Bau & ArchitekturBrücken

Bau der Unterführung der
Königstraße in Hannover

Zentralblatt der Bauverwaltung • 29.4.1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.
Unterführung der Königstraße in Hannover - QuerschnittFig. 1  Querschnitt

Wie aus dem beigefügten Grundriss (Fig. 2) hervorgeht, ist die Unterführung etwa 60 m lang. Das Gewölbe wird durch einen 4,5 m breiten Lichtschacht in zwei voneinander unabhängige Ringe getbeilt, über deren südlichen 2, und über deren nördlichen 6 Gleise führen. Nun bestand die Aufgabe für den Umbau des Bahnhofes darin, die alten im Niveau der Straßen liegenden Geleise um etwa 4 m zu heben und sämtliche die Gleisanlagen kreuzenden Straßen zu unterführen. Da der sehr rege Betrieb auch während der Umbauperiode über das alte Bahnhofsterrain fortgeleitet werden musste, so ergab sich von selbst die Notwendigkeit, unter Zuhilfenahme von Provisorien die Betriebsgleise nach Möglichkeit einzuschränken und zunächst, nur einen Teil derselben zu heben, dann den Betrieb auf das erhöhte Bahnplanum zu bringen, und endlich den zweiten Teil der Gleise nachzuheben. Die erste Betriebseröffnung auf dem erhöhten Bahnplanum über der Unterführung erforderte die Herstellung von 5 Gleisen; hiervon lagen 2 Gleise auf dem südlichen Gewölbering, und für 3 andere musste ein entsprechender Teil des nördlichen Ringes eingewölbt werden. Diesen Ring gleich in seiner vollen Länge auszuführen, ging, wie aus dem Grundriss ersichtlich ist, nicht an, weil 2 tiefliegende Gleise für den Betrieb unbedingt erhalten werden mussten. Man hätte leicht den gewöhnlichen Weg einschlagen und das ganze Gewölbe einfach wieder in zwei voneinander unabhängigen, aber dicht an einander schließenden Ringen Ausführen können, indessen entschied man sich aus naheliegenden Gründen zu einer anderen Methode. Der Sachverständige ist vielleicht an kleine Unebenheiten in der Laibungsfläche des Gewölbes, wie sie in der durchlaufenden offenen Vertikalfuge und dem ungleichmäßigen Setzen der verschiedenen Gewölbeteile zutage treten, gewöhnt; das Laienauge wünscht aus ästhetischen Gründen eine glatt durchlaufende Fläche, weil ihm derartige Schönheitsfehler unverständlich bleiben, und diesen gewiss berechtigten Ansprüchen musste um so mehr Rechnung getragen werden, als das Bauwerk in dem eleganten neuen Stadtteil Hannovers gelegen ist.

Unterführung der Königstraße in Hannover - GrundrissFig. 2 Grundriss

Der in verlängertem Zementmörtel ausgeführte südliche Gewölbering hatte sich nach dem Ausrüsten im Scheitel 28 mm, im Übrigen nach den Widerlagern hin abnehmend in gleichmäßigster Weise gesetzt. Es war nicht anzunehmen, dass bei den vorzüglich ausgeführten Lehrgerüsten bei gleichem Material und gleicher Arbeit in den folgenden Gewölben andere Erscheinungen auftreten könnten, und so entschloss man sich, den in zwei Teilen auszuführenden nördlichen Gewölbering derart herzustellen, dass beide Teile zwar scharf d. h. auf Fugenbreite aneinander gesetzt, aber den Stirnen eine entsprechende Verzahnung gegeben, und die in der Zeichnung, Fig. 3 schraffiert angedeuteten Kreuze nachträglich eingesetzt wurden. Obwohl der zweite Teil erst 6 Monate später als der vordere ausgeführt werden konnte, so war der gewünschte Erfolg doch ein überaus günstiger. Beide Gewölbeteile setzten sich wieder nahezu genau 28 mm im Scheitel; im vorderen Teil hatte auch kein messbares Nachsetzen stattgefunden, und so erscheint das ganze Gewölbe nach dem Einfügen der Kreuze und dem Vergipsen der Fugen wie in einem Stück hergestellt. Die größte Differenz in der Laibungsfläche beider Ringe, welche allerdings auf einer Seite eintrat, betrug etwa 5 mm; aber auch dieser Übel stand konnte leicht durch saubere Nacharbeit an der Verblendung des Gewölbes ausgeglichen und unsichtbar gemacht werden. Der Erfolg muss neben der guten Arbeit und den soliden Rüstungen in erster Reihe der Verwendung von Zementmörtel zu den Gewölben zugeschrieben werden, welcher hier wieder den vollgültigen Beweis liefert, dass durch seinen Gebrauch das überaus lästige, starke Setzen der Gewölbe auf das geringste Maß gebracht und auch das nachträgliche Reißen der Übermauerungen leicht und mit geringen Kosten vermieden werden kann.

