U-Bahn in Berlin

Der Abzweigungsbahnhof Bismarckstraße der Berliner elektrischen Hoch- und Untergrundbahn

Von Regierungsbaumeister Heinrich Schmidt

Elektrische Kraftbetrieb und Bahnen • 3.3.1906

Voraussichtliche Lesezeit rund 7 Minuten.

Die im Jahr 1902 eröffnete elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin hat sich immer mehr zu einem wichtigen Glied der Berliner Lokalverkehrsmittel entwickelt, so dass die Erweiterung des Unternehmens allseitig freudig begrüßt wird. Gegenwärtig ist in Charlottenburg eine rd. 3,5 km lange Erweiterungsstrecke vom Knie nach Westend mit einer seitlichen Abzweigung nach dem Wilhelmplatz im Bau begriffen. Die Seitenlinie nimmt ihren Anfang beim Bahnhof Bismarckstraße, von dem hier eine kurze Beschreibung gegeben werden soll.

Der hier beschriebene U-Bahnhof Bismarckstraße trägt heute den Namen ›Deutsche Oper‹. Der jetzige U-Bahnhof Bismarckstraße wurde 1978 eröffnet.
Der Wilhelmplatz wurde 1934 in Richard-Wagner-Platz umbenannt, ›Knie‹ bezeichnet den heutigen Ernst-Reuter-Platz.

Die Westendstrecke dient im Wesentlichen der Aufschließung neuer Stadtteile und dem Verkehr nach dem Grunewald und wird daher vorerst nur an Sonntagen einen größeren Verkehr aufweisen. Der Wilhelmplatz dagegen ist ein Hauptverkehrspunkt Charlottenburgs, und die dahin führende Linie wird sich wohl gleich einer regen Benutzung erfreuen, die sich bei einer Fortführung der Bahn nach der Jungfernheide noch steigern wird, wenn auch zu erwarten steht, dass in Zukunft der Verkehr mit Westend der bedeutendere wird. Es lässt sich zurzeit noch nicht übersehen, in welcher Weise der Betrieb später auf den Strecken zu führen ist, d. h. ob durchgehende Züge sowohl nach Westend als auch nach dem Wilhelmplatz eingerichtet werden oder ob auf einer dieser Strecken ab Bahnhof Bismarckstraße nur ein Pendelverkehr eingerichtet wird, und schließlich ist auch die Richtung des Verkehrs an Sonntagen eine andere als an Werktagen. Die Entscheidung hierüber muss der Zukunft vorbehalten bleiben.

Um für alle Fälle gerüstet zu sein, wird der Bahnhof Bismarckstraße als Abzweigungsbahnhof ausgebaut. Damit bei Bedarf später auf beiden neuen Strecken gleichzeitig dieselbe engste Zugfolge wie auf der Stammstrecke möglich ist, musste die Abzweigung vor, d. h. östlich des Bahnhofes erfolgen und letzterer viergleisig werden.

Der im Lichten 24,35 m breite Bahnhof konnte bequem in der Straße untergebracht werden und erhält vier Gleise, zwei für jede Richtung und zwei Inselbahnsteige.

Haltestelle BismarckstraßeHaltestelle Bismarckstraße der Berliner Hoch- und Untergrundbahn.

Der nördliche Bahnsteig dient dem Verkehr von Berlin nach Westend und dem Wilhelmplatz, der südliche dient dem Verkehr nach Berlin. Die beiden inneren Gleise werden von den Zügen nach und von dem Wilhelmplatz, die beiden äußeren von den Zügen nach und von Westend befahren. Müssen die Fahrgäste umsteigen, sei es, dass sie mit einem Zug der anderen Strecke ankommen, sei es, dass die weiter zu befahrende Strecke nur mit Anschlusszügen betrieben wird, dann ist ein Verlassen des Bahnsteiges nicht notwendig, denn der gewünschte Zug fährt auf der anderen Seite desselben Bahnsteiges ein. Eine Ausnahme besteht für den Verkehr zwischen Wilhelmplatz und Westend. Die Zahl der Fahrgäste auf dieser Strecke wird voraussichtlich gering sein, könnte sich aber bei Fortführung der Bahn über die jetzigen Endpunkte hinaus wesentlich steigern. Um diesen Fahrgästen die Überschreitung der beiden Sperren und der Straße zu ersparen, sind die beiden Bahnsteige durch einen unter den Mittelgleisen hinführenden Tunnel verbunden.

