Handel & IndustrieDruck & Papier

Die Setzmaschine ohne Satz

Illustrierte Technik • 12.8.1925

Voraussichtliche Lesezeit rund 8 Minuten.

Das zunächst etwas paradox anmutende Problem, eine Setzmaschine zu bauen, die keine zum Druck bestimmten Bleizeilen oder Lettern erzeugt, beschäftigt zahlreiche Köpfe, seit ein Druckverfahren mehr und mehr aufkommt, das selbst von der unmittelbaren Verwendung des üblichen Buchdrucksatzes keinen Gebrauch machen kann, der heute so viel genannte Offsetdruck. Dieser beruht darauf, dass vom lithographischen Stein oder Zink mittels eines auf eine Walze gespannten Gummituches die Farbe abgenommen und aufs Papier übertragen wird. Das Gummituch bringt vermöge seiner Weichheit dabei die Farbe in alle Poren des Papiers. Dadurch können auch sehr feine Zeichnungen oder Fotografien auf raues Papier gedruckt werden. Daneben sind noch große Vorteile hinsichtlich der Druckgeschwindigkeit zu verzeichnen.

Eine besondere Bedeutung hat der Offsetdruck dadurch erlangt, dass er die Grundlage der vielen Neudruckverfahren geworden ist, die heute eine billige und schnelle Herstellung von Neuauflagen schon vorhandener Druckwerke ermöglichen, von denen der ursprüngliche Satz oder Stereotypieplatten nicht vorhanden sind. Es wird hierzu auf irgendeinem fotografischen Weg, in dessen Einzelheiten sich die verschiedenen Verfahren unterscheiden, ein Negativ des betreffenden Werks Seite für Seite hergestellt. Dabei ist in beschränktem Maß auch eine Verkleinerung und Vergrößerung möglich. Dieses Negativ wird auf die Zinkplatte der Offsetmaschine kopiert und von dieser dann gedruckt, nachdem sie die entsprechende lithographische Behandlung erhalten hat.

Man hat nun oft ein Interesse daran, auch bisher noch nicht gedruckten Text im Offsetverfahren zu vervielfältigen, sei es, dass er zu Bildern gehört, die in diesem hergestellt werden sollen, sei es, dass das neue Druckverfahren zur Bewältigung besonders großer Auflagen oder aus Gründen der Preiswürdigkeit bevorzugt wird. In diesen Fällen bleibt bisher nichts anderes übrig, als den Text zuerst einmal aus Buchdrucklettern zu setzen, nach Korrektur einen sauberen. Abzug auf Kunstdruckpapier zu machen und diesen dann auf den Stein oder die Zinkplatte umzudrucken. Es ist selbstverständlich, dass der erfinderische Geist des Menschen diesen Umweg nicht dauernd mit ansehen kann. Deswegen hören wir seit dem großen Aufschwung des Offsetdruckes immer wieder von Versuchen der Erfindung einer Setzmaschine, die keinen Letternsatz, sondern gleich ein zum Umdruck geeignetes Satzbild erzeugt. Diese Versuche bewegen sich auf zwei verschiedenen Linien.

Die eine, von Amerika an erster Stelle vertreten, denkt daran, an Stelle der Matrizen der Buchdrucksetzmaschine Diapositive (Durchsichtbilder) der einzelnen Buchstaben zu verwenden, die durch den Setzapparat geordnet, dann von einer Lichtquelle durchleuchtet und auf ein empfindliches Papier projiziert werden. Auf diesem würde dann ein lebendes Bild Zeile für Zeile entstehen, das dann entwickelt eine brauchbare Druckvorlage gäbe. Die Konstruktion einer solchen Maschine scheint außerordentlichen Schwierigkeiten begegnet zu sein, denn sie ist trotz der häufigen Ankündigungen bisher nicht in die Öffentlichkeit getreten.

