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Berlin-Görlitzer Eisenbahn

Enzyklopädie des Eisenbahnwesens • 1912

Bereits in den 1850er Jahren entstand der Plan einer Zentralbahn von Berlin durch die Lausitz über Brünn nach Wien. Dieser Plan kam jedoch nicht zur Ausführung, hauptsächlich, weil sich Österreich in dem Vertrage über die Bahnverbindung Zittau-Reichenberg von 1853 Sachsen gegenüber verpflichtet hatte, auf 25 Jahre Preußen einen Eisenbahnanschluss nach Reichenberg nur über sächsisches Gebiet zu gewähren. Infolgedessen verfolgten die Interessenten, namentlich aus der Niederlausitz, nunmehr den Plan einer selbstständigen Verbindung zwischen Berlin und der Hauptstadt der preußischen Oberlausitz, Görlitz, für die unter dem 7. Juni 1858 die landesherrliche Genehmigung erteilt wurde.

Die Beschaffung der Mittel für das neue Unternehmen stieß auf Schwierigkeiten. Erst im Jahre 1864 bildete sich (unter Beteiligung des bekannten Dr. Strousberg) die Berlin-Görlitzer Eisenbahngesellschaft mit dem Sitze in Görlitz und einem Kapital von insgesamt 11 Mill. Talern. Der Bau wurde im Frühjahr 1865 begonnen. Nach Ausbruch des Deutschen Krieges im folgenden Jahre konnte die Strecke Berlin–Cottbus so weit fertiggestellt werden, dass sie einige Kriegstransporte zu übernehmen in der Lage war. Die endgültige Betriebseröffnung erfolgte erst im September 1866. Am 31. Dezember 1867 wurde die ganze Linie Berlin–Görlitz in Betrieb genommen.

Die Bahn durchquert von Berlin aus das landschaftlich bevorzugte Gebiet bis Königs Wusterhausen, dem alten Jagdsitze Friedrich Wilhelms I., und hat hier einen sehr lebhaften Vorortverkehr.

Die Verlängerung der Stammbahn von Görlitz westlich nach Zittau 33 km im Tal der Neisse und östlich nach Seidenberg in der Richtung gegen Reichenberg (9,5 km) erfolgte (Konzession 1871) im Jahre 1875. Die Fortsetzung von Seidenberg bis zur Landesgrenze war an die österreichische südnorddeutsche Verbindungsbahn verpachtet. Die Herstellung der im Jahre 1874 eröffneten Strecke Lübbenau–Kamenz (60 km) wurde durch den zwischen Preußen und Sachsen unterm 14. Dezember 1871 abgeschlossenen Staatsvertrag vereinbart. Von der Station Weißwasser führt außerdem eine 1872 dem Betrieb übergebene Zweigbahn nach dem Badeort Muskau (7,7 km). Die Berlin-Görlitzer Eisenbahn hat Anschluss in Berlin an die daselbst einmündenden Bahnen, in Cottbus an die Cottbus-Großenhainer, Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn, in Görlitz an die niederschlesisch-märkische, schlesische Gebirgsbahn und die sächsischen Staatsbahnen.

Mit dem völligen Ausbau ihres Netzes hat die B. eine große Bedeutung nicht nur für den Verkehr der Reichshauptstadt mit der Nieder- und Oberlausitz, mit Sachsen und Schlesien, sondern auch darüber hinaus für den internationalen Verkehr der norddeutschen Küste und Skandinaviens einerseits und Österreich-Ungarns anderseits erhalten.

Die finanziellen Ergebnisse entwickelten sich günstig, trotz der bedeutenden Summen, die nach und nach in dem Unternehmen angelegt wurden (insgesamt über 67 Mill. Mark).

Am 14. November 1881 schloss der Staat mit der Berlin-Görlitzer Eisenbahn einen Ver trag wegen Überlassung des Betriebs, mit dem 1. Mai 1882 erwarb er auch das Eigentum (Gesetz vom 29. März 1882). Den Aktionären wurden für je 8 Stammaktien zu 300 Mark 4%ige Staatsschuldverschreibungen im Gesamtwerte von 900 Mark ausgefolgt. Hiermit erhielt der Staat ein Bahnnetz von rund 318 km. Die neuerworbenen Strecken wurden der kgl. Eisenbahndirektion Berlin zugewiesen. Gegenwärtig gehören sie – abgesehen von den Berliner Vorortstrecken – größtenteils zum Direktionsbezirk Halle a. S., ein Teil zu Breslau.

• Quaatz

• Auf epilog.de am 16. Januar 2004 veröffentlicht

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