Bei der dichten Zugfolge waren im Interesse eines sicheren und flotten Betriebes Kreuzungen der Hauptgleise in Schienenhöhe zu vermeiden, wie dies auch bereits bei dem Gleisdreieck der Hochbahn geschehen ist.

Die beiden nach dem Wilhelmplatz führenden Gleise behalten ihre Höhenlage nahezu bei und biegen mit einer Krümmung von 100 m Halbmesser in die Sesenheimer Straße ein.

Es lag nahe, die voraussichtlich wichtigeren Westendgleise horizontal durchzuführen und mit dem vom Wilhelmplatz kommenden Gleis zu tauchen. In diesem Fall hätte dies ohnehin scharf gekrümmte Gleis unmittelbar vor der Einfahrt in den Bahnhof noch eine, nur in der Steigung zu befahrende steile Rampe erhalten, wodurch der Betrieb sehr erschwert worden wäre. Man zog es deshalb vor, das nach Westend führende gerade Gleis zu tauchen; die nur abwärts zu befahrende Rampe unmittelbar hinter der Haltestelle hat eine Steigung von 1 : 29, die aufsteigende Rampe hinter der Unterführung eine solche von 1 : 40. Das große Gefälle bzw. die geringe Länge der ersteren Rampe war geboten, um die Ausgangstreppen möglichst nahe der Krumme Straße anordnen zu können. An der tiefsten Stelle der Unterführung ist ein Sumpf für etwaiges Sickerwasser angeordnet, dessen Entleerung in die städtische Kanalisation erfolgt.

Wie erwähnt, liegen die Weichen östlich vom Bahnhof. Zwischen den beiden Hauptgleisen ist hier für das Umsetzen der Pendelzüge ein Auszuggleis angeordnet. Pendelzüge nach und vom Wilhelmplatz kreuzen die Hauptgleise nicht, dagegen würde bei einem Pendelbetrieb der Westendlinie die Kreuzung der Hauptgleise beim Umsetzen erforderlich sein.

Die sonstigen Abmessungen des Bahnhofes gehen aus den Zeichnungen hervor. Die Bahnsteige sind rd. 110 m lang, entsprechend einem Zug von acht Wagen. Die Bahnsteigmauern sind aus Beton gestampft und auf der Vorderseite zur Aufnahme der Arbeitsleitungen ausgespart. Entsprechend der größeren Breite wurde auch die Lichthöhe der Haltestelle auf 4,30 m vermehrt. Die Tunnelwände und die Sohle sind in üblicher Weise aus Stampfbeton hergestellt und gegen das Grundwasser abgedichtet. Die Decke besteht aus Blech- bzw. Walzträgern mit zwischengespannten Betonkappen.

Um der Haltestelle Tageslicht zuzuführen, sind in der Tunneldecke Oberlichter vorgesehen, und zwar einerseits in dem Schutzstreifen zwischen dem Hauptfahrdamm und den Straßenbahngleisen, anderseits zwischen dem Reitweg und dem Hauptfahrdamm.

Haltestelle BismarckstraßeQuerschnitt der Haltestelle Bismarckstraße.

Die beiden Westendgleise vereinigen sich eine Strecke hinter dem Bahnhof wieder zum normalen Tunnel.

Die gegenwärtige Endhaltestelle Knie ist 4,5 km vom Kraftwerke in der Trebbiner Straße entfernt; dies ist die Grenze, bis zu der eine unmittelbare Versorgung mit Gleichstrom zulässig ist. Für die im Bau begriffenen Erweiterungsstrecken nach dem Wilhelmplatz und Westend bzw. für deren etwaige Verlängerungen war eine anderweitige Stromversorgung vorzusehen.

Bei dem allmählichen Ausbau der Erweiterungslinien würde ein neues Kraftwerk zunächst nur wenig ausgenutzt werden, auch ist ein geeigneter Bauplatz schwer zu beschaffen. Da das Werk in der Trebbiner Straße noch eine Erweiterung zulässt, die vorerst den neuen Weststrecken dienen kann, soll zunächst der hier zu erzeugende Gleichstrom periodisch in Drehstrom von 10 000 Volt umgewandelt und nach einem Umformerwerk geleitet werden. Ein geeigneter Raum zur Unterbringung des letzteren ergab sich westlich des Bahnhofs Bismarckstraße zwischen dem südlichen Gleis und den Gleisen nach dem Wilhelmplatz, so dass jeglicher Geländeerwerb entfiel. Von hier aus wird dann auch die Strecke Zoologischer Garten – Knie versorgt, da dort bei späterer Zugvermehrung die vorhandene Spannung nicht mehr ausreichen wird.