Dagegen konnte die andere Linie auf der diesjährigen Druckerei-Fachausstellung in London der Welt einen greifbaren Erfolg vor Augen führen und damit von vornherein das Hauptinteresse auf der ganzen Ausstellung für sich beanspruchen. Eine Schweizer Firma, die Typar- und Typon-Gesellschaft in Laupen bei Bern, brachte zwei Maschinen auf ihren Stand und hielt sie dauernd in Betrieb, bei denen dem Problem von der Seite der Schreibmaschine her zu Leibe gegangen ist. Die Geschichte der Erfindung ist eine seltsame und langwierige. Den ersten Anstoß gab, ohne es zu wissen, im Jahre 1917 ein Deutscher namens Werner Schaeffer, der sich mit der Erfindung einer geräuschlosen Schreibmaschine beschäftigte. Seine Versuche blieben liegen, da trotz erreichter Patentreife keine einzige Schreibmaschinenfabrik sich damit einlassen wollte. 1920 kam Schaeffer in Verbindung mit dem bekannten Offsetdrucker Ullmann in Zwickau, der sich besonders mit dem Offset-Nachdruckverfahren beschäftigte, und erhielt von ihm die Anregung, ein Versuchsmodell zu machen. Aber auch Ullmann sah einen endgültigen Weg, aus der Erfindung etwas zu machen, nicht. Durch ihn bekam Schaeffer jedoch die Verbindung mit dem Direktor Feller der Poligrafischen Gesellschaft in Laupen, der größten Schweizer Offsetdruckerei. Feller beschäftigte das Problem sehr, er suchte geradezu nach der Offsetsetzmaschine, und als er bei Ullmann von Schaeffers Versuchen hörte, ging er sofort der Sache nach. Durch das Verständnis des Vorsitzenden der Poligrafischen Gesellschaft, Th. Tobler, war es. möglich, die Versuche fortzusetzen und eine genügende wirtschaftliche Basis dafür zu schaffen. Schaeffer kam nach Laupen, und nach mehrjährigem Arbeiten gelang es, eine brauchbare Maschine herauszubringen, wobei ein Schweizer Ingenieur Egli bedeutenden Anteil hatte.

VersuchsmaschineEine der ersten Versuchsmaschinen. Der Stäbchenkasten ist deutlich sichtbar.

Die Typen-Maschine hat in ihrer endgültigen Form mit der Schreibmaschine nur noch die Tastatur und die Schreibwalze gemeinsam. Alle anderen Bestandteile mussten eine grundlegende Veränderung erfahren, um die Schwierigkeiten des Haupterfordernisses zu überwinden, dass nämlich hier typographische Lettern von ungleicher Breite zur Anwendung kommen und außerdem auf stets gleichbreite Zeilen gebracht werden müssen. Natürlich konnte auch das Farbband nicht beibehalten werden, das eine Unschärfe des Abdruckes der Type zur unvermeidlichen Folge hat. Es musste durch ein Farbwerk ersetzt werden. Die Schwierigkeiten, die in diesen Änderungen lagen, waren sehr große.

TypenstäbchenOriginal-Typenstäbchen der Typar-Maschine.

Der wesentlichste Bestandteil der Maschine in ihrer jetzigen Form sind die Typenstäbchen, welche in dem rückseitigen Kasten enthalten sind. Sie sind von rechteckigem Querschnitt; ihre Breite entspricht der Buchstabenbreite, ihre Höhe beträgt 9,5 mm, ihre Länge etwa 92 mm. Auf jedem Stäbchen sind 12 verschiedene Buchstaben von gleicher typographischer Breite angebracht, und zwar rechtwinklig zu der gewöhnlichen Art, in der Buchstaben aneinandergereiht sind (nicht nebeneinander, sondern einer über dem andern). Zwischen jedem Buchstaben ist ein Einschnitt, der zum Gleichrichten der Buchstaben in der Zeile dient. Ein Längseinschnitt an der Seite des Stäbchens dient dazu, es in seine Laufrinnen in der Maschine zu führen. Die beiden Enden des Stäbchens sind messerartig zugeschliffen, damit es seinen Weg leichter nimmt. Zwölf Stäbchen, welche zusammen einen kompletten Schriftsatz enthalten, liegen übereinander in einer Metallkassette, die sich senkrecht bewegt. Diese Kassetten sind leicht auswechselbar gegen solche mit anderen Schriftcharaktern. In jeder Kassette befindet sich noch ein Ausschlussstäbchen, welches keine Buchstaben, aber an jeder Seite eine Stahlfeder trägt.

