Handel & Industrie – Fabrikation
Ein Besuch in der Berliner Münze
Daheim • 19.7.1890
In welcher Art und Weise Münzen heute angefertigt werden, darüber kann sich jedermann aus dem Konversationslexikon informieren. Er erfährt da, dass das legierte Metall, aus dem man die Münzen prägen will, in lange, schmale und dünne Stangen, die sogenannten ›Zaine‹ gegossen wird; dass man diese Zaine dann streckt und walzt, bis sie die Dicke haben, welche das betreffende Geldstück haben soll; dass hierauf aus diesen Metallbändern vermittelst besonderer Maschinen die Platten, aus denen das Geld angefertigt werden soll, in vorschriftsmäßiger Größe durch Lochen herausgeschlagen werden; dass man bei Gold- und Silbermünzen die Platten dann justiert, d. h. prüft, ob sie das vorgeschriebene Gewicht haben, und dass endlich die gereinigten Metallplatten in besonderen Prägemaschinen auf der Vorder- und Rückseite geprägt, eventuell auch noch auf dem Rand mit Kerben versehen werden, nachdem einzelne Sorten von ihnen in einer besonderen Maschine gerändelt oder gekräuselt, d. h. an der Schmalseite mit einem Spruch oder mit Arabesken verziert worden sind.
Auf die hier angeführten Manipulationen der Münzkunst beschränkt sich auch die Arbeit der Berliner Münze. Trotzdem gibt es aber eine Menge eigentümlicher, höchst interessanter Kleinigkeiten bei diesen Arbeiten, die jeden gebildeten Menschen interessieren dürften, und die wir hier dem Leser vorführen wollen, indem wir ihn auffordern, unter sachkundiger Führung einen Rundgang durch die königliche Münze zu machen.
Die Leser kennen gewiss das große rote Gebäude, welches in der Nähe der Schleusenbrücke und der Schlossfreiheit, dicht neben dem bekannten Modebasar von Gerson steht und welches mit einem breiten, in rotem Ton ausgeführten Fries geziert ist. Wir betreten ein sehr schönes Treppenhaus mit mächtigen Säulen aus poliertem Granit und einer doppelwangigen Freitreppe, die nach dem Hochparterre führt, wo sich rechts die Probieranstalt, links die Münzkasse und geradezu das Betriebsbüro befinden.
Schon in diesem Büro sehen wir höchst interessante Sachen. Über den Barrentischen, welche sich lang durch den Raum hinziehen, hängen von der Decke herab Waagen von ganz kolossalen Dimensionen mit kupfernen Wiegeschalen von mehr als einem halben Meter Durchmesser, Waagen mit einfachster Balkenkonstruktion, welche aber doch durch Schrauben so präzis eingestellt werden können, dass selbst ein Halbgramm einen Ausschlag gibt. Auf diesen Waagen wird sowohl angekommenes Edelmetall als auch Geld, das aus dem Betrieb an die Münzkasse gehen soll, gewogen anstatt gezählt, da das Zählen eine außerordentliche Arbeit verursachen würde und auch überflüssig ist, da ja genau bekannt ist, wie viel Münzen auf jedes Pfund von jeder Sorte gehen. Durch eine mächtige Eisentür abgeschlossen ist ein hohler, gewölbter Raum innerhalb der Mauer, der Tresor, in welchem fertiges Geld in Beutel gepackt, auf hölzernen Regalen, gelagert wird, bis es zur Ablieferung kommt.
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