, in Oxford, und hielt dort Parlament. Das benutzte die dortige Universität und gab eine Oxforder Hofzeitung heraus. Sie wurde in London nachgedruckt auf zwei kleinen Folio-Seiten, auf Verlangen der Kaufleute und der Gentry. Von 1661 bis 1688 erschienen 70 Zeitungen, und im Jahr 1696 für die Londoner Kaffeehäuser neun Zeitungen, von denen der London Courant am meisten gelesen wurde.

Nachdem die Königin Anna 1702 den Thron bestiegen hatte, erschien 1709 ein Daily Courant, also alle Tage, nur nicht an Sonntagen. Die anderen Zeitblätter erschienen höchstens dreimal in der Woche, oder noch seltener. Im Jahr 1831 wurden bloß in London 22 Millionen Zeitungen, ungeachtet des kostbaren Stempels und der hohen Abgabe von Bekanntmachungen, ausgegeben.

Die erste deutsche Zeitung, Aviso (eine Nachahmung der Gazetta), erschien in Deutschland 1612, und im Jahr 1615 das Frankfurter Journal.

Die Zeitungspolitik bearbeiteten lange allein die Ministerien und ihre Anhänger. Die Opposition wagte nur durch Tatsachen eine den Ministerien widrige Meinung, ohne alles freimütige Urteil auszudrucken. Die Tatsachen, Manifeste, Hofberichte aus der zivilisierten Welt sammelte mit Unparteilichkeit der Hamburger Korrespondent, ein Zeitungsblatt, das sich nun schon 130 Jahre halt.

Es scheint jetzt fast alle deutschen Regierungen die Idee ergriffen zu haben, durch eine Landeszeitung im Plan Burleighs die Volksmeinung leiten zu wollen. In den vier deutschen Freistädten sind die Redaktionen sehr unabhängig in der Darstellung des Inländischen, sie verschmähen aber mit Vorsicht, sich für oder gegen einige Missbräuche ihrer Republik auszusprechen. In Hinsicht der ausländischen Berichte waltet eine strenge Zensur vor.

In den konstitutionellen deutschen, kaiserlichen, königlichen und großherzogl. Staaten tragen die ministeriellen Landes-Zeitungen die Farbe des Ministeriums. Selbst einige herzogliche und fürstliche Staaten haben einige Landeszeitungen, und die Gunst der Mehrheit des Bundestages scheinen in Frankfurt die Oberpostamts- und die dortige französische Zeitung zu verdienen.

Wir haben drei merkwürdige Amtszeitungen dreier absolut, jedoch keineswegs willkürlich regierter Staaten, die Petersburger, die Berliner und die Wiener. Alle drei tragen die Farbe des gebildeten Teils ihrer Nation und belehren uns schnell über Landesverbesserungen, die von der Regierung oder von großmütigen oder klugen Privatleuten ausgehen, jedoch in Gegenständen des Handels und des Gewerbefleißes mehr, als in Gegenständen der Landwirtschaft, wenn sie nicht eine unmittelbare Stütze des Gewerbewesens sind, was freilich bei der Wichtigkeit der Landwirtschaft getadelt werden kann.

Von dem echten britischen Patrioten, Lord Brougham, ging die Idee aus, die Aufklärung und den Segen nützlicher Kenntnisse für alle Klassen durch wohlfeile Schriften zu verbreiten.

Übrigens vergessen die englischen Zeitungen sämtlich, und daher auch die ausländischen, das Publikum vom Inhalt und den Debatten der parlamentarischen Privatbills zu unterrichten, und oft sind diese Debatten für uns weit lehrreicher, als die so oft wiedergekauten Ministerial- und Oppositionsmeinungen über allgemeine Gesetze und Staatsverwaltung.

Die Privatbills sind nämlich Gesetze für einzelne Falle, die auf Antrag der Betreffenden gegeben werden, welche auch auf vergangene Begebenheiten Einfluss haben. Dahin gehören Abänderungen testamentarischer Verfügungen, wenn die Erben solche in ihrem eigenen und im Gemeinwohl abgeändert wünschen. So hatte einmal ein verschwenderischer Lord testiert, dass zur Bezahlung seiner ungeheuren Schulden seine irländischen Besitzungen verkauft und die englischen den Erben verbleiben sollten. Die Erben verlangten das Umgekehrte, weil sonst die Schulden nicht bezahlt werden konnten, und erlangten es. Ferner gehören zu den Privatbills die Gemeinheitsteilungen, wenn sich die Interessenten, die Zehntherren usw. darüber nicht einigen können, die Kanal- und die neuen Eisenbahnen, um die Landbesitzer zu zwingen, das nötige Land nach unparteiischer Schätzung Sachverstandiger den Unternehmern zu überlassen; auch die Strafe der Verbrecher, über die die Gesetze nichts deutlich bestimmt haben; denn in England darf nur die Gesetzgebung und nicht der Richter Willkür üben. Daselbst gilt keine Anwendung älterer Entscheidungen in ähnlichen Fällen. Das Parlament lässt sich nur durch ihm klar scheinende Grundsätze des Gemeinwohls usw. leiten. Wir könnten daraus viel Lehrreiches schöpfen; aber noch hat kein Schriftsteller diese Quelle mancher Belehrungen über weise Entscheidungen und über Fehlschritte des britischen Parlaments studiert, zur Lehre für die Briten und für das Ausland.

• Auf epilog.de am 2. März 2024 veröffentlicht

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