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Bewegliche Bürgersteige für New York

Harper’s Weekly • 28.2.1903

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Die New Yorker Stadtverwaltung steht vor einem neuen Verkehrsproblem. Es geht darum, wie man die Manhattan-Terminals der drei großen Brücken über den East River miteinander und mit der U-Bahn und der Hochbahn sowie mit den wichtigsten Verkehrslinien im Norden und Süden verbinden kann, damit der Verkehr von Brooklyn nach Manhattan ungehindert fließt. Die gegenwärtige Brooklyn Bridge muss entlastet werden und die kurz vor der Fertigstellung stehende Williamsburg Bridge und die sich im Bau befindliche Manhattan Bridge müssen einen Teil des Verkehrs übernehmen.

Es gab Vorschläge für spezielle U-Bahn- und Hochbahnschleifen usw., die aber mit hohen Aufwendungen für neue Straßenöffnungen und Plätze verbunden sind, es fehlt aber ein Konzept, wie man diese Brücken mit dem größten Nutzen für den Verkehr und zu den geringsten Kosten bauen kann.

Der neueste Vorschlag zur Lösung dieses Problems liegt jetzt dem Board of Estimate vor, der ihn an die Schnellverkehrs-Kommission weitergeleitet hat. Er ist im Volksmund unter der falschen Bezeichnung ›Bewegliche Bürgersteige‹ bekannt. In Wirklichkeit handelt es sich um ein System mit beweglichen Plattformen oder durchgehenden Zügen. Männer wie Cornelius Vanderbilt, Stuyvesant Fish, E. P. Ripley und andere sind an dem neuen Plan interessiert, und die Ingenieure halten ihn nicht nur für machbar, sondern auch für äußerst wirtschaftlich. Die bewegliche Plattform ist einfach die Verbesserung der endlosen Bahnen, die auf den Ausstellungen in Chicago und Paris in Betrieb waren und die Millionen von Menschen mit hoher Geschwindigkeit und komfortabel ohne Unfall beförderten.

Bewegliche Bürgersteige in New YorkUnterirdische bewegliche Bürgersteige in New York.

Im Allgemeinen besteht der Plan darin, in Bowling Green, am unteren Ende von New York, zu starten und diesen durchgehenden Zug in einer Unterführung unter ausgewählten Straßen bis zur Williamsburg Bridge zu führen, die überquert wird, wobei die beweglichen Plattformen auf derselben Strecke nach Bowling Green zurückkehren. Dies ist eine Entfernung von insgesamt 9,6 km, und es gibt derzeit keine zufriedenstellenden Transportmöglichkeiten für die vielen Bewohner dieser großen Region auf der Ostseite von Manhattan sowie der überfüllten Region Williamsburg.

In Bowling Green würden die Züge am Bahnsteig mit dem Tunnel nach Brooklyn verbunden. Sie würden die Pearl und William Street bis zur Centre Street hinauffahren und dort Anschluss an die derzeitige Brooklyn Bridge und Third Avenue Elevated Railroad haben. Sie würden durch die Canal Street zur Bowery fahren und dort den Ausgang der neuen Manhattan Bridge berühren. Über die Delancey Street würden sie die Williamsburg Bridge erreichen und überqueren. Sie würde auch mit allen führenden Buslinien auf der East Side verbunden werden.

Der Plan sieht vor, unter diesen Straßen eine 7,5 – 9 m breite Untergrundbahn zu bauen. Die Bahnhöfe werden alle zwei Blocks angelegt. Die durchgehenden Züge sind einfache flache Plattformen mit Sitzen auf der einen und einem Zwischenraum auf der anderen Seite, so dass man seine Geschwindigkeit durch Gehen beschleunigen kann, wenn man möchte. Es wird nicht mehr Stau geben als auf dem Bürgersteig einer normalen Straße, da es keine Wartezeiten auf Züge gibt. Es gibt keine schweren Lokomotiven oder Motoren, die gezogen werden müssen, und keine Unterbringung für die Wagen. Der Tunnel wird beleuchtet und im Winter auch mäßig beheizt sein. Der Plan sieht vor, in der Hauptverkehrszeit einen Cent und in den übrigen Zeiten zwei Cent für die Durchfahrt zu verlangen. Für den großen Zug werden etwa 10 600 Wagen oder Plattformen benötigt, die in einer Schleife miteinander verbunden sind.

Die Methode zum Betrieb dieser Plattformen ist bekannt. Es gibt zwei so genannte ›Trittbahnsteige‹, die neben dem festen Bahnsteig verlaufen. Der Fahrgast betritt den ersten Trittbahnsteig, der sich mit einer Geschwindigkeit von 4,5 km/h bewegt. Anschließend steigt er auf einen zweiten Trittbahnsteig mit einer Geschwindigkeit von 9 km/h. Von dort steigt er in den Zug mit einer Geschwindigkeit von 13,5 km/h, wo er einen Sitzplatz findet. Diese Sitze bieten Platz für, sagen wir, vier Personen und sind 90 cm voneinander entfernt. Um aus dem Zug auszusteigen, geht der Fahrgast einfach von einem Trittbahnsteig zu einem anderen mit abnehmender Geschwindigkeit und steigt schließlich an seinem Bahnhof aus.

Die Beförderungskapazität ist sehr flexibel, und die Betriebskosten werden als viel niedriger als bei der üblichen Art des städtischen Nahverkehrs angegeben. Es wird geschätzt, dass mit dem geplanten System, das den städtischen Behörden vorliegt, nicht weniger als 50 000 Fahrgäste mit Sitzplätzen bei einer Geschwindigkeit von 13,5 km/h befördert werden könnten.

Entnommen aus dem Buch:

Neuerscheinung

Die Aufbruchstimmung und der technische Fortschritt im 19. Jahrhundert führten zu immer neuen Erfindungen, die den Verkehr beschleunigen und die Antriebe optimieren sollten. Dabei wurde oft das System von mit Dampflokomotiven bespannten Zügen auf zwei Schienen grundlegend in Frage gestellt. Manche dieser Ideen sind heute wieder aktuell, und so lohnt sich ein unverfälschter Blick auf dieses interessante Kapitel der Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 18,90 | 148 Seiten | ISBN: 9-783-7583-7184-4

• Auf epilog.de am 30. Januar 2024 veröffentlicht

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