Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Aus der Rebe in die Flasche

Daheim • 14.10.1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 18 Minuten.

Wie wunderlich oft die Anschauungen über anscheinend ganz alltägliche Dinge sind, beweist nichts deutlicher und besser, als die absonderlichen Vorstellungen, welche sich der Norddeutsche, oder gehen wir noch weiter, der Nichtrheinländer, von Weinbau und Weinlese am Rhein macht. Es ist fast zur unumstößlichen Meinung geworden, dass der Weinbau eine ziemlich mühelose Arbeit sei und dass die Ernte des Weines unter sonnigstrahlendem Himmel heimgebracht werde. Dichter und Maler wetteifern in der Schilderung dieses Freudenfestes – Sonnenschein lacht in und aus unseren Weinliedern und Winzer und Winzerinnen stehen – auf unseren Gemälden – leicht geschürzt in blendend weißen Linnen, mit emporgestreiften Ärmeln im ›Wingert‹ und schneiden die Trauben frisch und fröhlich in Körbe oder Bütten. Die Trauben werden dann in heiterster Stimmung gepresst, kommen ins Fass und werden als Wein in Flaschen gefüllt, baldmöglichst zu hohen Preisen verkauft und versendet!

Der Nichteingeweihte ist bei solcher Anschauung vollberechtigt anzunehmen, dass es nichts Angenehmeres am Rhein geben kann, als die Tage der Weinlese. Freilich – ist das Jahr gut und vielversprechend, so fehlt es bei dem an und für sich heiteren Sinn der rheinischen Weinbauern nicht an Fröhlichkeit während des Geschäftes der Lese, auch wenn das Wetterglas nahe auf dem Gefrierpunkt steht und einige ›Schoppen‹ zur rechten Zeit wärmen nicht nur dem Leser und der Leserin die erstarrten Hände, sondern sie feuern auch ihre Kehlen zu einem weithinschallenden Gesang an. Im Ganzen ist es aber ein mühsames und kühles Geschäft, den ›Trostesbringer‹ zu sammeln und den Weinberg abzuernten.

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• Auf epilog.de am 22. September 2023 veröffentlicht

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