Unterführung der Königstraße in Hannover - LaibungsflächeFig. 3 Laibungsfläche des Gewölbes

Die Konstruktion des Gewölbes und Lehrgerüstes geht aus der Fig. 1 hervor. Das Gewölbe hat eine lichte Weite von 16 m. und ein Pfeilverhältnis von 1 : 7,44. Der Straßenverkehr durfte durch den Bau der Unterführung möglichst wenig belästigt und noch weniger unterbrochen werden, weshalb je 2 Öffnungen für den Wagen- und Fußgängerverkehr in die Rüstungen eingebaut und die Arbeiten möglichst beschleunigt werden mussten. Die Ausrüstung geschah mittels Sandtöpfe. Tatsächlich wurde der Fußgängerverkehr nie, der Wagenverkehr bei dem Aufbau der Rüstungen für jeden Gewölbering nur je 3 Tage, beim Ausrüsten nur je 1 Tag gehemmt. An einem Gewölbering arbeiteten 12 Maurergesellen und 12 Arbeiter 4 ½ bis 5 Tage; nach erfolgtem Schluss standen die Gewölbe überhaupt nur weitere 5 Tage bis zur Ausrüstung. Das Ausrüsten selbst erfolgte durch 20 Mann in 15 bis 20 Minuten. Es sei noch angeführt, dass die Lehrgerüste im Scheitel um etwa 12 cm überhöht worden waren; diese Annahme erwies sich nach obigem zu hoch gegriffen, weil sich auch die solide konstruierten Rüstungen unter der aufgebrachten Belastung nur wenige Zentimeter senkten. Ein weiteres Setzen der Gewölbe nach dem Aufbringen der Übermauerung und der Kiesschüttung hat nicht festgestellt werden können. Im Allgemeinen wurde mit möglichst engen Fugen gemauert, die in der Laibungsfläche der Gewölbe nur eine Stärke von 5 mm erhielten. Die Widerlager sind in Wasserkalkmörtel bei einem Mischungsverhältnis von 1 Teil Kalk auf 3 Teile Sand, die Gewölbe in verlängertem Zementmörtel – 1  Teil Zement, 2 Teile Wasserkalk, 5 Teile Sand – ausgeführt. Selbstredend kamen nur Ziegel bester Güte zur Verwendung; dieselben waren auf der Berliner Versuchsstation geprüft worden und hatten einen Druck von mehr als 220 kg/cm² ausgehalten, während die theoretische Inanspruchnahme im Scheitel der Gewölbe etwa 11 kg/cm² und in den Widerlagern nur 5 kg/cm² betrug.

Schließlich mag nicht unerwähnt bleiben, dass die ganze Bauausführung in selten sorgfältiger Weise durch den Maurermeister Grastorf und den Techniker Hoermaan geleitet wurde.

• Blanck

• Auf epilog.de am 5. November 2021 veröffentlicht

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