Der Satz geschieht nun in folgender Weise: Auf den Druck auf eine Taste hebt sich eine Metallkassette im Magazin so hoch, dass ein Stäbchen, welches den gewünschten Buchstaben trägt, sich in der Höhe der oben waagerecht im Mittel der Maschine liegenden Schließ- und Druckplatte befindet. Das Stäbchen gleitet aus der Kassette vor und wird so arretiert, dass der gewünschte Buchstabe auf der Zeilenlinie steht. Es folgt dann das nächste Stäbchen daneben usw., bis das Wort fertig ist, dann kommt ein Ausschließstäbchen mit Federn als Zwischenraum, dann beginnt das nächste Wort. Es ist zu beachten, dass dieses Setzen zunächst lose erfolgt. TyparDas letzte Zweischriften-Modell der Typar. Die Stäbchen stehen noch nicht eng aneinander, sondern weit zwischen Führungsblechen. Auf einem Zifferblatt sieht der Setzer, ob die Zeile sich dem Ende nähert, das ein Glockensignal bekannt gibt. Durch einen Druck auf einen Hebel wird nun der Abziehmechanismus in Bewegung gesetzt. Zuerst werden die Stäbchen auf der Schließplatte seitlich auf die Zeilenbreite zusammengepresst. Die Federn der Ausschließstäbchen sorgen dabei für gleichmäßige Zwischenräume zwischen den Worten. Dann kommt von der Seite das Farbwerk und färbt mit einer schmalen Walze die abzuziehende Zeile, also von jedem Stäbchen nur den auf die Linie gebrachten Buchstaben ein. Nachdem es sich zurückbewegt hat, senkt sich von oben die Walze mit dem Papierstreifen auf die Zeile und nimmt von dieser die Farbe ganz exakt ab, so dass auch ein Waschen der Typen sich erübrigt. Beim Wiederhochgehen bewegt sich das Papier um eine Zeile weiter. An beiden Enden der Zeile werden Passkreuze mitgedruckt, welche für spätere Korrekturen von Wichtigkeit sind. Nach dem Abzug wird die Zeile wieder auseinandergezogen und die Stäbchen kehren in ihre Kassetten zurück. Während des Abziehvorgangs, den die Maschine völlig automatisch erledigt, wird bereits die nächste Zeile gesetzt.

Der bedruckte Streifen, auf dem Zeile um Zeile das Satzbild in klarstem Druck erscheint, wird auf Seitengrößen zerschnitten und ist damit schon zum Umdruck für die Offsetmaschine bereit. Korrekturen werden wie bei anderem Maschinensatz dadurch gemacht, dass die, betreffenden Zeilen oder Abschnitte neu gesetzt und eingefügt werden. Zwei besondere kleine Apparate dienen zum ganz genauen Beschneiden und Wiederzusammensetzen der Stücke. Ebenso werden Überschriften, Seitenzahlen, gegebenenfalls in Bandabzügen aus anderen Schriften, ohne Schwierigkeiten eingeführt. Jede Einzelheit des Verfahrens ist durchdacht und bis zur möglichsten Vollendung ausprobiert. Auch die Durchkonstruktion der Maschine, bei der wie bei jeder modernen Setzmaschine die Bewegungen aller Einzelteile auf Tastenauslösung mit Kraftantrieb erfolgen, muss als vollkommen bezeichnet werden. Für ihre Serienherstellung, die jetzt in die Wege geleitet ist, hat die Gesellschaft die Schweizerische Lokomotivfabrik Winterthur gewonnen.

ReflexProgress

Von der größten Wichtigkeit für den Erfolg einer solchen Maschine ist, dass ihr ein vollkommenes fotografisches Verfahren zur Übertragung des Satzbildes auf die Offsetplatte zur Verfügung steht. Dieses schuf sich die Gesellschaft in dem Typonverfahren, das jede komplizierte Apparatur vermeidet. Es beruht auf dem Reflexverfahren, bei welchem die zu fotografierende Vorlage mit der Schichtseite des lichtempfindlichen Papiers in enge Berührung gebracht wird. Die Belichtung erfolgt durch das lichtempfindliche Papier hindurch. Die weißen Stellen der Vorlage reflektieren das Licht und so ergibt sich ein negatives Abbild. Ein Halbfilter wird dabei zur Erzielung reiner Schwarz-weiß-Wirkung vorgeschaltet. Nach der Belichtung wird der Typon-Film, bzw. das Typon-Papier entwickelt und fixiert. Es ist nach dem Trocknen zum Kopieren auf die Zinkplatte bereit. Die Ergebnisse mit dem Typonverfahren sind ausgezeichnet und bedeuten einen großen Fortschritt für den Offsetdruck. In ihrer Gesamtheit sind die beiden Erfindungen von der weittragendsten Bedeutung für die weitere Entwicklung der Drucktechnik und insbesondere des Offsetverfahrens.

• F. L. Habbel

• Auf epilog.de am 9. April 2023 veröffentlicht

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