Nach vollem Ausbau hätte das Unterwerk 10 km Betriebsstrecke zu speisen, die rd. 2700 KW erfordern; das Werk erhält daher fünf Umformersätze von je 650 KW, von denen einer als Reserve dient.

Der im Kraftwerk Trebbiner Straße erzeugte Drehstrom von 10 000 Volt wird durch dreifach verseilte, mit Stahlband armierte Kabel in das Unterwerk geleitet und dort durch Umformer in Gleichstrom von etwa 750 Volt umgewandelt. Für die Wahl dieses Systems an Stelle von Motorgeneratoren waren der geringere Raumbedarf und der bessere Wirkungsgrad maßgebend.

Zunächst gelangen zwei Umformersätze zur Aufstellung, außerdem aber zur Ausgleichung der Stromstöße eine Pufferbatterie von 370 Elementen, die einen Umformersatz auf etwa eine Stunde ersetzen kann. Soweit die im Bahnbetriebe unvermeidlichen Stromschwankungen nicht von den Umformern selbst aufgenommen werden, dient hierzu die oben genannte Pufferbatterie, die in ihrer Wirkung noch durch eine Batteriezusatzmaschine, System Pirani, unterstützt wird.

Der zur Bedienung der Block- und Signalapparate und der Hochspannungsschalter sowie zur Erleuchtung des Unterwerkes erforderliche Gleichstrom wird durch zwei besondere Umformer L mit je einer kleinen Batterie geliefert.

Die Umformer werden auf Korkunterlagen montiert, um die Erschütterungen von den umgebenden Baulichkeiten möglichst abzuhalten.

Alle Räume erhalten Tagesoberlicht. Die Wände und Decken des 41 m langen Umformerraumes sind mit weißglasierten Kacheln, der Fußboden ist mit hellen Tonfliesen verkleidet; der Maschinenraum wird durch einen Laufkran von 7 t Tragfähigkeit bestrichen.

Von besonderer Wichtigkeit ist bei einer unterirdischen Anlage wie der vorliegenden die Frage der Entlüftung. Damit im Maschinenraum auch bei stärkstem Betrieb die Luft nicht zu sehr erwärmt wird, sind sekundlich 10 m³ Luft aus dem Maschinenraum abzusaugen. Die frische Luft strömt aus dem Tunnel des südlichen Westendgleises durch Klappenöffnungen zu. Die warme Luft wird durch einen in der Decke angeordneten Kanal K den elektrisch betriebenen Ventilatoren zugeführt, die sie in einen in der Tunneldecke liegenden Kanal drücken, der auf dem Eckgrundstück Bismarck- und Sesenheimer Straße in einen Schornstein oder Schacht enden wird.

Der Akkumulatorenraum steht durch Klappen unmittelbar mit der Ventilatorkammer in Verbindung.

Für das Einbringen der Säureballons und etwaiger Ersatzteile in den Batterieraum ist am Kopf der Treppe Tr ein kleiner Schacht mit Handaufzug A vorgesehen. Die Maschinenräume sind sowohl von der Treppe Tr als auch vom Bahnsteig aus zugänglich. Für den Transport großer Maschinenteile ist in der Tunneldecke eine mit eisernem Deckel verschlossene geräumige Öffnung vorhanden, die zum jeweiligen Gebrauch freigelegt werden muss.

Die Ausführung der Erweiterungsstrecken einschließlich der betriebsfertigen Einrichtung des Unterwerks erfolgt für die Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin durch die Aktiengesellschaft Siemens & Halske zu Berlin.

Entnommen aus dem Buch:
Nach der Eröffnung der Berliner Hoch- und Untergrundbahn 1902 war das Interesse der gut situierten westlichen Berliner Vororte an einem Schnellbahnanschluss geweckt. Selbstbewusst und mit der Unterstützung finanzkräftiger Terraingesellschaften entwickelten die Städte Charlottenburg und Wilmersdorf Pläne für die Erweiterung der Berliner U-Bahn, wobei die Beteiligten teilweise sehr eigenwillige Vorstellungen zur Streckenführung hatten. In diesem Buch schildern ausgewiesene Experten in zeitgenössischen Original-Beiträgen die Entwicklung der Schnellbahnen vom Nollendorfplatz nach Ruhleben, Krumme Lanke und zum Kurfürstendamm zwischen 1906 und 1930. Rund 150 Zeichnungen und Fotos illustrieren dieses Zeitdokument der Berliner Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 16,90 | 114 Seiten | ISBN: 978-3-7578-8381-2

• Auf epilog.de am 15. November 2023 veröffentlicht

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