DaseinsvorsorgeWasserwirtschaft

Die Berliner Wasserwerke

Die Gartenlaube • 1858

Voraussichtliche Lesezeit rund 8 Minuten.

Wer in dem heutigen Berlin durch eine der vielen Straßen wandert, hat wohl keine Ahnung, dass unter dem Steinpflaster ein vollständiges System von Kanälen und Röhren verborgen liegt, die gleich den Adern und den übrigen wunderbaren Gebilden des menschlichen Körpers den größten Anspruch auf unsere Bewunderung haben. Die große Stadt gewinnt dadurch immer mehr das Ansehen eines vollendeten Organismus; sie hat ihr Nervensystem, den Telegrafen, welcher mit der Schnelligkeit des Blitzes den Gedanken trägt und die entferntesten Teile miteinander verbindet, ihre Blutgefäße, ihre Arterien und Venen, in denen das Gas und das zu ihrem Leben so notwendige Wasser von einem Ende zum andern strömt. Nur wenn eine notwendige Reparatur vorgenommen und das Steinpflaster aufgerissen wird, erblickt man diese verborgenen Geister, welche in der Tiefe der Erde ihre geheimnisvolle Wirksamkeit entfalten. Da liegen friedlich die eisernen Röhren nebeneinander, in denen die gebändigten Kräfte der Natur dem Menschen dienen.

Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.

Durch die neuen Wasserwerke, welche eine englische Compagnie unter dem Schutz und hauptsächlich auf Veranlassung des verstorbenen Polizeidirektors von Hinkeldey eingeführt, hat der städtische Organismus gleichsam seinen Abschluss erhalten. Die Notwendigkeit einer gleichmäßigen und allgemeinen Wasserverteilung stellte sich schon längst als ein sich täglich steigerndes Bedürfnis heraus. Zwar besitzt Berlin eine hinlängliche Menge von Brunnen und die Spree gewährt den vollkommen ausreichenden Zufluss für Fabriken und industrielle Unternehmungen aller Art; aber das Wasser selbst ist, wie die chemische Analyse nachweist, teils durch fremde Bestandteile häufig so sehr verunreinigt, dass es der Gesundheit und dem Betriebe gewisser Gewerbe geradezu nachteilig wird, teils so schwer in die höher liegenden Wohnungen zu bringen, dass dadurch die größten Übelstände herbeigeführt werden. Bei der Reorganisation der ›Berliner Feuerwehr‹ stellte sich die Notwendigkeit einer allgemeinen Wasserleitung noch dringender heraus; ja, die Erstere war ohne die Letztere gar nicht denkbar. Als sich daher eine Compagnie von Kapitalisten in London gebildet hatte, um Berlin mit Wasser zu versehen, so wurde derselben von der Regierung gern jeder Vorschub und jede mögliche Begünstigung gewährt. Immer mehr findet diese Gesellschaft ihre Rechnung, da die Zahl der Häuser, welche sie jetzt mit Wasser versorgt, täglich zunimmt. Fast kein neues Gebäude entsteht, das nicht sein Wasser von der Compagnie bezieht. Bis in die höchsten Stockwerke wird das freundliche Element emporgeleitet. Diese Einrichtung schützt den Eigentümer bei Feuergefahr, erleichtert den Dienstboten ihre schwere Last, befördert die zum Leben so nötige Reinlichkeit und ist für alle Klassen der Bevölkerung mit gleichen Vorteilen verbunden, so dass sich Hauswirte und Mieter den daraus erwachsenden, verhältnismäßig unbedeutenden Kosten gern unterwerfen.

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• Auf epilog.de am 26. August 2016 veröffentlicht

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